Silicon Valley vs. Europa. Der große Showdown.
Manche Menschen in Fernost sehen den Alten Kontinent als nicht viel mehr als ein großes Freiluftmuseum, in dem man das Kolosseum und den Eiffelturm besichtigen kann. Die Größe der einstigen (verhassten) Kolonialmächte ist geschwunden, Europa scheint zwischen China und den USA zunehmend aufgerieben zu werden – egal, ob es um Online-Dienste, AI oder selbstfahrende Autos geht. 15 der 20 größten Tech-Firmen kommen heute aus den USA, aus Europa kein einziges. Während der Alte Kontinent mit der Digitalisierung kämpft, hat China Alibaba, Tencent oder Baidu im eigenen Riesenreich heranwachsen lassen.
Doch auch wenn Europa neben den USA und China alt aussieht – gerne vergisst man, dass die EU immer noch der größte Wirtschaftsblock der Welt ist. Und deswegen seine Macht nicht zu unterschätzen ist. Diese Macht bekommen die US-Riesen zunehmend zu spüren, weil sich Brüssel immer entschlossener zeigt, die Silicon-Valley-Unternehmen abzustrafen.
Schön langsam wird es teuer. Der Internet-Konzern wurde bereits zum dritten Mal mit einer Milliardenstrafe belegt.
- 2019: 1,49 Milliarden Strafe wegen dem Missbrauch seiner marktbeherrschenden Position bei „Adsense for Search“
- 2018: 4,34 Milliarden Euro Strafe für Google wegen illegalen Praktiken bei Android
- 2017: 2,42 Milliarden Euro Strafe wegen der Bevorzugung von Google Shopping in den Suchergebnissen
Der Effekt dieser EU-Strafen ist nicht nur, dass Google Milliarden löhnen muss, sondern auch, dass es seine Produkte in Europa umgestaltet. Bei Android sollen etwa künftig auch Alternativen zum Chrome-Browser vorinstalliert werden, um Konsumenten die Wahl zu geben.
Zusätzlich wird nächsten Dienstag im EU-Parlament final über die Urheberrechtsreform abgestimmt. Wenn sie durchgeht, könnte die „Link-Steuer“ (a.k.a. Leistungsschutzrecht a.k.a. Artikel 11) kommen, die vorsieht, dass Google Medien für deren Inhalte bezahlen muss, wenn sie in den Suchergebnissen auftaucht. Google lobbyiert seit Monaten gegen die Copyright-Reform und warnte bereits davor, Google News und YouTube nicht mehr in der bekannten Form in Europa anbieten zu können.
Apple
Spotify, einer der Vorzeige-Internetdienste aus Europa (genauer gesagt Schweden), wirft Apple vor, seine marktbeherrschende Stellung auszunutzen und von Spotify und anderen eine „Apple-Steuer“ zu verlangen – nämlich jene 30 Prozent, die Spotify von den Aboeinnahmen seiner Nutzer bezahlen musste, als es noch das Bezahlsystem von Apple nutzte. Apple Music, der direkte Konkurrent von Spotify, werde so bevorzugt, weil Spotify seine Services teuer anbieten müsste. Die EU-Wettbewerbshüter haben schon angekündigt, sich das genau ansehen zu wollen.
Apple konterte sogleich. Spotify würde den App Store als Plattform nur ausnutzen wollen, ohne etwas dazu beizutragen. Währenddessen würde Spotify von der Arbeit anderer – nämlich der der Musiker – Geld machen. Wie der Fall ausgeht, bleibt abzuwarten.
Amazon
Sowohl in Deutschland als auch in Österreich wird wegen unfairen Geschäftspraktiken gegen Amazon ermittelt. Behörden wollen nun feststellen, ob Amazon wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen anwendet, damit kleinen Händlern schadet und dadurch gegen das österreichische Kartellgesetz und europäisches Kartellrecht verstößt. Auch in Brüssel wird ermittelt, ob es bei Amazon und seinem Marktplatz unzulässige Geschäftspraktiken gibt.
Eine 10-Millionen-Euro-Strafe in Italien, eine 110-Millionen-Euro-Strafe in Brüssel, eine 565.000-Euro-Strafe in Großbritannien – auch facebook musste wegen unerlaubter Datenpraktiken in Europa schon mal löhnen. Weitere Strafen könnten folgen.
Uber
London, Paris, Berlin, Wien – die Liste der Städte, in denen Uber sich mit Anzeigen, Verboten oder Restriktionen befassen muss, ist lange. Während die Silicon-Valley-Firma einen IPO in der Größenordnung von 100 Milliarden Dollar plant, droht dem Unternehmen, das Geschäft in großen EU-Metropolen wegzubrechen. Währenddessen erlaubt die EU-Kommission die Fusion der Carsharing- und Ridehailing-Dienste von Car2Go (Daimler) und DriveNow (BMW) und lässt einen neuen künftigen Riesen in dem Geschäft mit der Mobilität der Zukunft heranwachsen.
Ein schmaler Grat für Europa
The Economist argumentiert in seiner aktuellen Ausgabe, dass Silicon Valley Europa fürchten sollte. Denn der Fokus auf Datenschutz und fairen Wettbewerb könnte auch in anderen Weltregionen Schule machen. Kalifornien etwa hat sich die DSGVO für ein neues Datenschutzgesetz zum Vorbild genommen, und Facebook könnte eine satte Milliardenstrafe wegen dem Cambridge-Analytica-Skandal ins Haus stehen. Auch die US-Politik greift mittlerweile Ideen auf, die europäischen Touch haben. Die US-Senatorin und mögliche künftige Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren etwa hat die Möglichkeit in dem Raum gestellt, Tech-Konzerne wie Amazon, Google und Facebook zerschlagen zu wollen.
Auf der anderen Seite läuft Europa Gefahr, sich mit restriktiven Gesetzen bei neuen Technologien wie AI ins Abseits zu manövrieren. Der Datenschutz ist für Konsumenten gut. Für Unternehmen, die mit Big Data (u.a. wichtig für autonomes Fahren) arbeiten, ist es viel schwerer als etwa in China, wo Datenschutz wenig zählt. Nächste Woche steht die finale Abstimmung zur Copyright-Reform der EU an. Sie gilt als richtungsweisend, wie in Europa künftig mit Online-Content Geld verdient werden kann. Und die EU läuft Gefahr, in der Welt nicht nur für Datenschutz bekannt zu werden, sondern auch für Upload-Filter, die manche als Zensur-Maschine bezeichnen.