Interview

Magic.dev: „Wenn AI halbwegs fair verteilt wird, hat am Ende jede:r mehr“

Eric Steinberger und Sebastian De Ro von Magic.dev. © Magic.dev
Eric Steinberger und Sebastian De Ro von Magic.dev. © Magic.dev
Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

2023 ist das Jahr der Artificial Intelligence. Während sich Google und Microsoft in Milliardenschweren Fight um die Vorherrschaft bei Künstlicher Intelligenz liefern, scheint auch die Zeit für die Startups gekommen zu sein. Das beste Beispiel ist magic.dev aus Österreich. Im interview sprechen wir mit Eric Steinberger und Sebastian De Ro, den beiden Gründern von magic.dev.

Trending Topics: Reden im Silicon Valley eigentlich derzeit alle nur über ChatGPT? Oder gibt es noch andere Themen?

Eric Steinberger (ES): Über uns reden sie natürlich. Nein, nur ein Scherz, jetzt reden wirklich alle nur noch über das Thema KI, und jeder versucht zu verstecken, dass er irgendwann mal in Crypto verliebt war.

Also sind alle, die vorher Web3-Expert:innen waren, jetzt KI-Expert:innen.

ES: Was ist Web3? Das habe ich nie gehört. Aber ja, genauso ist es.

Während sich Google und Microsoft gegenseitig ständig mit Nachrichten zu neuen KI-Tools übertrumpfen wollen, seid ihr dazwischengefunkt und hat auf LinkedIn verkündet, dass euer Startup, das noch nicht einmal ein Jahr besteht, eine Finanzierungsrunde von 23 Millionen Dollar an Land gezogen hat. Wie kam es dazu?

ES: Wie weit soll ich ausholen?

Fangen wir mal an mit der Frage: Was ist Magic.dev?

ES: Im Endeffekt bauen wir AGI, also Artificial General Intelligence. Dabei geht es darum, alle wichtigen Tätigkeiten, die man irgendwie an einem Computer durchführen kann, besser und schneller durchzuführen als ein Mensch. Wir begannen mit Software Engineering, das ist ein wahnsinnig riesiger Markt, weswegen es hier nicht schwer ist, VCs zu überzeugen. Software ist ein großartiger Pfad für den Übergang in der ganzen Gesellschaft in Richtung Automated Work. Es beginnt alles mit AI Assistance. Wir sehen das jetzt mit ChatGPT oder auch mit GitHub Copilot oder Jasper. Es handelt sich hier um eine schrittweise Soft Transition. Unsere Mission ist es, das zu bewerkstelligen und dafür zu sorgen, dass diese Veränderung für die Menschen positiv ist.

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Der GitHub Copilot hilft Developern beim Programmieren. Funktioniert euer Tool  in Zusammenarbeit mit  Menschen anders oder auch  besser?

ES: Ein wichtiger Unterschied ist der zwischen Micro und Macro Assistance. Wenn User:innen eine ganz klare Definition haben von dem, was sie möchten, ist das für einen Micro Assistant nur eine kleine Aufgabe mit etwa zehn Code-Zeilen. Hier lässt sich auch ganz leicht überprüfen, wie gut die Anwendung funktioniert. Der Macro Assistent auf der anderen Seite ist wie ein Kollege, er soll quasi Sebastian (De Ro, Anm.) ersetzen. Er macht für uns Arbeit wie ein richtig guter Developer, und wir wissen in der Praxis nicht, wie er es immer macht. Ein Macro Assistant ist viel schwieriger zu bauen, weil Fehler hier nicht akzeptabel sind. Aber diese Brücke wollen wir überqueren. Um jetzt die Erwartungen zu schmälern: Unsere ersten Releases werden eher in der ersten Kategorie sein, also muss der Mensch auch einwirken. Aber wir haben immer unser ultimatives Ziel im Auge.

Wann wird es die erste Version zu sehen geben? Ist das schon in der Pipeline oder dauert es noch ein bisschen?

ES: Wir fahren die “Surprise and Delight”-Strategie auf unseren Launch-Timelines. Also werden wir noch sehen.

Kann man euer Tool auch als Nicht-Programmierer:in verwenden und beispielsweise ein neues Twitter bauen lassen, nur in Grün?

ES: Die erste Version wird es nicht können, die zweite wahrscheinlich auch noch nicht ganz, aber es ist definitiv in unserer Roadmap.

Davon seid ja nicht nur ihr überzeugt, sondern auch eine ganze Riege an Investor:innen. An erster Stelle zu nennen ist CapitalG. Das ist der Investmentarm von Alphabet, also der Google-Mutter. Wie ist die Runde zustande gekommen? Was macht ihr mit dem Geld?

ES: Wir haben eine Seed-Runde  im Juli und August begonnen mit Nat Friedman, dem ehemaligen CEO von GitHub, der auch GitHub Copilot erfunden hat. Doch wir wussten, dass diese Runde für die Rechenleistung, die wir kaufen müssen, nicht ausreicht. Aber wir hatten hier als Unternehmen schon mal einen Runway.

Und das neue Geld wandert dann in die Rechenleistung?

ES: Das Geld ist von CapitalG, also dem Investment-Arm von Alphabet. Es sind keine Cloud-Credits, es ist Cash in unserem Bank-Account. Genau, und wir haben alle Optionen offen, mit welchem Cloud Provider wir am Ende arbeiten. Wir sind gerade in den Konversationen, um zu entscheiden, wer es wird.

Könnt ihr das Geld auch zu den Google Cloud-Konkurrenten Amazon Web Services oder Microsoft Azure hinübertragen?

ES. Ganz genau, könnten wir.

Sebastian, ihr entwickelt gerade eine Software, die dich ersetzen soll. Wie geht es dir damit?

Sebastian De Ro (DR): Genau. Ich habe den Kardinalfehler begangen, dass ich mich selbst redundant mache (lacht). Aber langfristig ist das absolut erstrebenswert. In der Geschichte der Menschheit hat man es noch nie geschafft, den Fortschritt aufzuhalten und es wird auch diesmal nicht geschehen. Es könnte mich überflüssig machen, und das war’s dann mit Essen am Tisch, so wie es alle anderen überflüssig machen könnte.

Stattdessen ist es wichtig, dass man sicherstellt, dass viele gute Menschen, die Gutes im Schilde führen und die ein gutes Herz haben, versuchen, das Richtige damit zu tun. Es könnte eine neue Art von Gesellschaft einleiten, wo dieser Teil meines Lebens nicht mehr so stark meinen Wert bestimmt, wie er es jetzt tut.

Das führt uns natürlich gleich zur Frage nach dem Bedingungslosen Grundeinkommen.

DR: Das ist eine der Möglichkeiten.

ES: Eine Gesellschaft, die 100 Mal so viel produziert und dabei nur ein Zehntel der Arbeit erfordert, kann wenig falsch machen. Wenn AI halbwegs fair verteilt wird, hat am Ende jede:r mehr. Ich spiele beispielsweise gerne Schach, habe aber keine Chance gegen einen Computer. Trotzdem macht es mir Spaß. Menschen sind dann nicht mehr abhängig davon, dass sie bezahlt werden, aber sie können ihren Job immer noch machen, wenn sie das gerne tun.

Es wird nicht eine automatisierte Version der heutigen Gesellschaft und Wirtschaft geben. Die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft werden sich daran anpassen müssen und so viel mehr Wohlstand für alle bieten. Was wirklich wichtig ist, ist, dass wir sicherstellen, dass dieser Wohlstand wirklich auf alle verteilt wird und nicht auf drei Menschen auf dem Planeten.

Das ist jetzt natürlich eine große Vision, also die Vormachtstellung der Tech-Oligopole zu brechen und das Tool in die Hände von möglichst vielen Menschen zu legen. Wie wollt ihr das machen?

DR: Wir schauen vor allem darauf, dass wir unsere Firma nach diesen Prinzipien aufstellen. Das beginnt schon beim Hiring Process. Uns ist ganz wichtig, dass alle, die wir ins Boot holen, unsere Werte teilen und denen die Menschheit am Herzen liegt. Wir haben viele Schritte beim Anheuern, die das sicherstellen. Uns ist wichtig, das es gute Menschen sind denen die Menschheit wichtig ist und ihre Umwelt.

Das klingt sehr ideologisch. Geht es euch weniger um das Tech-Können, sondern um die richtige Ideologie?

DR: Nein, nicht nur,  wir haben hier viele Filter, die Ideologie ist nur der erste davon.

ES: Wir sind sechs Leute, es dauert ein bisschen länger, um durch unsere Filter zu kommen.

Ihr habt vor Magic.dev am Projekt Climate Science gearbeitet, doch ihr kennt euch auch schon aus der Schulzeit. Jetzt wollen wir wissen, welche geniale Wiener Schule bringt ein 23-Milliarden-Dollar-Startup hervor?

ES: Die HTL Spengergasse. Das ist eine geniale Schule, sie hat einen riesigen Industrie-Zugang und auch viele Kontakte. Das hat uns massiv beschleunigt. Wir haben mal alle Schulcomputer über die Sommerferien in einen Raum gepackt und KI-Modelle trainiert. Und die Schule hat uns das nicht nur erlaubt, sondern auch für die Elektrizität bezahlt.

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Ist für euch jetzt der Punkt gekommen, an dem KI die Massen wirklich begeistern kann? Bei ChatGPT ist das trotz Fehlern ja scheinbar schon der Fall.

ES: Ich habe eine eigene To-Do-Liste für AGI und eine der größten Herausforderungen ist derzeit logisches Denken, also Schlussfolgerungen aus einem generellen Kontext zu ziehen. Ich hatte lange Zeit keine Ahnung, wie sich das lösen wird, nun wurde klar: Es brauchte viel Rechenleistung und viele Daten. Das hat mich kurzzeitig geärgert, weil es heißt, dass wir viel Geld brauchen, jedoch haben wir das nun.

Wegen der 23 Millionen Dollar: Das ist ja sehr viel Geld. Fließt das nun also in die Rechen-Power?

ES: Ja, im Grunde geht es um einen Raum voller Computer, die mit den teuersten Chips auf dem Markt ausgestattet sind.

Sind die großen Gewinner in diesem Spiel dann nicht die paar großen Cloud-Anbieter auf dem Markt wie Microsoft, Amazon oder Google?

SR: Natürlich, die machen gutes Geld damit.

Also wenn CapitalG in euch investiert, und ihr das Geld bei Google CLoud augibt, dann schließt sich der Kreis?

ES: Wir verraten nicht, bei welchem Cloud-Anbieter wir sind. Aber wir haben keine Verpflichtung, bei Google Cloud zu sein. CapitalG ist ein unabhängiger VC. Ich muss das immer betonen, weil es diese Deals gibt, wo unter der Bedingung investiert wird, dass man dann bei denen läuft. Wir haben es geschafft, das als VC-Runde aufzustellen. Wir kriegen jedenfalls massive Discounts bei den Volumen, die wir kaufen.

Ist ein europäisches oder österreichisches Startup am Ende den US-Cloud-Riesen nicht ausgeliefert?

ES: Ich würde das Wort „ausgeliefert” nicht verwenden. Die sind in High Competition und haben überhaupt keinen Grund dazu, jemandem ans Bein zu pinkeln.

Wie vorher schon gesagt, liefern sich Microsoft und Google gerade ein KI-Wettrüsten. Seid ihr auch von ChatGPT begeistert?

ES: Ja, das Tool ist definitiv sehr beeindruckend. Es ist gerade eine sehr spannende Zeit in der KI-Entwicklung. Ich glaube nicht, dass sich der Trend zu KI legen wird. Ich glaube, wir stehen wirklich erst am Anfang.

Ihr entwickelt nun also ein AI-Tool, das beim Programmieren hilft. Was ist danach der nächste Schritt?

ES: Die besten Startups sind die, die sich sehr isoliert auf eine Sache fokussieren, bis diese Sache wahnsinnig gut ist. Und das tun wir. Unser Assistant für Software Developer könnte sich irgendwann mit sehr wenig Modifikation auf ganz viele andere Domänen anwenden lassen. So könnte es möglich sein, eine Software zu erstellen, ohne zu programmieren, und wirklich darauf vertrauen zu können, dass es funktioniert. Es wird sein, als würdest du Sebastian als Consultant anheuern. Dieses Gefühl hat man heute mit KI noch nicht, und wir wollen das möglich machen.

Allerletzte Frage: Was wird KI niemals können?

ES: Ein besserer Mensch sein als ein Mensch.

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