Kommentar

Telegram: Verwechselt Meinungsfreiheit nicht mit Gesetzlosigkeit!

Telegram hinter Gittern. © Canva Pro
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Der Aufschrei war groß, als am Samstagabend der Multimilliardär und Telegram-CEO Pavel Durov nahe Paris, als er seinem Privatjet entstieg, von französischen Behörden festgesetzt wurde. Seit Montag ist klar: Der französische Generalstaatsanwalt Laure Beccuau bringt schwere Vorwürfe gegen die hinter WhatsApp zweit größte Messaging-App der Welt mit offiziell 950 Millionen Nutzer:innen vor. Es geht um mangelnde Kooperation mit Behörden, um die Verbreitung von Kinderpornografie, um mutmaßliche Mittäterschaft beim organisierten Betrug, um Geldwäsche, um Drogenhandel (mehr dazu hier).

Deswegen sitzt Durov (er muss von rechtlichen Problemen in Frankreich gewusst haben, landete aber trotzdem dort) nun bis mindestens Mittwoch in Untersuchungshaft und wird dort zu 12 schwerwiegenden Vorwürfen befragt. Trotzdem wird derzeit von seinen Verteidigern ein Narrativ verbreitet. Dieses geht so: Die Doppelmoral des Westens würde dafür sorgen, dass ein Kämpfer für die Meinungsfreiheit festgenommen würde, weil sich die Mächtigen vor dem freien Informationsverkehr in Telegram fürchten würden.

Allerdings geht es, wie man spätestens seit Montag weiß, nicht um Meinungsfreiheit – niemand macht diese jemandem auf Telegram strittig. Vielmehr liegt das Problem anderswo. Bei Telegram können, anders als auf schärfer moderierten Social-Media-Plattform wie etwa Instagram oder LinkedIn, illegale, extremistische und gefährliche Inhalte wie Kinderpornografie, Aufrufe und Ankündigungen zu Gewalttaten, Angebote von Waffen und Drogen usw. viel ungehinderter als anderswo kursieren. Zu beachten ist auch die Reichweite: Hinter dem Wörtchen „Gruppen-Chat“ verbergen sich Communities mit bis zu 200.000 Mitgliedern, die von den Telegram-Machern als „privat“ betrachtet werden und deswegen dort nicht moderiert wird.

Einige Beispiele für den Einsatz von Telegram:

  • Unter dem Begriff „Terrorgram“ hat sich ein ein Netzwerk rechtsextremer Telegram-Kanäle formiert, die Informationen über Angriffe auf das Stromnetz posten (via Bloomberg)
  • Die Terrorverdächtigen, die einen Anschlag auf die Taylor-Swift-Konzerte in Wien geplant hatten, wurden vom US-Geheimdienst über Telegram gefunden, wo sich mindestens einer zum IS bekannte (via ORF.at)
  • Tötungsaufrufe auf Telegram in Querdenker-Gruppen (via Tagesschau)
  • Vertrieb von Schwurbler-Produkten wie Algen, die Krebs heilen sollen, oder dem Bleichmittel Chlordioxid gegen Covid via Telegram (via Correctiv)
  • Koks-Taxis, die via Telegram vermittelt werden (via Frankfurter Allgemeine)
  • Betrügerische Telegram-Gruppen mit vermeintlichen „Finanz-Gurus“ (Warnung der österreichischen Finanzmarktaufsicht)

Telegram ist eine tolle App, aber bitte nicht für Kriminelle

All diese und viele weitere Berichte sind den Behörden, auch in Frankreich, bekannt. Währenddessen kommunizierte Durov zuletzt, dass er die App mit 950 Millionen Nutzer:innen von einem Team von nur 50 Mitarbeiter:innen betreuen würde. Pro Mitarbeiter:in sind das 20 Millionen Accounts – unmöglich auch mit Hilfe von AI, das ordentlich zu moderieren und illegale oder gefährliche Inhalte zu löschen oder zu sperren. Gleichzeitig vermarktet sich Telegram als sichere Kommunikations-App mit starker Verschlüsselung. Das trifft aber nur dann zu, wenn Nutzer:innen aktiv die Verschlüsselung für „Geheime Chats“ aufdrehen, ansonsten liegen die Chats in der Cloud von Telegram.

Nicht falsch verstehen: Telegram ist eine tolle App, meiner Meinung nach mit besserer UX/UI und spannenderen Features als WhatsApp. Klar ist aber auch, dass Durov bei der Content-Moderation ordentlich nachbessern muss. Immerhin hat er auch IPO-Pläne geäußert, und an die Börse wird er sein Unternehmen nur bringen können, wenn er diese mannigfaltigen Probleme mit gefährlichen Inhalten in den Griff bekommt. Insofern ist zu wünschen, dass er mit den französischen Behörden eine vernünftige Einigung trifft, Maßnahmen setzt, um die vielen gefährlichen Inhalte aus den Gruppen zu entfernen – und allen anderen eine App bieten kann, in der es dann wirklich um Meinungsfreiheit geht und nicht um Gewalt, Mord, Drogen und alles, was anderen Menschen schadet.

Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.“ – Immanuel Kant

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