Reform der Privatinsolvenz kann zu einer besseren „Kultur des Scheiterns“ beitragen
Mit breiter Mehrheit – nur das Team Stronach stimmte dagegen – haben die Abgeordneten gestern im Nationalrat eine Reform des Privatkonkurses beschlossen. Ziel des neuen Gesetzes ist, die Entschuldung von Privatpersonen und ehemaligen Unternehmern zu erleichtern, damit diese Schuldner nicht so leicht ins wirtschaftliche Abseits gedrängt werden. Bisher mussten Betroffene im Rahmen eines Abschöpfungsverfahrens innerhalb von sieben Jahren mindestens zehn Prozent der Schulden begleichen, um so von den Restschulden befreit zu werden. Die Gesetzesreform senkt den Zeitraum auf fünf Jahre, außerdem entfällt die Mindestquote von 10 Prozent.
Die SPÖ wollte den Zeitrahmen ursprünglich auf drei Jahre senken, im Kompromiss einigte man sich mit der ÖVP schließlich auf fünf Jahre – dafür wurde die Mindestquote abgeschafft. Laut ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker sei bei der Novelle auch an Startup-Gründer gedacht worden, die beim ersten Mal gescheitert sind. Diesen wolle man eine Chance auf einen leichteren Neustart geben.
Positives Signal an Startup-Szene
„Das neue Gesetz kommt Jungunternehmern sicherlich entgegen, weil es für eine Entstigmatisierung des Scheiterns sorgt. Wir befürworten eine einfache Entschuldung für ehemalige Unternehmer“, sagt Klaus Schaller vom Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870). Rund ein Drittel der Privatinsolvenzen in Österreich würde ehemalige Unternehmer betreffen, der Rest seien Konsumschuldner.
„Wir sehen es aber als problematisch an, dass im Gesetz kein Unterschied zwischen Unternehmern und Konsumschuldnern gemacht wird“, so Schaller weiter. In einer Aussendung des KSV1870 heißt es in Bezug auf die Abschaffung der Mindestquote: „Diese neue Regelung wird von manchen Konsumschuldnern als Einladung zum Missbrauch angesehen werden.“
„Mit der Streichung der Mindestquote beim Privatkonkurs setzt die Regierung nun auch ein wichtiges Signal an die Gründer und die heimische Start-up-Szene: Man darf scheitern“, kommentiert Robin Lumsden, Wirtschaftsanwalt in Wien und New York, das neue Gesetz in der Wiener Zeitung.
Meinungsverschiedenheiten im Vorfeld
Hans-Georg Kantner vom KSV1870 hegte vor einigen Monaten noch den Verdacht, dass es der Regierung nicht um eine zweite Chance für gescheiterte Unternehmer ginge (die Gesetzesnovelle firmierte unter dem Slogan „die Zweite Chance – Kultur des Scheiterns“), sondern lediglich um den Privatkonkurs. Zu dem Zeitpunkt war noch die Rede von einem dreijährigen Abschöpfungsverfahren. Im Zuge der Diskussion um die Gesetzesnovelle befürworteten sowohl Wirtschaftskammer als auch Gläubigerschützer, gescheiterten Gründern einen raschen Wiedereintritt ins Wirtschaftsleben zu ermöglichen.