Blockade der Straße von Hormus hätte überraschende Effekte auf Europa, China und die USA

Im stetigen Hin und Her zwischen Israel und dem Iran bleibt eine Frage nach wie vor offen: Eine mögliche Blockade der Straße von Hormus durch den Iran. Sie gilt als eine der wichtigsten Engstellen im globalen Energiehandel.
Täglich passieren etwa 20 Prozent des weltweiten Flüssiggases und 30 Prozent des Rohöls – entsprechend 20 Millionen Barrel – diese strategisch bedeutsame Meerenge zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman. Angesichts der aktuellen Spannungen im Nahen Osten haben Irans wiederholte Drohungen einer Blockade große Aufmerksamkeit erhalten.
Geringe direkte Auswirkungen auf Europa
Forscher des Complexity Science Hub (CSH) in Wien haben mittels umfangreicher Schiffsdaten der vergangenen sechs Jahre die tatsächlichen Auswirkungen einer Blockade auf Europa analysiert. Die Ergebnisse zeigen ein überraschendes Bild: Obwohl die Straße von Hormus global von enormer Bedeutung ist, wäre Europa direkt weniger betroffen als oft angenommen.
„Unseren Schätzungen zufolge sind nur etwa 10 Prozent des gesamten Öl- und Gastankerverkehrs durch die Straße von Hormus für die Europäische Union bestimmt“, erklärt Peter Klimek vom CSH. Diese 10 Prozent entsprechen lediglich 4 Prozent des gesamten für die EU bestimmten Tankerhandels. Die direkte Abhängigkeit Europas von dieser Route sei daher relativ gering.
Auch bestehen alternative Transportwege wie die East-West-Rohölpipeline und die Abqaiq-Yanbu-Pipeline, die bereits nahezu ausgelastet sind und sich als anfällig für Angriffe erwiesen haben. Problematischer wäre laut CSH eine Blockade für andere Rohstoffe: Da sich aufgrund des Energiereichtums der Region einige der größten Aluminiumschmelzen der Welt dort befinden, kontrollieren allein die Vereinigten Arabischen Emirate etwa 20 Prozent der weltweiten Aluminiumexporte.
China: Diversifizierung als Schutzschild
Für China, den weltweit größten Ölimporteur, stellt eine mögliche Blockade der Straße von Hormus eine ernsthafte Herausforderung dar, auch wenn das Land in den vergangenen Jahren Vorsorgemaßnahmen getroffen hat. Öl macht etwa 20 Prozent von Chinas Energiemix aus.
„China hat aktiv seine Energiequellen diversifiziert und inländische Reserven gestärkt, was unmittelbare Schocks abfedern könnte“, erklärt Priyanka Sachdeva von der Brokerage Phillip Nova, gegenüber Business Insider. Während Iran im ersten Quartal 2023 noch Chinas drittgrößter Rohöllieferant war, hat sich das Land seit 2024 verstärkt anderen Anbietern zugewandt. Russland, Saudi-Arabien und andere Länder machen inzwischen 20, 14 und 13 Prozent der chinesischen Importe aus.
Diese Diversifizierung ist nicht nur geopolitisch motiviert: Chinesische Unternehmen betrachten den Iran zunehmend als „preislich wettbewerbsfähigen, aber risikoreichen“ Lieferanten, da es in der Vergangenheit zu Vertragsbrüchen und jahrelang an chinesischen Häfen blockierten Öllieferungen aufgrund von Sanktionen kam.
Zusätzlich dämpft Chinas schwächelnde Wirtschaft und die Verlagerung hin zu erneuerbaren Energien die Dringlichkeit kurzfristiger Versorgungsengpässe. 2023 machte hauptsächlich inländisch gefördertes Kohle 61 Prozent von Chinas Energiemix aus, während Öl und Erdgas 18 beziehungsweise 8 Prozent ausmachten.
USA als möglicher Profiteur der Krise
Paradoxerweise könnten die USA von einer Blockade der Straße von Hormus profitieren. Aufgrund ihres hohen Selbstversorgungsanteils im Energiebereich wären sie von den direkten Auswirkungen einer Blockade weniger betroffen als andere Volkswirtschaften. Gleichzeitig würden die USA als bedeutender Öl- und Gasproduzent von steigenden Weltmarktpreisen profitieren, die eine Blockade unweigerlich zur Folge hätte.
Ein globaler Ölpreisschock würde die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Energieexporte stärken und könnte bestehende Handelsbeziehungen zu Gunsten der USA verschieben. Länder wie China könnten gezwungen sein, verstärkt auf amerikanisches Öl zurückzugreifen, sollten traditionelle Lieferrouten blockiert werden.
Ölpreis zuerst nach oben, dann wieder nach unten
Die aktuellen Finanzmärkte scheinen Irans Drohungen nicht als unmittelbar glaubwürdig einzuschätzen. Die Rohöl-Futures an der Chicago Mercantile Exchange sind zuerst nur moderat gestiegen. Als dann die Meldung über einen Waffenstillstand zwischen Israel und dem Iran in der Nacht auf Dienstag kam, ist der Preis für ein Fass der Nordseesorte Brent von 77 auf rund 69 US-Dollar abgesunken (ca. -10%).
Analysten argumentieren auch, dass eine Blockade nicht in Teherans eigenem Interesse läge. „Teheran weiß, dass ein solcher Schritt seine eigene Wirtschaft zerstören, China als größten Rohölkunden verprellen und massive militärische Vergeltung riskieren würde“, erklärt Claudio Galimberti, Chefvolkswirt bei Rystad Energy, gegenüber Business Insider.