Gastbeitrag

Wie in Palästina ein neues Startup-Ökosystem entstehen könnte

Majd Khalifeh im Meeting-Raum des Accelerators in Ramallah in Palästina © Advantage Austria
Majd Khalifeh im Meeting-Raum des Accelerators in Ramallah in Palästina © Advantage Austria
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Caroline Mayr ist Deputy Head of ADVANTAGE AUSTRIA, der Wirtschaftsförderungsorganisation der Wirtschaftskammer Österreich, in Israel. In diesem Gastbeitrag befasst sie sich mit der Möglichkeit eines aufblühenden Startup-Ökosystems in Palästina.

An Palästina, das zweigeteilte Land (Westjordanland/Westbank und Gaza) neben der Startup-Nation Israel, wird zumeist nicht in Zusammenhang mit Jungfirmen oder Social Businesses gedacht. Wie viele Startups es in den palästinensischen Autonomiegebieten insgesamt gibt, ist unklar. Offizielle Zahlen sind nicht verfügbar, die Schätzungen belaufen sich auf circa 100 – 200. Im Vergleich dazu: In Israel gibt es rund 7.000 Startups, in Österreich circa 3.000, bei ähnlichen Bevölkerungszahlen (Israel: ~9,5 Mio., Österreich: ~9 Mio., Palästina: ~5,5 Mio.). 

„Not macht erfinderisch“

Diese vergleichsweise geringe Anzahl liegt an zahlreichen Herausforderungen, denen sich das Land täglich stellen muss: Oftmals abgeschnitten von den internationalen Organisationen und der Weltbühne, geringe Unterstützung von der Regierung, konstante Konflikte sowie der „perception of risk“, die damit einhergeht und wie es Kamel Husseini, der Chief Strategic Relations & Engagements Officer der Bank of Palestine nennt.

Dem gegenüber steht eine Gesellschaft, die oftmals von Arbeitslosigkeit betroffen ist (13% im Westjordanland und 45% in Gaza), aber dafür recht gut gebildet ist (85% mit Hochschulabschluss). „Not macht erfinderisch“ gemischt mit der nachhinkenden Technologisierung des Landes (der Internetanschluss war lange beschränkt – auch heute gibt es zumeist nur 3G) führt zu einem langsamen Wachstum der Szene.

Viele Startups haben Social Impact

Im einzigen for-profit Co-Working Space Palästinas, in uMake in Ramallah, einem Gebäude, in dem auch pwc sitzt, treffe ich Lama Amr, eine Co-Founderin von BuildPalestine. BuildPalestine wurde von Besan Abu-Joudeh, einer Amerikanerin mit palästinensischen Wurzeln, gegründet. Sie suchte ein Produkt, mit dem sie die Entwicklung des Landes vorantreiben kann, ohne dass Einzelpersonen zu viel Risiko übernehmen müssen. Die Lösung: Crowdfunding von Startups, die einen „Social Impact“ haben und Probleme innerhalb der palästinensischen Gesellschaft lösen möchten.

Zu diesen Startups zählen beispielsweise: Hakini, eine Mental Health-App, die den Zugang zu Expert:innen im Bereich psychischer Gesundheit für Palästinenser:innen jederzeit zugänglich gemacht hat und den Content zudem an die arabische Gesellschafft angepasst hat. Ähnlich auch die Bemühungen der Gründer:innen von Shadana Yoga, das ganzheitliche Wohlbefinden durch virtuelle Yoga- und Meditationskurse auf Arabisch zu fördern versucht.

Noch viele Kopien von existierenden Apps

Gleichzeitig haben TebFact und HomelyCare – die von einer Gruppe von Medizinstudent:innen aus dem Gazastreifen ins Leben gerufen wurden – es geschafft, eine breite Palette virtueller medizinischer Dienstleistungen anzubieten. Diese reichen bis hin zur Vereinbarung erschwinglicher persönlicher Termine. Aber es gibt auch Rukab, ein palästinensisches Uber, oder Yummy, einen Essenslieferdienst, sowie PalPay, eine Kopie von PayPal, da sich die Firma weigert, auch in den palästinensischen Gebieten zu agieren (obwohl es in der Zwischenzeit in den jüdischen Siedlungen funktioniert). 

Majd Khalifeh, Chief Executive Officer of Flow Accelerator, dem größten Startup Incubator (und auch Accelerator) Palästinas, kritisiert aber den geringen Erfindungsreichtum der Palästinenser:innen. Oft werden nur palästinensische Versionen von schon existierenden Apps gemacht, da diese in Palästina nicht funktionieren, siehe Mental Health-Apps, Essenslieferdienste etc.

Startups in Palästina brauchen mehr Kapital

Sie betont aber auch darauf, dass Tech „the only scalable thing” ist. Damit meint sie, dass technologisierte Startups auch über Palästina hinaus erfolgreicher sind und die Chance haben, durchzustarten. Die Onlinewelt ist nicht von politischen Konflikten abhängig und wird nicht durch israelische Zäune und Mauern begrenzt. In der digitalen Welt sind nationale Grenzen leichter zu überwinden.

Aber auch wenn Startups gute Ideen haben, scheitert es bald an Investments. 2022 haben palästinensische Jungfirmen nur 9,5 Mio. USD erhalten. Im Vergleich dazu haben Startups in Saudi-Arabien, den Vereinigten Emiraten und Ägypten jeweils hunderte Millionen Dollar bekommen. Hier spielt wieder die Angst vor dem Risiko – wie Kamel Husseini es nennt – mit. Die Bank hat sogar die palästinensische Startup-Konferenz ICEP von Ramallah in die Emirate verschoben, um mehr potentielle Investor:innen anzuziehen. Momentan kommt die Mehrheit der Investments auch von der palästinensischen Diaspora und den Golfstaaten. 

Erste Startup Hubs und Akzeleratoren

Majd und Lama sehen auch noch ein anderes Problem: Die Startups sind zu wenig mit einander verbunden, die Szene in Ramallah startet langsam, aber auch hier gibt es noch keinen regen Austausch unter den jungen Leuten. Kamel Huseeini nennt zusätzlich noch den Mangel an Management Skills als Problem. Auch auf den Universitäten gibt es kaum Unterstützung für junge Entrepreneur:innen und auch sonst versuchen viele, eher in die Golfstaaten zu gehen, als in Palästina zu bleiben.

Langsam beginnen sich aber auch Akzeleratoren und Hubs für Startups zu öffnen, die diesen genau die benötigten Skills geben. Flow Accelerator sowie Build Palestine und auch die Bank of Palestine bieten Plattformen, Bootcamps, Mentor:innen etc. für motivierte junge Leute an, um dieses Loch zu füllen. Dabei wird auch versucht, Leute aus dem Gazastreifen einzubinden. Auch dort gibt es bemerkenswerter Weise Programme und Hubs wie zum Beispiel Gaza Sky Geeks – ein Joint Venture von Mercy Corps und Google for Startup.

In Zukunft erste Exits und „vielleicht sogar ein Unicorn“

Es glauben und hoffen alle drei, dass es ein guter Anfang ist, Majd nennt es die “early stage of activation” und Kamel glaubt daran, dass es in 2-3 Jahren die ersten Exits geben wird, „vielleicht sogar ein Unicorn.“ Dafür bedarf es allerdings noch viel Arbeit am Branding Palästinas, ist Lama überzeugt. Mehr Investor:innen müssen sich von der Situation vor Ort überzeugen.

Wer mehr über das Startup-Ökosystem und Social Impact Startups erfahren möchte, kann sich darüber im Rahmen der Wirtschaftsmission Palästina Social Business & Social Innovation von 4.-7. Dezember 2023 ein genaueres Bild verschaffen.

Quellen:

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