Interview

Sorare-CEO Nicolas Julia: „Griezmann spielt unser Spiel“

Nicolas Julia, CEO & Co-Founder von Sorare. © Sorare
Nicolas Julia, CEO & Co-Founder von Sorare. © Sorare

Was früher die Panini-Sticker für das Sammelalbum waren, könnten künftig NFTs für das digitale Pendant werden. Die Token werden gesammelt und getauscht, sind mal begehrter und mal Massenware. Ganz vorne in diesem Bereich dabei: Das französische Blockchain-Startup Sorare, erst 2018 von Nicolas Julia und Adrian Montfort gegründet.

„Mittlerweile haben wir mehr als 200 Clubs lizenziert und auf der Plattform integriert. Die Clubs profitieren einerseits massiv von der spannenden Marketingperspektive und andererseits finanziell“, erklärt Ersterer. Im Gespräch mit Trending Topics erläutert Julia außerdem, was Fans und Klubs davon haben, welche Spieler:innen er sich noch als NFT wünscht und welche Sportarten noch erschlossen werden sollen.

Große Finanzierungsrunden für Sorare

Vorab noch kurz zum Geschäftsmodell von Sorare. Nutzer:innen können sich auf der Plattform digitale Sammelkarten kaufen und damit handeln, ihre Einzigartigkeit wird per Non-Fungible Tokens auf der Ethereum-Blockchain garantiert. Für Investoren dürfte das Modell passend sein: Anfang des Jahres sammelte das Unternehmen 50 Millionen Dollar in der Series A ein, zuletzt folgten weitere 680 Millionen US-Dollar von Großinvestor Softbank und weitere Investoren.

Trending Topics: Sie haben mehr als 180 Clubs lizenziert. Warum machen die Clubs mit, was haben die davon?

Nicolas Julia: Mittlerweile haben wir mehr als 200 Clubs lizenziert und auf der Plattform integriert. Die Clubs profitieren einerseits massiv von der spannenden Marketingperspektive und andererseits finanziell. Denn Sorare kombiniert drei wachstumsstarke Märkte: den Markt für Non-Fungible-Tokens (NFTs), der in diesem Jahr bereits 2,5 Millionen US-Dollar generiert hat, den Markt für Sportsammlerstücke im Wert von 5 Milliarden US-Dollar und den Markt für Fantasy Sports, der bis 2027 ein Volumen von 48 Milliarden US-Dollar erreichen soll. Wir verschaffen den Clubs Zugang zu diesem einzigartigen Markt und schaffen damit eine neue Einnahmequelle. Dabei erhalten die Clubs eine garantierte Zahlung für die Lizenzen sowie einen Teil der tatsächlichen Umsätze.

Außerdem können die Clubs über Sorare völlig neue Zielgruppen erschließen. Wir haben bereits 600.000 Nutzer, darunter sowohl Sport- als auch Krypto-Enthusiasten aus der ganzen Welt. Da wir Fans weltweit eine neue Möglichkeit bieten, ihre Fußballleidenschaft zu zelebrieren, profitieren die Clubs von dem internationalen Ausbau der Marke.

Woher kommen die Nutzerinnen und Nutzer, welche Altersgruppe spricht Sorare an?

Unsere Nutzer sind leidenschaftliche Fußballfans, die nach neuen Möglichkeiten suchen, ihre Begeisterung für den Sport auszuleben, sowie Krypto-Enthusiasten aus der ganzen Welt. Wir wollen die Plattform aber in den Mainstream bringen und für alle zugänglich machen. Es gibt also keine Beschränkungen, alle Volljährigen sind willkommen. Die meisten unserer Nutzer kommen aus den USA und Asien, in Deutschland haben wir derzeit 40.000 registrierte Nutzer. Wir freuen uns über die steigende Beliebtheit unserer Plattform, mit einem durchschnittlichen monatlichen Nutzerzuwachs in Deutschland von 26 Prozent, und glauben, die Partnerschaft mit der Bundesliga trägt ihren Teil zu weiterem Wachstum bei. Denn endlich können deutsche Fußballfans mit ihren Lieblingsspielern aus der Bundesliga und 2. Bundesliga handeln, sie sammeln und damit spielen.

Muss man Blockchain verstehen, um Sorare nutzen zu können?

Absolut nicht, nein. Natürlich sind wir happy, eine begeisterte Blockchain-Community auf unserer Plattform etabliert zu haben, aber das eigentliche Ziel ist ein anderes: allen Fans die Möglichkeit bieten, sich auf revolutionäre Art und Weise mit dem Fußball zu verbinden. Deshalb durchschreitet jeder Spieler zu Beginn ein kurzes und einfaches Tutorial, welches das Sorare-Spiel ausführlich erklärt. Dadurch wollen wir die Einstiegsbarriere so niedrig wie möglich halten.

Nutzer können die digitalen Fußball-Karten kaufen und verkaufen. Wie verdient Sorare daran?

Sorare erwirbt im Voraus die Lizenzgebühren der Clubs und Spieler, um ihre NFT-Sammelobjekte auf die Plattform zu bringen. Durch die NFTs können wir sicherstellen, dass es sich bei jedem Sammelobjekt um ein Original handelt und seine Seltenheit gewährleisten, wodurch ein Wert für jedes Objekt geschaffen wird. Jede Saison geben wir 1.000 limitierte, 100 seltene, 10 super-seltene und eine einzigartige Karte heraus. Die Nutzer können für diese Karten bieten, sobald sie auf dem Marktplatz veröffentlicht werden. Von diesen Verkäufen erhalten wir sowie die Clubs jeweils einen Anteil. Im Moment verdient Sorare kein Geld an den Weiterverkäufen von und zwischen Spielern nach der initialen Veröffentlichung. In Zukunft könnten wir aber eine kleine Kommission pro Weiterverkauf einbehalten.

Gerard Piqué, Antoine Griezmann, Rio Ferdinand und César Azpilicueta haben an der Finanzierungsrunde teilgenommen. Sind das Cash-Investoren, oder machen diese Stars im Rahmen von Work 4 Equity mit?

Sie sind Cash-Investoren, die ihr eigenes Geld investiert haben, weil sie an das Spiel, an unsere Vision glauben. Darüber hinaus bringt jeder von ihnen sein besonderes Fachwissen ein. Gerard Piqué hat uns geholfen, indem er mit seiner Firma Kosmos unser Legenden-Programm aufgebaut hat. Antoine Griezmann spielt das Spiel und gibt uns jede Woche Feedback. Auch gemeinsam mit Rio Ferdinand wollen wir perspektivisch weitere Inhalte entwickeln.

Warum habt ihr euch dagegen entschieden, eigene, an Exchanges handelbare Token herauszubringen, so wie etwa Chiliz?

Wir bieten Tokens in der Form unserer Sorare-Sammelobjekte an. Derzeit sehen wir keinen Nutzen für Tokens, die an anderen Plattformen handelbar sind.

Dapper Labs aus Kanada scheint derzeit das zweite große Startup im NFT-Sport-Bereich. Rivale oder möglicher künftiger Partner?

Es gibt viele Unternehmen, die irgendeine Art von Sport-NFTs anbieten. Aber unser Produkt – die Kombination von Sportsammlerstücken mit einem Fantasy-Spiel – ist einzigartig. Unser Modell beruht auf dem Sammelerlebnis in Kombination mit einem großartigen Fantasy-Sportspiel, so wollen wir langfristigen Nutzen gewährleisten. Daher denken wir nicht wirklich an die Konkurrenz oder daran, was andere Unternehmen tun. Wir konzentrieren uns ausschließlich darauf, das bestmögliche Erlebnis für Sammler und Fantasy-Sport-Fans zu schaffen.

Die NFTs von Sorare laufen auf Ethereum. Warum habt ihr euch für Ethereum entschieden? Dapper Labs etwa hat seine eigene Flow-Blockchain, und daneben gibt es aufstrebende Alternativen wie Cardano, Solana, Avalanche oder Algorand.

Im vergangenen Jahr sind viele Projekte an uns herangetreten. Deren Blockchains sind im Allgemeinen besser skalierbar als Ethereum heute. Diese Steigerung des Durchsatzes, also der Transaktionen pro Sekunde, geht jedoch auf Kosten der Sicherheit und Dezentralisierung. Man kennt diesen Kompromiss auch unter dem Begriff Skalierbarkeits-Trilemma. Wir haben uns dagegen entschieden, die Sicherheit und den Nutzen der Sorare-Sammelobjekte für unsere Community zu gefährden.

Ethereum bietet die Interoperabilität und die Netzwerkeffekte, die kein anderes Blockchain-Projekt bieten kann. Es ist die „neutralste“ Infrastruktur, die von keiner gewinnorientierten Organisation kontrolliert wird. Ethereum ist deshalb der natürliche Weg, um unsere Vision einer offenen Plattform zu skalieren, auf der jeder sein eigenes Spiel besitzen und neue Spiele und Anwendungen von Drittanbietern auf der Grundlage unserer Objekte und der offenen API entwickeln kann.

Sorare stammt aus einem Vorort von Paris. Ist das der Beleg dafür, dass man heute, gerade im dezentralen Blockchain-Business, nicht mehr in Zentren wie Silicon Valley, London oder Berlin sitzen muss?

Das sehe ich absolut so. Gerade, weil im heutigen Online-Universum jeder über das Internet in Verbindung steht. Länder wie Vietnam, die Philippinen und Argentinien sind einige der führenden Länder in der Krypto-Welt. Das zeigt, dass man nicht in den größten Metropolen der USA oder Europas leben muss, um sich als Teil der Community zu engagieren. Diese Dezentralisierung ist großartig für die Demokratisierung der Tech-Welt, da sie immer mehr klugen Köpfen aus allen Ecken der Welt die Chance gibt, aktiv dabei zu sein und Innovationen zu schaffen.

In den letzten Jahren ist durch den Support des französischen Staates ein sehr lebendiges Ökosystem in Paris entstanden. Wie hat Sorare davon profitiert?

Paris ist eine pulsierende Stadt mit vielen talentierten Menschen und vielversprechenden Unternehmen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass unser Tech-Ökosystem in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Die französische Regierung hat das immense Potenzial und die zukünftige Rolle der Startup-Wirtschaft erkannt und entsprechend in die Infrastruktur investiert, um Talente und Investoren anzuziehen. Aber all das wäre ohne Frankreichs großartige Unternehmer nicht möglich gewesen. Sorare hat von dieser Symbiose vor allem durch das großartige Netzwerk und die vielen Möglichkeiten zum Ideenaustausch profitiert.

Welche Rolle werden NFTs im Bereich Sport – im Speziellen Fußball – noch spielen? Stehen die Sammelkarten vor einem digitalen Comeback?

Das Besondere an NFTs ist, dass sie alles sein können, was die Leute daraus machen. Von Kunstgegenständen bis hin zu Fußball-Sammelobjekten – NFTs sind wirklich keine Grenzen gesetzt. Sorare zum Beispiel verbindet NFTs mit Fantasy Football und macht es für die Nutzer interaktiver. Für NFTs speziell in der Kategorie Sport gibt es viele Möglichkeiten, vor allem basierend auf der Fankultur. Ein konkretes Beispiel könnte die Verbindung von NFTs mit physischen Gütern sein. Außerdem planen wir gemeinsam mit der Bundesliga, im Jahr 2022 in die Kategorie der NFT-basierten Videomomente einzusteigen, die nicht nur gesammelt werden können, sondern auch in Turnieren innerhalb des Fantasiespiels verwendet werden können.

Welche Fußballspieler:innen sind noch nicht vertreten, hätten Sie aber gerne dabei?

Wir wollen so viele Spieler wie möglich auf Sorare begrüßen. Unser ehrgeiziges Ziel ist es, bis Ende 2022 Verträge mit den 20 größten Ligen und den 50 größten Verbänden abzuschließen, nicht nur im Männer-, sondern auch im Frauenfußball. Ich persönlich bin sehr froh, dass wir die Bundesliga an Bord holen konnten und damit einige der interessantesten Spieler der Welt auf die Plattform bringen, wie zum Beispiel Erling Haaland von Borussia Dortmund.

Ist auch angedacht, in andere Sportarten zu gehen? Wenn ja, wo sehen Sie Potenzial?

Ja, definitiv! Im Sport gibt es so viele Bereiche, die abgedeckt werden können. Großes Potenzial sehen wir aktuell insbesondere im US-Sport, beispielsweise in der NFL oder der NBA. Wir planen, in diese Sportarten zu investieren. Der logische nächste Schritt ist eine US-Niederlassung, an deren Realisierung wir derzeit arbeiten.

Anmerkung: Das Interview wurde geführt, bevor britische Behörden Sorare des Glücksspiels verdächtigte (wir berichteten). „Die Glücksspielkommission führt derzeit Ermittlungen gegen das Unternehmen durch, um festzustellen, ob Sorare eine Betriebslizenz benötigt oder ob die angebotenen Dienste kein Glücksspiel darstellen“, hieß es vor wenigen Tagen.

Wir haben entsprechende Fragen nachgereicht, aufgrund laufender Ermittlungen haben wir aber lediglich folgendes Statement von CEO Nicolas Julia erhalten: „Auf Sorare können Fans ihre Leidenschaft für Fußball auf einzigartige Weise zelebrieren. Denn auf unserer Plattform sammeln unsere Nutzer seltene und limitierte NFT-Karten, lassen diese in einem globalen Fantasy-Fußballspiel gegeneinander antreten und finden so einen gänzlich neuen Weg, um sich mit ihren Lieblingsspielern und -Vereinen zu verbinden. Ist ein Unternehmen mit einem innovativen und neuartigen Produkt erfolgreich, dann sind regulatorische Fragen normal und zu erwarten. Wir sind überzeugt, dass Sorare keine Formen des regulierten Glücksspiels anbietet. Dies wurde in jeder Phase seit der Gründung des Unternehmens, auch während mehrerer Finanzierungsrunden, durch Rechtsgutachten bestätigt. Wir werden immer einen offenen Dialog mit Behörden führen, die sich an uns wenden, um mehr über unser Spiel zu erfahren. Wir glauben, dass dies der einzig verantwortungsvolle Weg ist, um unser Spiel und unsere Community weltweit auszubauen.“

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