Consumerism

Onlineshopping als Umwelt-Horror: Wenn der Lieferdienst zweimal klingelt

Shopping, Paket, Amazon
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Kommentar.

Was für dich wie Weihnachtsmusik in den Ohren klingt, treibt Umweltschützern, Stadt- und Verkehrsplanern sowie Logistikern den Schweiß auf die Stirn: das Klingeln des Paketzustellers. Für dich ist der härteste Teil der Arbeit einem Klick bzw. Touch auf den Bestellbutton erledigt. Doch bei Händlern und Logistikern beginnt im Anschluss eine Maschinerie zu laufen, die zwar eine logistische Meisterleistung, andererseits eine enorme Belastung für unsere Umwelt ist. Und mit jedem Paket wird es schlimmer.

Beginnen wir am Ende der Geschichte, also vor deiner Haustüre: Wie erwähnt, es hat geklingelt. Im Bestfall eilst du freudestrahlend zur Tür und nimmst dem schwitzenden Zusteller das 10-Kilo-Paket ab. Im schlimmsten Fall bist du gerade in der Arbeit. Der Zusteller fährt weiter, kommt ein zweites Mal zu dir oder deponiert die Sendung in einem Shop. Im letzteren Fall stehen nicht nur die zwei Extrafahrten des Paketdienstes auf der Liste deines ökologischen Fußabdruckes, sondern auch dein Mobilitäts- und Zeitaufwand. All das verursacht höheres Verkehrsaufkommen, zusätzlichen Schadstoffausstoß und allen Beteiligten viel Stress. In der Logistiker-Fachsprache nennt man den letzten Abschnitt des Transports hin zur Tür des Kunden das Problem der „letzten Meile“. Und die ist ein echtes Dilemma.

Der Versandhandel legt den Stadtverkehr lahm

Ein Blick in die Zukunft. Ende 2019 werden rund 250 Millionen Pakete in Österreich zugestellt worden sein. Das sagt die Studie „KEP-Dienste in Österreich 2019“ des Dienstes Branchenradar.com. Bei unseren Nachbarn waren es 3,35 Milliarden Paketsendungen 2017. Glaubt man den Beratern von McKinsey, sollen es in bis 2025 ganze 5 Milliarden pro Jahr sein. Das Problem: Nahezu alle Pakete werden mit Autos ausgeliefert. In den Großstädten Deutschlands besteht der Verkehr bereits bis zu 30 Prozent aus Lieferfahrten. Personenfahrten von Uber und Co. noch gar nicht miteinbezogen.

Da braucht man kein Statistiker zu sein, um zu erkennen: Das muss sich irgendwie auf unser Zusammenleben auswirken – und nicht positiv. Denn mehr Verkehr, bedeutet mehr Staus, höhere weil länger anhaltende Schadstoffbelastungen und folglich ein Schaden an unserem Klima, an unserer Umwelt. Weshalb Logistikunternehmen auf der ganzen Welt bereits eifrig an Alternativen basteln, wie Drohnenzustellung, Zustellung per Öffis oder Zustellung durch Privatpersonen. Später mehr dazu.

Du willst die Wellt retten? Kauf weniger

Kann man also, in Anlehnung an den Fachbegriff sagen: Wir befinden uns auf der letzten Meile vor dem großen Umweltkollaps? Ja, kann man. Der Klimawandel ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen. Und wer ist schuld? Du – und ich und wir alle, die, neben vielen anderen schädlichen Dingen, das bequeme Onlineshopping auf gemütlichen Couch praktizieren. Schuld sind auch die Versandhändler, die uns mit attraktiven Angeboten willenlos machen. Nein, man kann es niemandem verübeln, sich den schweren Teppich ins Haus liefern zu lassen. Auch nicht, auf die wesentlich günstigeren Online-Angebote zurückzukommen.

Ich erhebe nicht den Zeigefinger und plädiere auf Verzicht. Denn nicht der Onlinekauf per se ist das Verbrechen an unserer Umwelt, sondern das hirnlose Shoppingverhalten, das wir an den Tag legen. Es sind Aussagen wie diese, die das Problem ausmachen: „Wenn es nicht gefällt, schicke ich es halt zurück.“ „Es war so billig, ich musste es einfach kaufen, obwohl ich es nicht brauche.“ Und so wird zusätzlich Verpackungsmaterial im Müll landen, das nicht recycelt werden kann. Es werden wenig später die billigen China-Produkte folgen, die von Haus aus nur für kurze Einsatzzeiten konzipiert sind. Danach wiederholt sich alles. Immer und immer wieder.

Dich überzeugt das alles nicht? Du meinst Onlineshopping sei nicht wesentlich schädlicher als normale Einkaufstouren? Es stimmt schon, dass auch normale Shops beliefert werden müssen, dass sie Energie benötigen und ebenso Verkehrsaufkommen verursachen. Doch der Unterschied ist jener: Wenn wir uns an einen realen Standort begeben, erledigen wir mehrere Einkäufe mit einem Mal. Waschmittel, Kleidung, Nahrung kommen alle in den Kofferraum oder in die Radtaschen und werden mit einem Mal nach Hause transportiert. In der Versandwelt ist das anders.

Kein Verzicht, nur Geduld!

Die letzte Meile ist deshalb ein echtes Problem, mit dem sich Transportunternehmen selbst intensiv beschäftigen. Amazon ist natürlich ganz vorne dabei. Für Lieferdienste sind Mehrfach-Fahrten durch nicht anzutreffende Empfänger teuer. Ganz zu schweigen von hohen Lohnkosten (wobei die Zusteller selbst oft nur Hungerlöhne erhalten), Zeitdruck und der Bedarf an Kundenservice. Unternehmen experimentieren mit alternativen Zustellformen wie direkten Zugang zur Wohnung durch digitale Hausschlüssel, Drohnenzustellungen auf Dächern oder Transport mit öffentlichen Verkerhsmitteln. Ganz andere Sorgen dagegen plagt die Städteplaner, Verwalter und Verkehrsforscher. Denn das Gefühl, dass Paketzusteller warnblinkend den Verkehr lahmlegen, ist nicht nur ein subjektives, wenn man gerade wieder wild hupend das Lenkrad umklammert. Über die Hälfte aller Halte- und Parkvorgänge finden auf dafür nicht vorgesehenen Flächen statt. Das war in der Juli Ausgabe des deutschen Wirtschaftsmagazins „brand eins“ zu lesen. Urheber der Aussage: Petra K. Schäfer, ihres Zeichens Professorin für Verkehrsplanung an der Frankfurt University of Applied Science.

Also, wie lösen wir das Problem? Während die Profis an neuen Liefermöglichkeiten tüfteln, plädiere ich für einen banalen, wenn auch hochwirksamen Lösungsweg. Wie wäre es, wenn wir uns in Zukunft zwei, oder gar drei Mal überlegen, ob wir das, was wir gerade in unseren Online-Warenkorb legen, auch wirklich brauchen? Und wenn, ob wir es gerade jetzt benötigen, oder ob es Zeit hat, bis wir eine größere Sammelbestellung aufgeben können? Oder ist es gar ein Produkt, das wir ohnehin beim Supermarkt ums Eck bekommen? Denn auch wenn es verlockend ist: Waschmittel über Amazon zu bestellen ist entbehrlich. Selbst als alleinerziehender Vater von drei Kindern mit zwei Hunden und einer Altbauwohnung im vierten Stock ohne Lift ist es durchaus machbar, die Produkte für den täglichen Bedarf ohne schwitzenden Lieferboten in die Wohnung zu bekommen. Es ist keine Rocket Science notwendig, um sein eigenes Kaufverhalten anzupassen. Es ist nicht einmal Verzicht gefragt – sondern nur eine Übung in Geduld, bis es umweltfreundlichere verpackungsärmere und schadstoffreduzierte Zustellalternativen geben wird. Und mehr Geduld täte uns in aktuellen Zeiten allen ganz gut.

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