Climate

Refurbed-Gründer: „Jeder ist für Klimaschutz, aber die wenigsten würden dafür 500 Euro im Jahr bezahlen“

Refurbed-Mitbegründer Peter Windischhofer © Trending Topics/Gamper
Refurbed-Mitbegründer Peter Windischhofer © Trending Topics/Gamper
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Gebrauchte Smartphones, die wie neu aussehen und funktionieren, dabei aber wesentlich weniger kosten. Das ist das Geschäft des Wiener Jungunternehmens Refurbed. Kilian Kaminski und Peter Windischhofer haben einem Online-Marktplatz für Smartphones und andere Geräte geschaffen, die professionell repariert, poliert und getestet wurden. Skeptische Kunden dürfen ihr um bis zu 40 Prozent gegenüber dem Neupreis günstigeres Gerät ein Monat lang zurückschicken und erhalten ihr Geld wieder. Außerdem gibt es eine Garantie von einem Jahr – wird in der Zeit zum Beispiel der Akku kaputt, wird die Komponente kostenlos ausgetauscht.

Was für viele Refurbed-Kunden fast genauso wichtig ist: Man tun auch etwas für die Umwelt. Im Vergleich zum neuen Produkt, spart man mit einem „refurbished“ Gerät bis zu 70 Prozent CO2 ein. Für Mitbegründer Windischhofer ist das nicht nur eine „Business Opportunity“, sondern auch persönlich ein großes Thema. Im Gespräch mit Tech & Natuer erklärt er, wie er seine persönliche CO2-Jahresbilanz berechnet und kompensiert, warum Refurbed bei jedem Kauf einen Baum pflanzt und was Folien am Display wirklich bringen.

Tech & Nature: Die Geräte wieder aufzubereiten ist durchaus aufwändig. Um wieviel kleiner ist der CO2-Fußabdruck tatsächlich?

Peter Windischhofer: Das war für uns eine wichtige Frage, als wir die Firma gestartet haben. Wir haben uns das mit einem Beratungsunternehmen genau angeschaut, wie groß der CO2-Fußabdruck eines Refurbished-Geräts wirklich ist. In den meisten Fällen werden nur ein bis zwei Komponenten ausgetauscht – meist Display oder Batterie. Das heißt, dass eigentlich das meiste wiederverwendet wird. Das Ergebnis der Untersuchung war, dass wir 70 Prozent CO2 im Vergleich zum Neuprodukt einsparen. Da wir noch den Baum pflanzen, haben wir eigentlich einen positiven CO2-Effekt.

Werden wirklich Bäume gepflanzt? Wie funktioniert das genau?

Wir haben Eden Reforestation Projects als Partner, eine der größten Baumpflanz-Organisationen der Welt. Die machen das für uns auf Madagaskar, Haiti und in Nepal. Wenn wir im Monat 20.000 Produkte verkaufen, pflanzen sie 20.000 Bäume für uns.

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Woher kommen die gebrauchten Geräte, die eure Partner aufarbeiten?

Es gibt sehr viele Quellen für die Produkte, meistens ist es aber so, dass große Unternehmen wie die ÖBB zB. 5.000 Firmenhandys austauschen. Die kommen in eine Box und unsere Partner kaufen diese Box und refurbishen die Geräte. Dann kommen noch Ausstellungsstücke dazu und manche Privatkunden verkaufen ihre Handys auch wieder zurück an Refurbisher.

Das heißt, es kann passieren, dass ich auf Refurbed mein eigenes Smartphone wiederkaufe?

Wenn du ein iPhone 7 an einen Händler zurückverkaufst, der refubished das und bietet es wieder auf Refurbed an, dann ja.

Was wird beim Generalüberholen alles gemacht?

Unsere Refurbisher verwenden einen 40-Schritt-Prozess. Nach Tests und Analysen werden die Mängel behoben, dann wird wieder getestet. Dann werden Daten gelöscht und die neueste Software installiert. Dann wird das Gerät hygienisch einwandfrei gereinigt. Am Ende des Prozesses hat man ein Gerät das funktioniert wie neu und aussieht wie neu.

Was halten die Hersteller davon?

(Lacht) Ich kann mir vorstellen, dass Firmen wie Apple keine große Freude haben, weil wir ihre Produkte zu einem wesentlich günstigeren Preis anbieten. Bei uns ist der durchschnittliche Preis 300 Euro und das neueste iPhone kostet über 1.000 Euro. Die Hersteller sind nicht begeistert, aber sie können auch sehr wenig gegen uns tun.

Was heißt wenig?

Sie können uns nicht verbieten, mit den Geräten zu arbeiten und mit den Geräten zu handeln. Theoretisch könnten sie alle gebrauchten Produkte auf der Welt ankaufen und lagern oder verschrotten. Aber selbst das ist unrealistisch.

Wie neu ist denn das neueste Gerät bei euch?

Bei uns kann man auch schon das iPhone 11 kaufen. Das ist vor drei Monaten erschienen. Das sind dann meistens Ausstellungsstücke. Es gibt auch die neuen Produkte, unsere Top-Seller sind aber meistens vor zwei Jahren auf den Markt gekommen. Das iPhone 8 kostet bei uns ca. 350 Euro. Das kaufen die meisten Leute, denn der Betrag ist überschaubar, es ist aber immer noch ein aktuelles Handy. Glücklicherweise werden die Produktzyklen gerade immer länger.

Was überwiegt bei den Kunden, der finanzielle Aspekt oder der Nachhaltigkeitsaspekt?

Es ist natürlich für jeden wichtig, dass es günstiger ist als neu. 30 – 40 Prozent unserer Kunden sagen aber mittlerweile, dass der vorrangige Grund für den Kauf die Nachhaltigkeit war. Die Kombination aus günstigem Preis und Nachhaltigkeit ist extrem selten. Alleine, wenn man an faire Kleidung denkt, oder Fair-Trade-Kaffee oder E-Autos – die meisten Dinge, die nachhaltig sind, sind teurer. Wir sind nachhaltiger und günstiger. Das ist wahrscheinlich auch der Grund für unseren Erfolg.

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Mittlerweile hat ja fast jeder ein gebrauchtes Smartphone daheim herumliegen. Wie kann man dem ein zweites Leben gönnen?

Es gibt eine Studie, die sagt, dass in Deutschland und Österreich bis zu acht Handys in jedem Haushalt liegen. Da sind natürlich auch ganz alte Handys wie Nokia dabei. Die kann man eigentlich nur noch zum Recycling geben – da gibt es viele Initiativen. Smartphones, die noch aktuell sind, kann man recht einfach an Refurbisher verkaufen – das ist auch ein Service, den wir ab nächstem Jahr bei uns auf der Plattform anbieten werden. Wenn man zum Beispiel ein iPhone 6 daheim hat, kann man das gegen einen Fixpreis von 50 oder 60 Euro einfach einsenden.

Gibt es diese Sollbruchstellen, die Hersteller angeblich absichtlich einbauen?

Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Experten konnten es bisher noch nicht wirklich belegen. Bei Smartphones sehen wir das eigentlich nicht, denn dann müssten die ja alle die gleichen Probleme haben.

Hast du Tipps, um die Lebensdauer eines Smartphones zu verlängern?

Die wichtigsten zwei Punkte sind eine Hülle und ein Schutzglas. Dann werden alle Probleme, die entstehen können, wenn das Handy herunterfällt, schon einmal massiv reduziert. In den wenigsten Fällen, wenn das Handy fällt, geht es gleich gar nicht mehr. Meistens bricht im Inneren etwas und es kann sein, dass nach einem Monat das Handy nicht mehr geht. Auch beim Akku kann man einiges tun. Es ist schlecht, wenn man den Akku über Nacht auflädt. Besser ist es, den Akku immer nur so lange anzustecken, wie es notwendig ist.

Helfen diese dünnen Folien auf den teueren Panzerglas-Displays wirklich gegen Brüche?

Die Folie an sich bringt nichts. Aber es gibt Materialien, die nicht wirklich eine Folie sind. Wir verkaufen zum Beispiel Panzergläser. Das ist wirklich Glas, also noch eine Schutzhülle mehr, die bei einem Sturz den ersten Schaden aufnimmt. Die Gläser brechen natürlich leichter als das iPhone-Glas, sind aber auch viel günstiger. Es gibt aber auch zum Beispiel Produkte aus Gummi, die auch viel von der ersten Wucht nehmen. Warum machen das die Hersteller nicht gleich? Weil es nicht gut ins Design passt.

Beim Thema Klimaschutz schieben Konzerne gerne die Schuld auf Konsumenten. Was können Konsumenten denn tatsächlich beitragen?

Ich finde es sehr wichtig, sich zu informieren. Klimaschutz ist so ein kompliziertes Thema, dass es extrem schwer ist, das Richtige zu tun. Das beste Beispiel dafür sind Plastiksackerl. Da glauben die Meisten, dass das ganz schlecht für die Umwelt ist. Dann greifen viele zu dem Papiersackerl daneben und glauben, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Wenn man sich die Fakten anschaut, ist ein Papiersackerl aber dreimal so schlecht für die Umwelt wie ein Plastiksackerl. Das hat also nicht wirklich einen Effekt, sondern beruhigt nur oberflächlich das eigene Gewissen.

Was ich jedes Jahr mache: Ich berechne meine eigene Klimabilanz. Wieviel bin ich mit dem Auto gefahren, wieviele Flüge habe ich genommen – dafür gibt es online ganz viele Rechner. Da sieht man dann recht schnell, wo persönlich der größte Hebel liegt. Ganz wichtig ist da zum Beispiel das Thema Wohnen: Wie heize ich? Auch wichtig: Wieviel fahre ich mit dem Auto? Bei mir persönlich ist es das Fliegen. Ich muss beruflich sehr viel fliegen – das macht zwei Drittel meines CO2-Ausstoßes aus. Bei vielen Menschen würde es mehr bringen, weniger mit dem Auto zu fahren als auf das Plastiksackerl zu verzichten. Oder auf Wochenendflüge zu verzichten. Aber der erste Schritt muss immer sein, sich zu informieren, bevor man Zeit und Energie in Projekte steckt, die nicht wirklich etwas bringen.

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Hast du ein schlechtes Gewissen, wenn du ins Flugzeug steigst?

(Lacht) Ich habe tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Ich mache aber jedes Jahr diese Bilanz und kompensiere meinen CO2-Abdruck über Kompensationsprogramme. Letztes Jahr habe ich 400 Euro für Projekte gespendet, die weltweit CO2 reduzieren. Dadurch habe ich meinen persönlichen CO2-Abdruck kompensiert. Das macht mein Gewissen besser.

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Kann man sich ein gutes Klimagewissen erkaufen?

Ich glaube schon, dass es so ist. Man kann sehr viel tun, wenn man Geld in die richtigen Hände legt. Es ist ganz wichtig, die richtige Organisation auszuwählen. Dann kann man mit Geld sehr viele Probleme lösen. Wenn man zum Beispiel viel Geld in die Pflanzung von Bäumen investiert, kann man mittelfristig sehr viel CO2 binden. Klimaschutz ist eigentlich keine Frage, ob wir das technologisch können oder nicht, es ist nur die Frage, ob wir das Geld dafür ausgeben wollen oder nicht. Länder wie Österreich haben eigentlich genug Geld, das zu tun. Aber es ist eine Entscheidung, die wir offenbar bewusst nicht treffen. Jeder ist für Klimaschutz, aber die wenigsten würden dafür 500 Euro im Jahr bezahlen, um den persönlichen Impact zu kompensieren.

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