Interview

Oliver Holle von Speedinvest: „Haben bis dato acht Investments gemacht und vier Mio. Euro investiert“

Oliver Holle, CEO von Speedinvest. © Speedinvest
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Auch wenn die Lage des Büros im Wiener Palais Eschenbach nahe der Ringstraße anderes vermuten lassen würde – beim Risikokapitalgeber Speedinvest in Wien sieht es eher nach Startup-Bude aus als nach schwerreichen Investoren. Junge Mitarbeiter brüten alleine oder in Grüppchen über ihren MacBooks und Projekten, in einem der Meetingräume steht ein Tischfußballtisch, und gegrüßt wird am liebsten mit Fist Bump statt mit Handschlag. Ok, nicht immer. Von Speedinvest-Chef Oliver Holle bekommt der Journalist ganz normal die Hand zum Gruß gereicht, bevor es mit dem Interview losgeht. Denn Holle ist bei aller Jugendlichkeit seiner Firma auch einer der erfolgreichsten Internetunternehmer des Landes, ist der respektierte und besonnene Kopf des Wiener VCs und hat meist das letzte Wort, wenn es darum geht, welche Start-ups wie viel Investment bekommen. Im Interview spricht er unter anderem darüber, wie viel Geld von Speedinvest II, dem neuen Fonds in der Größenordnung von 58 Mio. Euro, bereits investiert wurde.

Du bis gerade aus dem Silicon Valley zurück. Wie war es drüben?

Oliver Holle: Das Silicon Valley ist ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer Investment-Hypothese. Wir haben unseren strategischen Partner New Enterprise Associates (u.a. bei Salesforce, Cloudflare, Anm., kurz NEA) getroffen, die Mittel in einer völlig anderen Dimension verwalten. Die kochen natürlich auch nur mit Wasser, aber man kann von ihnen lernen, groß zu denken. Und die müssen zwingenderweise groß denken, um die Größen ihrer Fonds rechtfertigen zu können. Davon können wir lernen, wenn es darum geht, den Blick für echte Venture-Cases zu schärfen. In solchen Größenordnungen fallen manche Investments durch den Raster, die wir schon gemacht haben.

Welche Dinge fallen durch den Raster?

Manchmal schlicht und ergreifend, wenn Märkte zu klein sind. Wir haben im ersten Fonds in Firmen investiert, die Aussicht darauf hatten, in wenigen Jahren auf ein paar Millionen Umsatz und eine Bewertung von 40, 50 Millionen Euro zu kommen. NEA aber braucht Investment-Cases, die allein für ihren Fonds 100 Millionen US-Dollar zurückspielen. Die müssen fest daran glauben, dass eine Firma in wenigen Jahren 500 Millionen wert sein kann. Und damit fallen ganz viele Firmen weg. Eine kleine SaaS-Nischen-Lösung kann man halt nicht auf diese Dimension aufbauen. Im Silicon Valley überlegen sie sich, wie sie wirklich große Firmen bauen können, und für Speedinvest – und Österreich generell – ist das eine sehr gesunde Perspektive.

NEA sitzt an der berühmten Sandhill Road, wo die großen VCs ihre Büros haben. Geht man da als kleiner österreichischer Investor voller Ehrfurcht die Straße entlang?

Die Leute dort sind sehr down to earth, und gerade die guten Investoren sind sehr bodenständig und lassen das nicht heraushängen. Ein großer Unterschied übrigens zu großen europäischen VCs und Executives, die das offenbar noch notwendig haben. Und ich persönlich bin schon lange nicht mehr von der Sandhill Road beeindruckt. Die machen ihren Job, aber ich finde unser Modell spannender als das ihre.

Weil ihr direkt an Start-ups mitarbeitet und nicht nur Geld verteilt?

Das, was die machen, ist klassisches Venture. Sie haben Unmengen an Kapital und Methoden entwickelt, wie sie in späteren Phasen effizient Geld platzieren. Wir hingegen haben Innovation ins Geschäft gebracht, weil wir intensiv am Start-up mitarbeiten und als Partner incentiviert werden. Das finde ich viel interessanter, ich hätte überhaupt kein Interesse bei NEA als Partner einzusteigen. Das ist so ähnlich wie eine Anstellung bei einer Versicherung: Man verteilt Geld in bereits validierte Cases.

Business Angel Hansi Hansmann hat kürzlich in einem Interview mit TrendingTopics.at gesagt, dass er nicht ins Silicon Valley muss, um innovativ zu sein. Das siehst du sicher anders.

Der Hansi muss nicht ins Silicon Valley, weil er ganz gezielt in der Region investiert und in sehr frühen Phasen einsteigt. Als Business Angel muss man sicher nicht ins Silicon Valley, schon alleine dann nicht, wenn man so viel Erfahrung wie Hansi hat. Aber dass Start-ups ins Silicon Valley müssen, das würde er sicher unterschreiben. Es hängt immer vom Start-up ab. Im Deep-Tech-Bereich, wo wir Firmen wie Bitmovin oder indoo.rs haben, müssen die Start-ups ganz früh hinüber. Im Bereich FinTech oder B2C ist es hingegen nicht notwendig, ganz früh in die USA zu gehen.

Im März 2015 habt ihr das erste Closing des Speedinvest-II-Fonds mit einem Volumen von 58 Millionen Euro angekündigt. Wie viel des Geldes ist bis dato wohin geflossen?

Wir haben bis dato acht Investments gemacht und etwa vier Millionen Euro investiert. Mit Ende 2015 werden wir sicher zweistellig bei den Projekten. Wir haben in Ungarn (enbrite.ly), in Estland (Investly), in London und in Österreich (in die Projekte iMobility der ÖBB und das Startup Studio, Anm.) investiert, und die nächsten Investments werden in Deutschland, Österreich und Bulgarien sein. Es gibt noch zwei weitere österreichische Start-ups, in die wir investiert haben, aber die können wir noch nicht announcen.

Einige Beobachter meinen, dass Speedinvest als Start-up-Investor in Österreich ein Quasi-Monopol hat. Was sagt ihr dazu?

Wir sind keine Monopolisten, je nach Phase haben wir Konkurrenz. In der Frühphase gibt es in Österreich eine sehr aktive Business-Angel-Szene, wo wir manchmal in Konkurrenz zu dieser, zumeist aber gemeinsam investieren. Alles, was in späteren Phasen passiert, passiert stark international. Zwei Drittel unserer Deals machen wir im Ausland, wo wir mit den Deutschen, Engländern und teilweise mit osteuropäischen Local Players konkurrieren. In den Medien werden wir oft als der einzige lokale Player dargestellt, aber das ist ein künstliches Konstrukt, das nichts mit der geschäftlichen Realität zu tun hat. Wir wollten nie der Dorfkaiser sein, wir wollen immer auf europäischer Ebene mitspielen.

Diese Apps nutzt Holle auf sienem iPhone 6.
Diese Apps nutzt Holle auf seinem iPhone 6.

Und ihr spürt Konkurrenten, die aus dem Ausland nach Österreich kommen.

Ja klar. Je reifer eine Start-up-Szene wird, desto internationaler wird es. Die guten Projekte werden von allen internationalen VCs angeschaut. Nur die ganz frühe Phase, die ist immer lokal. Da reden wir von ein paar hunderttausend Euro, und da gibt es genug, die so etwas machen. Dass es in Österreich keinen anderen privaten Start-up-Fonds gibt, finde ich auch nicht ideal. Ich fände es zum Beispiel gut, wenn es Venionaire gibt, weil wir dann einen weiteren lokalen Co-Investment-Partner hätten.

Wie zufrieden bist du mit der Start-up-Politik im Land?

Es wurde auf jeden Fall viel Aufmerksamkeit für das Thema geschaffen, im letzten Jahr mehr als zusammen in den Jahren davor. Faktisch getan hat sich, das wissen wir auch alle, sehr wenig getan. Aus meiner Sicht wäre am wichtigsten, wenn das Business-Angel-Gesetz, also ein Freibetrag für Investments, kommt. Das Statement, Gründerland Nummer eins werden zu wollen, ist sicher ein wichtiges Signal an die politische Landschaft, hat mit unserer täglichen Arbeit aber relativ wenig zu tun.

Man könnte ja auch sagen: Wir sind hier in einem der reichsten Länder der Welt, wer etwas schaffen will, hat sowieso eine sehr gute Ausgangslage. Erfolge wie Runtastic oder Shpock zeigen das.

Raunzen ist blöd, sich auf die Politik ausreden sowieso. Speedinvest hat das nie gemacht. Trotzdem kann man sich fragen, wo man politische Impulse gesetzt werden sollen. Will man große Bauprojekte machen, oder will man die Gründerlandschaft fördern? Da habe ich eine klare Meinung dazu: Für Österreich ist es besser, in Humankapital und eine Infrastruktur für Gründer zu investieren. Aber es wird kein einziger Gründer auf Gesetze warten, und wenn, dann ist er kein richtiger Gründer.

Trotz der Erfolge schweben auch die Wörter Hype und Blase über der jungen Branche.

Im Moment wartet ja jeder darauf, dass der Hype crasht. Man muss immer wieder drauf hinweisen, dass die absolute Mehrzahl der Start-ups, die wir sehen, ein solides Geschäftsmodell haben. Oft gelingt der große Wurf nicht und somit gehen die Investoren leer aus – aber hier wird so oder so viel Wert geschaffen. Und: die Digitalisierung wird stattfinden, mit oder ohne einer aktiven Gestaltung.

Wie nachhaltig sind Start-ups? Viele werden verkauft, schließen wieder, ändern das Geschäftsmodell.

Wir stehen ganz am Anfang von dieser Digitalisierungswelle. Die Digitalbranche wird immer jede andere Branche outperformen, weil die Digitalisierung jeden Sektor Schritt für Schritt umformen wird. Im Einzelfall ist viel Dynamik, im Positiven wie im Negativen, drinnen, insgesamt ist das aber mit Sicherheit stabil. Ich glaube aber schon, dass in den USA viele Deals sowohl in frühen als auch späten Phasen überbezahlt sind. Da wird es eine Korrektur geben, das war bei unserem Besuch im Silicon Valley ganz klar zu spüren.

Da sind wir dann schon beim Unicorn-Thema. Du gehst also davon aus, dass es in den nächsten Jahren nicht mehr so viele Einhörner geben wird?

Ich gehe davon aus, dass viele der Firmenbewertungen der Unicorns wieder deutlich runtergehen werden und viele einiges Geld verlieren werden. Auch die Seed-Bewertungen werden hinuntergehen. Bei Y Combinator sieht man das bereits, die Batches aus diesem Jahr haben bereits eine niedrigere durchschnittliche Bewertung bekommen als im Vorjahr. Auch in einigen europäischen Start-up-Hubs gibt es Überbewertungen.

Auch im kleinen Österreich?

Auch in Österreich gibt es Start-ups, wo man sich so das seinige denkt. Es gibt ja diese „Fear of Missing Out“ (Angst etwas zu Verpassen, kurz FOMO, Anm.), und die habe ich heuer in Österreich schon gesehen. Eine hohe Anfangsbewertung, die zustande kommt, wenn Investoren unbedingt hinein wollen, kann sich später rächen. Den Fehler haben auch wir selber gemacht. Dann steht man vor dem Problem, wie man Investoren zu einer noch höheren Bewertung hineinbekommt. Aber irgendwann einmal trifft das Stupid Money das Smart Money, und das beißt sich dann. Dieses Problem entsteht derzeit auch in Österreich.

Was ist der Grund für dieses Problem? Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage?

Ein Problem in Österreich ist, dass für Gründer die Höhe der Bewertung oft wichtiger ist, als wer investiert. Wenn man den Hansi Hansmann zur Hälfte der Bewertung hinein bekommt, ist das immer noch der bessere Deal als das doppelte Geld von jemanden, der einem nicht weiterhilft.

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