Vorstoss

A1, Anexia, Kapsch: 13 Datencenter-Betreiber sollen die Ö-Cloud bilden

Arbeit an der Backbone Europe. © Anexia
Arbeit an der Backbone Europe. © Anexia

„Was machen wir, wenn uns Trump das Licht abdreht und uns keine digitalen Services mehr zur Verfügung stellt?“ Diese Frage stellte Wirtschafts- und Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) am Mittwoch vor ausgewählter Runde und meinte: “Die Corona-Krise ist ein Weckruf: Wir müssen in einigen Bereichen autarker werden”, Österreich und Europa sei viel zu abhängig von US-amerikanischen und immer mehr auch chinesischen IT-Anbietern. Bei Schlüsselindustrien wie Pharma, Halbleitern, Wasserstoff oder Batterien ist der Ruf nach europäischer Autarkie schon laut geworden, nun wird ein neues Thema aufgemacht: die Cloud. Oder genauer gesagt: die Ö-Cloud.

Im Regierungsprogramm steht bereits drinnen, dass ein nationales Netzwerk an Servern geschaffen werden soll, auf dem Nutzerinnen und Nutzer in Österreich ihre Daten benutzerfreundlich in der Cloud abspeichern können. Die Corona-Krise hat diese Idee nun zugespitzt. „Wir brauchen eine umfassende digitale Landesverteidigung Österreichs. Daher haben wir heute die Gespräche mit den größten österreichischen Rechenzentrenbetreibern gestartet, um zügig eine digitale Souveränität Österreichs sicherzustellen“, so Schramböck. “Die Ö-Cloud soll dezentral aufgebaut sein, ein Schulterschluss zwischen bestehenden österreichischen Anbietern.”

13 Unternehmen für die Ö-Cloud

Die geplante Ö-Cloud ist also kein neues, gigantisches Rechenzentrum, das erst gebaut werden muss, sondern soll sich dezentral und auf Basis von Open Source über die Datencenter bestehender österreichischer bzw. in Österreich tätiger Unternehmen spannen. Bis Herbst soll dazu unter dem Lead des BMDW eine gemeinsame Charta ausgearbeitet werden, und zwar in Zusammenarbeit mit folgenden 13 Anbietern:

  • A1
  • Anexia
  • ARZ
  • A-Trust
  • Atos
  • BRZ
  • Interxion
  • Kapsch
  • T-Systems
  • ACOmarket
  • eshelter
  • EWW AG
  • NTS

“Wir sind gerne dabei, an der Ö-Cloud mitzuarbeiten”, sagte Thomas Arnoldner, CEO der A1 Telekom Austria Group, im Rahmen des Termins. “Europa ist im Cloud-Bereich Jahrzehnte zurück. Digitale Resilienz ist von enormer Bedeutung, und es geht auch um die Frage der Wertschöpfung und der Arbeitsplätze.” Und er machte auch klar, wer diese Ö-Cloud in erster Linie nutzen und dafür bezahlen soll: die öffentliche Hand.

“Die öffentliche Hand als Auftraggeber hat eine wesentliche Rolle für Anschubfinanzierung”, so Arnoldner. Ähnlich sieht man das bei Kapsch. “Die öffentliche Hand muss, wenn sie europäische Anbieter haben möchte, entsprechend wie es Amerika und China machen, der Industrie eine Anschubfinanzierung geben”, sagte Franz Semmernegg, CFO der Kapsch Group. “So frei wie in Europa ist die Wirtschaft nirgends. Die anderen bevorzugen ihre eigenen Anbieter”, dementsprechend müsse man auch in Europa auf die eigenen Anbieter schauen. “Ich fürchte weniger, dass das Trump abdreht. Amerika darf man noch kritisieren, aber ich weiß nicht, ob man China kritisieren darf.”

“Die größte Chance, die man hat, ist, mit Aufträgen zu wachsen”, sagte Alexander Windbichler, Gründer und CEO von Anexia aus Kärnten. Sein Unternehmen hat etwa den Backbone Europe aufgebaut und verschiebt wie berichtet mittlerweile gigantische Datenmengen zwischen Klagenfurt und Amsterdam.

IBM und Microsoft sollen zur Allianz kommen

Klarer Fall: Die Unternehmen, die an der Ö-Cloud mitwirken, sind sicher nicht abgeneigt, bevorzugt Staatsaufträge zu erhalten. Aber wie viel „Österreich“ oder „Europa“ kann in einer solchen Ö-Cloud überhaupt stecken? Denn klar ist heute auch, dass Software und Hardware zum großen Teil von US-amerikanischen oder chinesischen Unternehmen kommen. Und so sollen in die Allianz der 13 genannten Rechenzentrumsbetreiber auch IBM, SAP oder Microsoft aufgenommen werden.

“Auch Microsoft und IBM haben signalisiert, Gespräche führen zu wollen”, so Ministerin Schramböck. Denn bei der Software dieser US-Riesen, die etwa in der Verwaltung im Einsatz ist und in der Ö-Cloud laufen soll, geht es um die Software-Keys und den Zugang zu ihnen. Sie müssen in Zukunft so gespeichert sein, dass keine andere Macht von außen die Funktionsweise der Software ändern, beschränken oder einstellen kann. 

Zum Thema Hardware sagt Schramböck: „Wir müssen die Produktion der Hardware nach Europa zurückholen.” Sie befände sich da in engem Austausch mit der EU-Kommission als auch mit dem deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Das sei natürlich ein „langfristiges Projekt und heeres Ziel“, aber bei Infineon hätte es im Halbleiterbereich ja auch schon geklappt. Man bräuchte eben entsprechende EU-Programme, um Produktion und nicht nur Forschung zu unterstützen.

Andocken an Gaia X

Stichwort Deutschland, Stichwort EU: In Österreich ist natürlich niemand so verwegen zu meinen, dass es eine Ö-Cloud mit jenen von Amazon, Microsoft, Alibaba oder Google aufnehmen könnte. Deswegen soll die Ö-Cloud an das „Gaia-X“-Projekt andocken, das eine vernetzte Dateninfrastruktur für ein europäisches Ökosystem zum Ziel hat und maßgeblich von der deutschen Bundesregierung getrieben wird. Doch Gaia X, wo die Deutsche Telekom, SAP und Microsoft Partner sind, wird von Beobachtern kritisch beäugt.

So hat die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) erst diese Woche verkündet, ein eigenes deutsches Cloud-Angebot bringen zu wollen – auch, weil man nicht auf Gaia-X warten wolle. „Diese Initiativen sind wichtig und richtig, aber sie dauern erfahrungsgemäß lange“, sagte Schwarz-IT-Vorstand Christian Müller gegenüber dem Handelsblatt.

EU muss Wettbewerbsrecht erneuern

Ohne die EU – und dabei vor allem EU-Kommissarin Margrethe Vestager, die für Wettbewerb und Digitales zuständig ist – wird die Ö-Cloud auch nicht gehen. Denn damit Bund, Länder und Gemeinden (und nicht nur die Bundesbeschaffungsbehörde) die Aufträge auch an die Ö-Cloud-Anbieter gezielt vergeben können, muss das Wettbewerbsrecht geändert werden.

“Es braucht ein neues Wettbewerbsrecht“, so Schramböck. Das jetzige entstamme der Nachkriegszeit, in der es um innereuropäischen Wettbewerb ging, passe aber nicht mehr in eine Gegenwart, in der die Konkurrenz international ist. Die Ministerin verweist auf die gescheiterte Bahn-Fusion von Siemens und Alstrom. Die EU-Kommission hatte wegen Wettbewerbsbedenken den Zusammenschluss der Zug-Sparten von Siemens und Alstom untersagt – doch ihnen droht nun, weiter hinter den weltgrößten Bahnkonzern CRRC zurück zu fallen. Bei der liegt Europa zwar noch viel weiter zurück als die europäischen Zugproduzenten hinter dem chinesischen Marktführer – aber zumindest die Aufholjagd will man sich erleichtern.

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