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Wie Konzerne Blockchain-Milliarden heben wollen

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Gemeinsam mit der Rechercheplattform addendum hat Trending Topics ein Rechercheprojekt zum Thema Blockchain durchgeführt. Dieser Artikel wurde zuerst hier veröffentlicht und ist ab jetzt auch auf Trending Topics zu lesen.

Amazon, Google, Facebook – die Macht im Internet teilen sich nur wenige Unternehmen. Massen an Daten von Milliarden Internetnutzern sind in den Händen wenig transparenter Firmen. Als das Internet in den 1990ern seinen Siegeszug antrat, witterten early adopters die Morgenluft der digitalen Freiheit. Spätestens 2005 waren sie in der Realität angekommen. Das Versprechen der Dezentralisierung, die das Internet nicht gebracht hat, soll jetzt von einer neuen Technologie erfüllt werden. Die Hoffnung in den verteilten Charakter der Blockchain ist groß.

Die Blockchain gehört IT-Urgesteinen

Während die einen wieder von einem freien Fluss an Informationen und Daten jeglicher Art ohne Mittelsmänner träumen, wollen IT-Großkonzerne der alten Garde und andere große Unternehmen den Zug diesmal auf keinen Fall verpassen – und es sieht für sie gar nicht so schlecht aus. Der größte Fisch im Teich des Blockchain-Technologie-Geschäfts war 2017 kein innovatives Startup, sondern ein 106 Jahre alter Konzern: IBM war laut einer Befragung von Juniper unter Unternehmern und Managern an der Spitze der Anbieter von Blockchain-Technologie. Auf Platz zwei landete Microsoft.

Hohe Wachstumsraten

Schätzungen von Analysten und Unternehmensberatern zufolge soll der globale Blockchain-Markt in den nächsten fünf Jahren auf 6 bis 10 Milliarden Dollar anwachsen. Laut dem Fachportal Coindesk flossen 2016 weltweit mehr als 400 Millionen Dollar Risikokapital in Blockchain-Technologien – in der ersten Jahreshälfte 2017 waren es bereits rund 300 Millionen Dollar. Der Hype treibt dabei mitunter skurrile Blüten.

„Irgendwas mit Blockchain“

Die Euphorie ist so groß, dass es derzeit als Unternehmen anscheinend genügt, „irgendwas mit Blockchain“ zu machen. Nachdem sich ein amerikanischer Getränkehersteller in „Long Blockchain Corp.“ umbenannte, legte der Aktienkurs der Firma prompt um 238 Prozent zu. Für Überraschung sorgte zuletzt auch das Fotografie-Urgestein Kodak, das auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas mit einem handlichen Bitcoin-Mining-Gerät auf sich aufmerksam machte. Zur Erinnerung: Bitcoin werden mittlerweile in Rechenzentren in der Größe von Lagerhallen in Ländern mit günstigen Strompreisen „geschürft“.

Die zwei Blockchain-Initiativen der Großunternehmen

Der Hype wird abklingen, und spätestens dann wird sich zeigen, wer zu den Gewinnern der neuen Technologie gehört. In fünf bis zehn Jahren wird es laut Gartners „Hype Cycle for Emerging Technologies“ so weit sein. Bisher konzentrieren sich die ernst zu nehmenden Bemühungen auf zwei große Open-Source-Plattformen. Die ältere Plattform, Hyperledger, wurde bereits 2015 von der Linux-Foundation begründet und bekannt durch das ein Jahr später von IBM angekündigte Blockchain-as-a-Service. Im Hyperledger-Consortium sitzen unter anderen auch die Deutsche Börse, Airbus, Accenture, Cisco, Baidu und Intel – insgesamt sind es mehr als 180 Mitglieder. Microsoft gehört nicht dazu. Anfang 2017 hat sich die zweite große Plattform formiert: Die Ethereum Enterprise Alliance (EEA) basiert, wie der Name bereits verrät, auf der für „Smart Contracts“ bekannten Ethereum-Blockchain und zählt mittlerweile rund 200 Mitglieder. Neben Microsoft gehören der EEA auch Schwergewichte wie Mastercard, J.P. Morgan, Cisco oder Hewlett Packard an.

Banken am Scheideweg

Die Reform des Finanzsystems war der Traum der anarchistischen Kapitalisten. Der Sinn hinter dem ersten Anwendungsfall Bitcoin war ein Netzwerk zwischen Menschen. Es war ein Weg entstanden, Werte kostenlos und dezentral zwischen Individuen zu überweisen, ohne von einer zwischengeschalteten Instanz abhängig zu sein. Banken und Kreditkartenunternehmen wie Visa und Mastercard wirkten plötzlich wie Relikte aus einer überholten Zeit. Regierungen beobachten die Szenerie und sind nicht mehr imstande, ihre eigenen Währungen zu legitimieren. Es dauerte nicht lange, bis der Traum zerbrach.

Das 80-Banken-Konsortium

Mittlerweile haben sich über 80 Banken im Konsortium R3 zusammengeschlossen, um an einer eigenen privaten Version der Blockchain zu basteln. R3 wurde im September 2015 von den Banken Barclays, BBVA, Commonwealth Bank of Australia, Credit Suisse, Goldman Sachs, J.P. Morgan, Royal Bank of Scotland, State Street und UBS gegründet. Bislang gab es keine Bestrebungen von R3, eine eigene Kryptowährung auszugeben, vielmehr konzentriert sich R3 auf die Entwicklung der Plattform Corda. Corda ist eine für die betriebliche Anwendung entwickelte Plattform für die Finanzindustrie und den Handel. Gemeinsam mit den Mitgliedern werden Proofs of Concept entwickelt, um Distributed-Ledger-Applikationen kommerziell zu nutzen.

Und Raiffeisen International

Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit R3 wird sich die Raiffeisenbank International auf die Bereiche Cash- und Zahlungsdienste, Kapitalmärkte, digitale Identität, Wertpapierdienstleistungen und Handelsfinanzierung konzentrieren. „Es gibt derzeit noch keinen Anwendungsfall auf der Blockchain, der wirklich funktioniert. Weder ein Produkt noch eine Dienstleistung läuft auf der Blockchain. Aber das kann sich schnell ändern. Wir wollen dort viel ausprobieren und früh erfahren, wenn innerhalb der Banken-Infrastruktur etwas entsteht“, sagt Hannes Cizek, der den Bereich Digital Banking & Innovation Management bei der RBI leitet.

2017 kehrten wichtige Mitglieder dem R3-Konsortium auch schon wieder den Rücken. J.P. Morgan wurde Gründungsmitglied der EEA und Goldman Sachs und die American Investment Bank wollen sich der Blockchain-Technologie lieber auf eigene Faust annehmen.

Dank der Blockchain aus der Krise

Während sich Banken der Blockchain noch etwas vorsichtig nähern, hat man in Nischenmärkten bereits die Ärmel hochgekrempelt. Als lukrativer Schauplatz hat sich etwa die Schiffslogistik entpuppt. 27 Milliarden Dollar soll das Einsparpotenzial betragen, wenn das Verschiffen von Containern über eine private Blockchain verwaltet wird, schätzt der IT-Gigant IBM. Das ist ein gutes Verkaufsargument – seit mittlerweile neun Jahren finden die großen Reedereien keinen Weg aus der Krise und müssen harte Sparprogramme fahren. Die größte Containerschiff-Reederei, die dänische Maersk, hat deshalb 2017 bei IBM angedockt und plant die Logistik von zehn Millionen Containern über die Blockchain zu verwalten.

Das Versprechen heißt Sicherheit

Neben der Erleichterung des derzeit enormen bürokratischen Aufwands verspricht sich Maersk davon vor allem Sicherheit vor gefälschten Dokumenten und Hackerangriffen. Bislang waren für die Verfolgung eines Containers 200 Einzelschritte notwendig, mit denen sich bis zu 30 Personen beschäftigten. Bei einzelnen Lieferungen aus Afrika und Amerika übernimmt das bereits die von IBM entwickelte Blockchain. Dank des verteilten Systems können Logistiker, Behörden und Kunden jederzeit auf die aktuellsten Daten zu Container und Inhalt zugreifen.

Milliardenmarkt „Internet of Things“

Die Schiffslogistik ist ein großer Brocken für IBM, aber nur einer von vielen. Die Blockchain-Technologie gilt als der Heilsbringer für das explodierende „Internet of Things“ (IoT). Bis 2020 sollen weltweit bis zu 31 Milliarden Geräte miteinander kommunizieren und bis 2025 könnte sich diese Zahl erneut verdoppeln. Das schürt Ängste vor Hackern. Ein mögliches Einfallstor sind Systemupdates, die aus dem Internet nachgeladen werden. Es werden Ansätze entwickelt, die Manipulationssicherheit von Blockchains zur Absicherung von Systemupdates von IoT-Geräten zu verwenden.

Die IOTA-Foundation

Das bisher größte Projekt für das „Internet of Things“ ist in Berlin entstanden. Dort haben Dominik Schiener, Serguei Popov und David Sønstebø die IOTA-Foundationgegründet, und die entsprechende Kryptowährung IOTA rangiert derzeit auf Platz elf nach Marktkapitalisierung (Stand 30. Januar 2018). Die Sicherheit ist dabei noch gar nicht der wichtigste Aspekt, den eine Blockchain für IoT so interessant macht. Maschinen können nämlich erst so richtig autonom agieren, wenn sie auch selbstständig untereinander abrechnen können. Der deutsche Energieversorger RWE hat sich das zunutze gemacht, um eine automatische Abrechnung an privaten E-Tankstellen zu ermöglichen. Wenn ein Elektroauto eine bei „Share and Charge“ registrierte private Ladestation anzapft, erfolgt die eigentliche Transaktion zwischen Tankstelle und Auto über einen Smart-Contract auf der Ethereum-Blockchain.

Die Dezentralisierung des Energiemarkts

Was die RWE mit privaten E-Tankstellen im Kleinen vorexerziert, funktioniert auch im Großen: Die dezentrale Energieversorgung über Kleinkraftwerke oder etwa private Solarzellen soll laut Weltenergierat von einem Anteil von derzeit 5 Prozent bis 2025 auf einen Anteil von 25 Prozent steigen. Abgewickelt werden könnte der „Peer-to-Peer“-Stromhandel wie bei „Share and Charge“ über eine Blockchain. Genau das hat das australische Startup Power Ledger bereits umgesetzt und vergangenes Jahr bei einem ICO 26 Millionen Dollar eingesammelt. Das erste Großprojekt soll heuer in Bangkok umgesetzt werden, wo die thailändische Solarstrom-Firma BCPG hohe Gebäude mit Solarzellen bestückt. Power Ledger ermöglicht den Teilnehmern an dem Projekt den „Peer-to-Peer“-Handel des erzeugten Solarstroms. Kürzlich qualifizierte sich das australische Startup bei der Extrem Tech Challenge 2018 im Zuge der CES in Las Vegas für die Finalrunde, die im Oktober auf der Insel von Sir Richard Branson stattfinden wird. Dort geht es um den exklusiven Zugang zum globalen Netzwerk des Virgin-Gründers.

„Big Blue“ holt auf

IBM arbeitet allerdings unermüdlich daran, mit der Hyperledger-Blockchain Boden im Kampf um diesen Milliardenmarkt gutzumachen. Im Energiebereich hat IBM für den niederländischen Übertragungsnetzbetreiber TenneT eine Blockchain entwickelt, mit der erneuerbare Energien besser in das Stromversorgungssystem integriert werden sollen. Und auch in der Finanzbranche hat sich „Big Blue“ mittlerweile starke Partner gesichert. Deutsche Bank, HSBC, KBC, Natixis, Rabobank, Société Générale and UniCredit wollen ihre „Digital Trade Chain“ ebenfalls mit IBM umsetzen.

Bis jetzt ist der Hype um die Blockchain groß genug für zwei starke Player – das Rennen zwischen Hyperledger und EEA könnte aber noch spannend werden.

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