Energie

Thorium-Reaktor: Die Möglichkeit von Small Modular Reactors in Österreich

Symbolbild. © Wilhelm Gunkel on Unsplash
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Das Jahr 1978 hat Österreichs Energielandschaft geprägt wie kaum ein anderes. Als am 5. November das Ergebnis zur Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des bereits fertiggestellten Kernkraftwerkes Zwentendorf verkündet wurde, war klar: In Österreich wird kein AKW Strom liefern. Eine knappe Mehrheit (Ja: 1.576.839 Stimmen oder 49,53 Prozent, Nein: 1.606.308 Stimmen oder 50,47 Prozent) entschied sich gegen Zwentendorf. Im Dezember 1978 folgte das Atomsperrgesetz, welches den Bau von Kernkraftwerken und die Inbetriebnahme von bereits bestehenden Anlagen verbietet.

Fast forward ins Jahr 2022. Der Ukrainekrieg mit seiner Energiekrise hat Atomkraft wieder en vogue gemacht. Deutschland lässt drei AKW länger laufen als geplant, in Tschechien wird Europas erster Small Modular Reactor (SMR) gebaut, die EU definiert Atomkraft als grünes Investment – und von Graz aus erregt eine Firma bis hinein ins österreichische Parlament Aufsehen. Denn Emerald Horizon hat den Tabubruch gewagt – und öffentlich die Möglichkeit von neuen Atomkraftwerken in Österreich formuliert.

„Man muss mutig sein und erkennen, dass es eine Notwendigkeit dafür gibt. Die romantischen Illusionen, man können nur mit volatilen Energiequellen die Zukunft schaffen, ist naiv“, sagt sagt Mario Müller, den Forschungsschef bei Emerald Horizon. Er ist Doktor in theoretischer Physik nach Studien an der TU Graz, TU Wien und am berühmten Kernforschungszentrum CERN in Genf – und nennt sich selbst schon Kernkraftgegner. Denn die klassischen AKW mit Uran und Plutonium lehnt auch er ab – aber moderne Thoriumreaktoren mit Flüssigsalz in der Größe  von etwa 20 Meter langen Containern, die man ein paar Meter unter der Erde einsetzt und dort betreibt, diese Vision verfolgt er mit dem Unternehmen.

© Emerald Horizon
© Emerald Horizon

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Österreich hat eigene Thorium-Vorkommen

„Produktion, Transport Errichtung – das funktioniert so viel einfacher, als wenn man einmal einen Riesen-Meiler in die Landschaft stellt“, sagt Müller zu den so genannten Small Modular Reactors (SMR), an denen auch Größen wie Bill Gates arbeitet. Auch die Bauweise sei sicherer: Während heutige Reaktoren mit Wasser arbeiten und unter hohem Druck stehen würden, würden Flüssigsalzreaktoren eben nicht so gefährlich sein. „Flüssiges Salz kann mehrere Hundert Grad heiß werden, und es entsteht kein Druck“, sagt Müller. „In diesem Salz werden wir Thorium als Energiequelle einbringen. Das ist ein komplett verkanntes Material und ist vier bis sechs Mal häufiger als Uran auf der Erde vertreten.“

Warum hat sich Thorium als Energieträger dann nicht schon längst durchgesetzt? „Es gibt auch in Österreich natürliche Thorium-Vorkommen, und zwar im nördlichen Niederösterreich und in Kärnten“, sagt Müller. „Thorium wurde schon lange als friedliche Kernenergiequelle verfolgt, hat dann aber zu Gunsten von Uran den Kürzeren gezogen – weil man mit Thorium kein Plutonium gewinnen kann.“ Die Waffen-Lobby und das Militär hätten dafür gesorgt, dass sich Thorium nicht durchsetzte. „Es hat sich nicht durchgesetzt, weil die Thorium-Forschung in den USA eingestellt wurde. Das Geld ging in die Plutonium-Forschung.“

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5 bis 25 Megawatt Energie im Container

Nun aber entstehe weltweit, etwa in China und Indien, eine immer größere Thorium-Community. „Der Thorium-Reaktor ist ein System, das 24/7 Energie liefert“, sagt Müller. Emerald Horizon hat 2019 begonnen, an der Idee zu arbeiten. In Österreich uns Slowenien soll ein Prototyp entwickelt werden, der zwischen 2025 und 2027 stehen soll. Zwischen 2029 und 2031 soll dann der „Demonstrator“ gebaut werden – also Produkt Nummer 1 – und dann soll die Serienproduktion beginnen. Ein 40-Fuß-Container soll Wärme zwischen 700 und 900 Grad produzieren können und entweder zum Heizen (z.B. Fernwärme) oder per Turbine zur Stromproduktion verwendet werden.

„Wir gehen von 5 bis 25 Megawatt an thermischer Energie pro Unit aus bzw. von einer Stromumsetzung von 8 bis 18 Megawatt an elektrischer Energie aus“, sagt Müller. Das ist nicht wenig. Zum Vergleich: Eine moderne Windkraftanlage mit etwa 5 MW elektrischer Leistung erzeugt jährlich soviel Strom, wie 3.700 Haushalte im Jahr benötigen. “ Ideal wäre, wenn die Thorium-Reaktoren dezentral verteilt werden, das würde das Netz auch stabiler und weniger anfällig für Blackouts machen. Die Beträge, die man investieren muss, sind massiv. Müller: „Wir reden von 250 Millionen Euro für den Prototypen und den Demonstrator.“

Mario Müller von Emerald Horizon. © Klemm/Schandl
Mario Müller von Emerald Horizon. © Klemm/Schandl

„Ich war in meiner Jugend Atomkraftgegner und bin es heute noch“

Man kann also davon ausgehen, dass noch ziemlich dicke Bretter gebohrt werden müssen, damit in Österreich einmal ein solcher Mini-Reaktor errichtet werden kann. Da gilt es auch, die vielen Bedenken gegen Kernkraft auszuräumen. Müller verkauft den Flüssigsalzreaktor als vergleichsweise sicher. „Sollte der Reaktorbehälter brechen, dann tritt das Salz mit dem Thorium aus und erstarrt. Da bildet sich ein Salzpropfen, der das Thorium einschließt“, so der Forscher. Das Strahlungsniveau sei viel kleiner als in einem klassischen AKW, alleine wegen der geringeren Mengen. Man könne Thorium innerhalb von zehn Jahren auf ein natürliches Strahlungsniveau bringen, das dem Menschen nicht schade.

Im Gegenteil – die SMRs könnten gar eine Lösung für die Endlagerung von Atommüll sein. In die Thorium-Reaktoren könne man Uran beimischen und dessen Halbwertszeit auf unter 300 Jahre bringen. Auch das britische Kernkraft-Startup Newcleo verspricht, mit seinen SMRs und der so genannten MOX-Technologie abgebranntes Uran aus herkömmlichen Atomkraftwerken zu recyceln (mehr dazu hier).

Müller und seinen Kolleg:innen ist klar – Widerstände und (wohl unüberwindbare) Hürden gibt es für die Pläne des Unternehmens in Österreich viele. Trotzdem sagt er: „Ich war in meiner Jugend Atomkraftgegner und bin es heute noch. Ich weiß, wie ein AKW funktioniert und kenne seine Schwächen. Ich weiß aber auch, was wir verpassen, wenn wir die Kernenergie nicht nutzen – nämlich die Chance, den Klimawandel doch noch zu schaffen.“

Emerald Horizon: Die Österreicher, die Thoriumreaktoren bauen wollen

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