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Strom, Lebensmittel, Datenspeicher: Wie die Blockchain Österreich erreicht

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Ich glaube, es hat weniger mit einem Hype zu tun, sondern mit einer ganz logischen technologischen Entwicklung“, so ordnete Ex-Wirtschaftsminister und Neo-Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer das Thema Blockchain beim „Blockchain Summit“ in Wien Anfang Dezember ein. Die Technologie sei „der nächste große Evolutionsschritt“ nach dem Internet in den 1990er Jahren. Diese Evolution scheint zumindest in Österreich noch langsam voranzuschreiten. Denn auch wenn es immer wieder heißt, dass Kryptowährungen nur ein Hype seien und das wahre Potenzial in der Technologie dahinter liege, sind Blockchain-Anwendungen in Österreich nur vereinzelt zu finden.

Internationale Partnerschaften

Aktuell befassen sich unter anderem heimische Banken mit Blockchain. Die Raiffeisen Bank etwa hat sich dem internationalen „R3 Konsortium“ angeschlossen, dem unter anderem die Credit Suisse, Goldman Sachs, J.P. Morgan und Barclays angehören. „Es gibt noch kein Produkt und keine Dienstleistung, die auf der Blockchain im Echtbetrieb läuft. Wir wollen viel ausprobieren und früh erfahren, wenn sich innerhalb der Banken-Infrastruktur fundamental etwas ändert“, erklärte RBI-Digitalchef Hannes Cizek kürzlich gegenüber Trending Topics. Durch die R3-Mitgliedschaft wolle man Know-how aufbauen und an Testprojekten teilnehmen.

Auch die Erste Group hat sich internationale Partner gesucht, um erste Ideen umzusetzen. Die Bankengruppe ist Teil des von UBS und IBM ins Leben gerufenen „Batavia“-Konsortiums. Unter dem Namen „Batavia“ entwickeln die Partner eine offene Handelsplattform. Die Erste will mit der Teilnahme an dem Projekt Exportfinanzierungslösungen finden. Der Blockchain-basierte Zusammenschluss soll Finanzierung von Handelsaktivitäten bei der Beförderung von Waren ermöglichen. Das Ziel: Grenzüberschreitenden Handel effizienter gestalten und den Markt für neue Teilnehmer zugänglich machen. Anfang 2018 plant das Konsortium erste Pilottransaktionen.

Ab 20.000 Euro

Und was passiert innerhalb der österreichischen Grenzen? Die Stadt Wien hat im Rahmen ihres Open-Data-Programms vergangenen Dezember eine Blockchain-basierte Applikation veröffentlicht. Das System lässt Daten der Stadt Wien prüfen und Änderungen nachvollziehen. Implementiert hat das Blockchain-Projekt die für Informationstechnologie zuständige MA 14 mit Unterstützung der Unternehmensberatung Ernst & Young. Bei dieser war Andreas Freitag Blockchain-Consultant, bevor er kürzlich zum Mitbewerber Accenture wechselte. Ihm zufolge gibt es aktuell „hunderte Demos und Piloten in allen Bereichen“. Viele der Projekte sind dem Berater zufolge noch „Proof of Concepts“, also Machbarkeitsnachweise. Im Fall der Stadt Wien sei der „Proof of Concept“ auch gleich das erste öffentliche Projekt geworden.

Die Kosten eines Projekts in der Experimentierphase beginnen laut Freitag bei 20.000 Euro und können in den sechsstelligen Bereich gehen. Für die Umsetzung eines Produktionssystems müssten Unternehmen mit Faktor zehn bis 20 des „Proof of Concepts“ rechnen, „das ist aber schwer generell zu beantworten“. Noch könnte man Blockchain-Anwendungen als Risikoinvestment sehen: „Ob sich die Einsparungspotenziale materialisieren, werden wir im nächsten Jahr sehen.“

Mikroversicherung bei Flugverspätung

Neben Großkonzernen und öffentlichen Institutionen arbeiten auch kleinere österreichische Unternehmen an Blockchain-Produkten. Eine Versicherung, die eine Versicherung ausschaltet: So könnte man „Etherisc“ beschreiben. Gründer Stephan Karpischek betreibt mit seiner Firma „Peer to Peer“-basierte versicherungsähnliche Produkte. „Ein Stück Software, das sich verhält wie eine Versicherung“, erklärt Karpischek am Beispiel der „Flight Delay Dapp“, die Zahlungen bei Flugverspätungen auslöst. Die „Etherisc“-Nutzer zahlen eine Prämie ein; hat ein Flug Verspätung, wird die Zahlung automatisch durchgeführt. Dabei greift die Blockchain-basierte Anwendung auf öffentliche Flugdaten zu. Produkte wie diese seien aktuell nur in Bereichen möglich, „wo es Datenbestände gibt, die gut gewartet sind“, so Karpischek. Im Gegensatz zu traditionellen Versicherungen versprechen die Software-Entwickler Transparenz, Effizienz und das Wegfallen eines Maklers. Bislang hat „Etherisc“ eigenen Angaben zufolge 100 Polizzen der Flugverspätungs-Versicherung verkauft.

Die Versicherungslizenz für das Produkt hat sich das in Wien ansässige „Etherisc“ übrigens in Malta geholt. Nach der vergeblichen Suche in anderen europäischen Ländern habe man nur dort einen Partner gefunden, berichtet der Gründer. „Es ist eine politische Frage, wie offen Regulierungsbehörden gegenüber neuen Anbietern sind“, sagt Karpischek. Trotz staatlicher Initiativen wie „Blockchain Austria“ habe ihm in Österreich die Unterstützung dafür gefehlt.

Datenspeicher weiterverkaufen

Einen anderen konkreten Anwendungsfall für die Blockchain-Technologie hat Andreas Petersson, der sich seit 2011 mit Kryptowährungen beschäftigt, gefunden: Über seine Plattform „Minebox“ können Nutzer nicht gebrauchten Speicher von Servern weitervertreiben. Damit können Unternehmen ihre Kosten für Datenspeicher reduzieren, nennt Petersson den Vorteil des „offenen Marktplatzes mit anonymen Teilnehmern“. Die „Minebox“ soll sich vor allem an Kunden richten, die nicht auf Cloud-Lösungen von US-Konzernen zurückgreifen wollen. Der Betatest der Plattform läuft derzeit laut dem Geschäftsführer mit 200 Kunden, mit der ausgebauten Lösung will sich der Betreiber auf den Enterprise-Markt konzentrieren.

Zusätzlich zu seiner Arbeit an „Minebox“ unterstützt Petersson mit seiner Firma „Capacity“ auch Blockchain- und Krypto-Projekte für andere Unternehmen und zählt damit zum noch überschaubaren Markt der Blockchain-Agenturen. Eine davon ist auch „Grid Singularity“, die sich auf die Energiebranche fokussiert hat. Für die Verbund AG und die Salzburg AG hat der Technologieanbieter ein Pilotprojekt umgesetzt, das Anfang des Jahres anläuft und Ende 2018 evaluiert wird: Über eine App können Mieter Solarenergie im hausinternen Strommarkt kaufen oder verkaufen. Einen ähnlichen Blockchain-basierten Stromhandel testet Wien Energie in der Wohngegend „Viertel Zwei“.

Privater Stromhandel

Ein „aufgelegter Markt“ für „Grid Singularity“-CTO Erwin Smole: „Der Energiemarkt ist noch immer extrem zentral organisiert und Kunden können noch immer nicht überschüssigen Strom aus der eigenen Photovoltaik-Anlage an den Nachbarn verkaufen.“ Seine Prognose für die Zukunft: „Wenn in circa zwei Jahren die Blockchain allgemeiner Standard ist, dann zahlt der Kunde entweder per Nutzung oder reine Transaktionsgebühren. Diese werden dann einen Bruchteil der heutigen Kosten betragen.“

Um die Blockchain-Technologie in der österreichischen Wirtschaft zu fördern, hat sich im WKO-Verein für Technologieförderung „Austriapro“ ein Arbeitskreis zu dem Thema gebildet. Dessen Leiter ist Christian Baumann, der sich seit knapp fünf Jahren mit Kryptowährungen und Blockchain-Lösungen beschäftigt. Die Teilnehmer des Arbeitskreises tauschen sich vor allem zu Blockchain in Logistik und Transport sowie Supply-Chain-Management aus. Bei Letzterem sieht Baumann großes Potenzial auf dem heimischen Markt: „Besonders im Lebensmittelbereich wollen Konsumenten immer mehr Transparenz und den Ursprung der Waren nachvollziehen.“ Auch bei Materialien wie Holz steigt laut dem Blockchain-Experten die Nachfrage nach Herkunftsinformationen. Der Weg einer Ware kann durch Blockchain-basierte Supply-Chain-Lösungen nachvollziehbar gemacht werden. Aktuell gebe es allerdings noch kein Projekt in diesem Anwendungsfeld auf dem Markt.

Braucht es eine Blockchain?

„Blockchain-Projekte sind noch relativ kompliziert umzusetzen“, sagt Baumann über die schleppende Durchdringung der Technologie in Österreich. Noch gebe es kaum Frameworks, mit denen Blockchain-basierte Applikationen rasch realisiert werden können. Accenture-Berater Freitag sieht auch ein Ressourcenproblem: „Der größte Hemmschuh ist die mangelnde verfügbare technische Kompetenz. Die Experten müssen intern aufgebaut werden, weil es noch keine am Markt gibt.“

Hinzu kommt die Frage der Sinnhaftigkeit einer Umstellung auf die Blockchain. Diese hat die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) im Forschungspapier „Do you need a Blockchain“ damit beantwortet, dass diese nicht immer notwendig sei.

Entscheidungsfindung: Ist der Umstieg auf ein Blockchain-basiertes System notwendig?

Die heimischen Experten sehen das ähnlich. Baumann sieht eine Herausforderung darin, „Probleme der echten Welt von einer alten Datenstruktur auf Blockchain umzudenken“. Und Freitag betont: „Nur weil es eine neue Technologie gibt, muss man nicht alles umstellen, das wäre Quatsch und auch nicht realistisch.“

Finden Blockchain-Anwendungen bei uns Einsatz? Ja, allerdings kann es noch Jahre dauern, bis die Branchen geeignete Systeme umgesetzt haben, lautet der Tenor. An Interesse aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Bereich fehlt es jedenfalls nicht.

Gemeinsam mit der Rechercheplattform addendum hat Trending Topics ein Rechercheprojekt zum Thema Blockchain durchgeführt. Dieser Artikel wurde zuerst hier veröffentlicht und ist ab jetzt auch auf Trending Topics zu lesen.

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