Beauty-Tech

Wie Guive Balooch L’Oréal zum Tech-Player gemacht hat

(c) Guive Balooch
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Guive Balooch ist Global Managing Director of Augmented Beauty and Open Innovation. Der gebürtige Kalifornier kommt jedoch ursprünglich aus einer völlig anderen Branche: Nach seinem Postdoc im Bereich Zellbiomechanik, arbeitete er in der pharmazeutischen Industrie an der Erforschung neuer Antikörper für Knochenkrankheiten. Im Jahr 2008 wechselte Balooch zur Kosmetik-Gigantin L’Oréal, wo er sich zunächst um den Aufbau neuer Kooperationen mit Startups und Universitäten kümmerte. Nun leitet er beim französischen Weltmarktführer einen globalen Inkubator, der sich auf neue Technologien für den Schönheitsmarkt und die Erforschung sowie die Umsetzung von Innovationen fokussiert.

Wir haben Guive Balooch auf der VivaTech 2023 getroffen und wollten wissen, was genau ihn zu L’Oréal geführt hat, welche Prozesse hinter der Entwicklung der zwei neuesten Beauty-Tech-Tools HAPTA und 3D shu:brow stecken, wie die internationale Zusammenarbeit mit Startups genau funktioniert, wie sich Beauty-Präferenzen in verschiedenen Weltregionen unterscheiden, welche Grenzen das Unternehmen nicht überschreiten würde und wie die Trends der Zukunft im Bereich Beauty-Tech aussehen
werden.

Sie haben L’Oréal dabei unterstützt, sich zu einem relevanten Beauty-Tech-Player zu entwickeln, sind jedoch zuvor in völlig unterschiedlichen Bereichen tätig gewesen. Wie sind Sie zu L’Oréal gekommen?

Ich habe nach meiner Zeit an der Universität als Biologe angefangen und war in der Pharmabranche tätig. Als ich vor 17 Jahren auf L’Oréal und die Schönheitsindustrie im Allgemeinen stieß, erkannte ich die vielen Gemeinsamkeiten mit der Gesundheitsindustrie.
Verbraucher:innen in der Beauty-Branche sind aber sehr viel anspruchsvoller, was Innovationen betrifft und ich bin jemand, der gerne innovativ ist. Genau das hat den Beruf in erster Linie für mich attraktiv gemacht, aber auch die Tatsache, dass ich gemerkt habe, dass L’Oréal einen so starken Glauben an die Wissenschaft und Technologie hat. Im Endeffekt war es aber so, dass ich aus persönlichen Gründen umgezogen bin und so auf den Job L’Oréal gestoßen bin. Es war also nicht geplant, so viel ist sicher. Ich verliebte mich aber schnell in die Idee, im Bereich von Schönheit und Technologie arbeiten zu können. Es war also im Grunde eine zufällige Begegnung mit logischen Argumenten dahinter.

Ich habe vorhin gesehen, dass L’Oréals neueste Beauty-Tech-Tools 3D shu:brow und HAPTA  jetzt auf der VIVATECH präsentiert werden. Könnten Sie mir ein paar Einblicke in die Entstehungsgeschichte dieser zwei Kreationen geben?

Zunächst einmal denke ich, dass sich die beiden Projekte in gewisser Hinsicht ähneln, da sie Menschen helfen, Schönheitsergebnisse zu erzielen, die sie mit ihren eigenen Händen nicht erreichen könnten. Bei beiden Geräten geht es darum, Menschen mit Technologie zu
unterstützen.

Ich fange mit HAPTA an. Es gibt aktuell fast eine Milliarde Menschen, die irgendeine Art von motorischer Einschränkung oder Behinderung haben, die es ihnen erschwert die Schönheitswelt, genau wie andere, zu erleben. Für viele wird, beispielsweise, das Auftragen des Lippenstifts erschwert oder gar unmöglich gemacht. Im Fall von HAPTA hatten wir das Glück, mit Verily zusammenzuarbeiten, einem kalifornischen Startup, das bereits eine Version dieser Technologie für Menschen entwickelt hat. (Anmerkung: Ihr Gerät bietet stabilisierende und ausgleichende Griffe an Utensilien wie Löffeln an, die gewährleisten, dass beispielsweise Menschen mit Handzittern, keine Probleme beim Essen haben.)

Wir haben vor einem Jahr angefangen, mit ihnen zu arbeiten und werden relativ schnell auf den Markt kommen können damit. Wir müssen unser Tool aber noch testen, um sicherzugehen, dass es beim Auftragen von Schminke ohne Probleme funktioniert. Ich denke, wir werden in der Lage sein, es nächstes Jahr auf den Markt zu bringen. Aber wir müssen noch weitere strenge und ethische Tests mit allen Arten von motorischen Einschränkungen inkludieren, um sicher zu sein, dass HAPTA dann auch wirklich funktioniert.

Dann gibt es noch 3D shu:brow. Vor der Entwicklung von 3D shu:brow haben wir herausgefunden, dass neun von zehn Frauen Probleme damit haben, ihre Augenbrauen mit Schminke zu formen. Wir dachten uns, wenn 90 % der Frauen sich darüber beklagen,
warum nicht mit Technologie aushelfen? So haben wir den Drucker für die Augenbrauen
geschaffen.

Bei 3D shu:brow ist es anders als bei HAPTA. Dieses Gerät wurde in Zusammenarbeit mit Prinker, einem Pionier in gedruckten, nicht permanenten Tattoos, entwickelt. Wir arbeiten jetzt schon einige Jahre daran, und es könnte noch einige weitere Jahre in Anspruch
nehmen, bis das Tool auf dem Markt ist. Das liegt daran, dass wir einerseits Augmented Reality nutzen, um auf dem Smartphone zu sehen, wie die fertige Augenbraue aussehen wird, bevor man sie aufträgt.

Wir müssen aber auch noch sicherstellen, dass das Gerät die eigenen Augenbrauenhaare richtig sehen kann, so dass das Auftragen der Farbe beim Drüberstreichen mit 3D shu:brow auch so aussieht, wie es aussehen soll. All das muss in Symbiose und im Gleichgewicht miteinander funktionieren. Aus diesem Grund kann das Projekt noch Zeit in Anspruch nehmen. Wir wissen mit Sicherheit, dass wir es nicht auf den Markt bringen, wenn es nicht für alle funktioniert. Es gibt eben Projekte, die in zwölf Monaten fertig sind und Projekte, die sieben bis zehn Jahre dauern.

Sie leiten für den Tech-Inkubator die internationale Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Teams. Könnten Sie mir mehr Details dazu verraten.

Ich habe das Kernteam vor zwölf Jahren gegründet. Aber als ich angefangen habe, gab es noch keine Beauty-Unternehmen, die zu Elektronikmessen gegangen sind oder sich sonst wie in dieser Community aufgehalten haben. Das hat mir in gewisser Weise klargemacht,dass wir mit anderen zusammenarbeiten müssen, auch international. Ich wollte die besten Startups ausfindig machen, die auf dem Gebiet der Technologie arbeiten, und sie davon überzeugen, mit uns zusammenzuarbeiten, um Beauty-Tech-Projekte zu entwickeln.

Nach und nach haben wir Kooperationen auf der ganzen Welt aufgebaut. Wir sehen das, zum Beispiel, im Bereich künstliche Intelligenz. Wir haben hier viele Kooperationen mit israelischen Startups. Bei Tech-Geräten arbeiten wir klarerweise viel mit Startups aus Asien und den USA zusammen. Wir haben einen vielseitigen Innovationsansatz. Wir sind nicht geografisch orientiert bei der Zusammenarbeit und wissen, dass es auf der ganzen Welt spannende Innovationen in bestimmten Bereichen gibt, die wir nutzen können, um Schönheit für alle zu schaffen.

Sehen Sie Unterschiede in den Präferenzen der Verbraucher:innen im Bereich Beauty-Tech?

Ich würde sagen in Asien, vor allem in China, Japan und Korea, sind Tech-Tools für Haare und Haut bei den Verbraucher:innen gerne gesehen. In Korea wird ebenso intensiv mit professionellen Dienstleistungen im Beauty-Bereich gearbeitet. Es gibt daher definitiv einen
verstärkten “Appetit auf neue Tech-Geräte”. In Europa und in den USA herrscht wiederum eine große Nachfrage nach digitalen Dienstleistungen und Diagnostik.

Kurz gesagt: Es gibt spezifische geografische und kulturelle Bedürfnisse, aber auch allgemeine Bedürfnisse. Es sind dann Fragen wie: Welches ist das richtige Produkt für mich? Und deshalb macht L’Oréal beides. Wir forschen überall auf der Welt. Wir haben
Forschungszentren in Südafrika, in Indien, Korea, Japan und bei uns in den USA. Und wir versuchen gemeinsam natürlich auch Innovationen zu finden, die sich weltweit durchsetzen können.

Gibt es Grenzen, die L’Oréal nicht überschreiten wird? Gab es denn jemals ein Projekt, bei dem das Unternehmen den Prozess deswegen gestoppt hat?

Ich habe in den letzten zwölf langen Jahren oft Grenzen ziehen müssen. Wenn ich eine hundertprotenzige Trefferquote hätte, wäre ich wahrscheinlich selbst total schockiert… Es ist so, dass manchmal Projekte ins Leben gerufen wurden, die wir in Bezug auf Technologie für wirklich aufregend gehalten haben, aber dann nie veröffentlicht haben, weil sie zu sehr auf den technischen Trend und nicht die Bedürfnisse der Verbraucher:innen ausgerichtet waren. Und deshalb sage ich jetzt jedem Neuling, der in mein Team kommt: Unsere Aufgabe ist es nicht, Technologie zu entwickeln. Unsere Aufgabe ist es, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen!

Ich möchte jetzt konkret von einem Beispiel erzählen. Als wir vor zehn Jahren mit Beauty-Tech angefangen haben, hatten wir ein Projekt, bei dem es darum ging, den Hautton einer Person zu messen und die richtige Foundation zu finden. Wir hatten eine App, die extra dafür entwickelt wurde. Man musste nur ein Selfie aufnehmen und hatte dann den richtigen Make-Up-Ton. Wir stellten allerdings fest, dass sie bei sehr heller und sehr dunkler Haut nicht funktionierte. Wir hatten also die Wahl, das nicht-perfekte Projekt trotzdem
herauszubringen oder es zu lassen. Wir haben uns dann dagegen entschieden, weil gerade die hell- und dunkelhäutigen Menschen diese Technologie brauchen. Wir haben festgestellt, dass das Smartphone noch nicht so weit ist. Zwei Jahre später entwickelten wir dann aber
ein Video-Selfie-System, das endlich für alle Menschen geeignet war.

Welche Beauty-Tech-Trends und Entwicklungen sehen Sie in der nahen Zukunft?

Wie gesagt, Ich konzentriere mich aktuell sehr darauf, was unsere Verbraucher:innen im Bereich Schönheit an Trends wollen. Ich werde Ihnen einige Beispiele nennen: Sie wollen hyperpersonalisierte Erfahrungen, bei denen sie ihre Umgebung, ihre Haut und ihr Haar
verstehen, um das bestmögliche Produkt für sie selbst finden zu können. Sie wollen mehr Nachhaltigkeit, aber mit der gleichen oder sogar einer höheren Leistung als bei den bisherigen Beauty-Erfahrungen. Ich denke also, dass diese Bedürfnisse teils mit Technologie, teils mit Chemie beantwortet werden können. Im Falle der Technologie werden wir sicher immer weiter in der Lage sein, einige dieser neuen, aufregenden Bereiche wie KI, Robotik und miniaturisierte Hardware zu nutzen.

Disclaimer: Die Kosten für die Reise nach Paris wurden von L’Oréal übernommen.

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