CleanTech stirbt gerade einen unsauberen Tod

Es es gar nicht lange her, da buhlten Europa und die USA noch um sie, heute stehen sie schwer angeschlagen da: 2023 noch sorgte der Inflation Reduction Act (IRA) unter Joe Biden noch dafür, dass CleanTechs wie Northvolt (grüne Batterien) und Climeworks (CO2-Entfernung) damit drohten, in die USA abzuwandern. Nur zwei Jahre später sieht ihre Welt – und die vieler anderer Unternehmen, die dem Bereich zuzuordnen sind – vollkommen anders aus.
Denn die CleanTech-Industrie durchlebt derzeit eine der schwierigsten Phasen ihrer Geschichte. Eine Kombination aus politischen Richtungsänderungen in den USA, strukturellen Herausforderungen bei der Skalierung und technischen Problemen führt zu einer Konsolidierungswelle, die etablierte Unternehmen und vielversprechende Startups gleichermaßen erfasst.
Politische Kehrtwende in den USA
Am Donnerstag hat das US-Repräsentantenhaus mit knapper Mehrheit ein umfassendes Steuerreformpaket verabschiedet, das die CleanTech-Förderung des Inflation Reduction Act erheblich beschneidet. Das Gesetz sieht vor, die wichtigsten Steuererleichterungen für erneuerbare Energien früher als ursprünglich geplant auslaufen zu lassen.
Die Änderungen betreffen insbesondere die Steuergutschriften für saubere Elektrizitätserzeugung, die bereits ab 2029 schrittweise reduziert und 2032 vollständig eliminiert werden sollen. Besonders drastisch: Die 30-prozentige Steuergutschrift für private Solaranlagen wird komplett gestrichen. Projekte müssen innerhalb von 60 Tagen nach Inkrafttreten des Gesetzes mit dem Bau beginnen, um noch von den verbleibenden Förderungen zu profitieren.
Marktreaktion: Massive Kursverluste
Die Finanzmärkte reagierten umgehend auf die politischen Entwicklungen. CleanTech-Aktien verzeichneten am 22. Mai erhebliche Verluste:
Unternehmen | Kursverlust | Sektor |
---|---|---|
Sunrun | -33% bis -40% | Residential Solar |
Complete Solaria | -22% | Solar |
Enphase Energy | -10% bis -19% | Solar/Batterien |
Maxeon Solar | -15,6% | Solar |
SolarEdge Technologies | -10% bis -15,6% | Solar |
NextEra Energy | -9% | Utilities/Renewables |
JinkoSolar | -2,3% | Solar |
First Solar | -6% | Solar |
Canadian Solar | -10% | Solar |
Europäische Batterie-Ambitionen: Das Ende von Northvolt
Parallel zu den politischen Entwicklungen in den USA kämpfen CleanTech-Unternehmen weltweit mit operativen Herausforderungen. Der schwedische Batteriehersteller Northvolt, einst als europäische Antwort auf die asiatische Dominanz im Batteriesektor positioniert, stellt seine Produktion bis Ende Juni 2025 vollständig ein.
Das seit März 2025 insolvente Unternehmen hatte seit 2016 etwa 10 Milliarden Dollar an Fremd- und Eigenkapital eingesammelt und beschäftigte vor dem Kollaps rund 7.000 Mitarbeiter. Heute arbeiten nur noch 900 Beschäftigte in der letzten verbliebenen Fabrik. Der Insolvenzverwalter bestätigte indes, dass derzeit keine realistische Aussicht auf einen kurzfristigen Käufer besteht.
Direct Air Capture unter Druck: Climeworks reduziert Personal
Das Schweizer Unternehmen Climeworks, Pionier der Direct Air Capture-Technologie, entlässt 22 Prozent seiner Belegschaft – insgesamt 106 von 483 Mitarbeitern. Das seit 2009 tätige Unternehmen hat bisher 780 Millionen Dollar eingesammelt, kämpft aber mit den Auswirkungen der veränderten US-Klimapolitik.
Ein geplantes Großprojekt in Louisiana, das mit 50 Millionen Dollar US-Regierungsförderung und der Aussicht auf weitere 500 Millionen Dollar ausgestattet war, steht aufgrund der politischen Unsicherheit auf der Kippe. Zusätzlich kämpft das Unternehmen mit technischen Herausforderungen: Die „Mammoth“-Anlage in Island sollte jährlich 36.000 Tonnen CO₂ einfangen, schaffte im ersten Betriebsjahr jedoch nur etwa 105 Tonnen.
Biotechnologie-Startup Arkeon meldet Insolvenz
Auch in Österreich gibt es derweil schlechte News von der CleanTech-Front: Das Wiener Biotechnologie-Startup Arkeon meldete am Donnerstag Insolvenz an. Das 2021 gegründete Unternehmen hatte sich auf die Gasfermentation spezialisiert und CO₂ mithilfe von Archaeen in Aminosäuren umgewandelt. Trotz einer erfolgreichen Finanzierungsrunde von 10 Millionen Euro im Jahr 2022 konnte das Unternehmen die Herausforderungen bei der kommerziellen Skalierung nicht bewältigen.
Strukturelle Herausforderungen der Branche
Die aktuellen Entwicklungen verdeutlichen mehrere strukturelle Probleme der CleanTech-Industrie:
- Kapitalintensive Skalierung: Der Übergang von der Technologieentwicklung zur industriellen Produktion erfordert massive Investitionen, die sich oft als schwer refinanzierbar erweisen. Bedeutet unterm Strich für viele: Ihnen geht das Geld aus, sie müssen zusperren oder restrukturieren
- Politische Abhängigkeit: CleanTech-Unternehmen sind stark von staatlichen Förderungen und politischen Rahmenbedingungen abhängig, was sie anfällig für Politikwechsel macht. Der Wechsel von Biden zu Trump ist dramatisch für die Branche, die unter dem IRA noch florierte
- Technische Komplexität: Viele CleanTech-Lösungen erweisen sich in der Praxis als komplexer und störanfälliger als in der Entwicklungsphase antizipiert.
Warum CleanTech überleben kann
Trotz der aktuellen Turbulenzen sehen manche Branchenexperten die CleanTech-Industrie keineswegs am Ende. Globale Investitionen in saubere Technologien sollen bis 2025 auf 670 Milliarden Dollar ansteigen und damit erstmals die Ausgaben für fossile Brennstoffe übertreffen. Der Rückgang der Venture Capital-Finanzierung reflektiert laut Analysten primär makroökonomische Faktoren wie höhere Zinssätze und nicht eine fundamentale Abkehr von der Branche. Gleichzeitig treiben drastisch gesunkene Kosten für Schlüsseltechnologien wie Lithium-Ionen-Batterien die Branche voran, während KI-gestützte Energiemanagement-Lösungen und fortschrittliche Speichertechnologien neue Effizienzpotenziale erschließen.
Die wachsende Stromnachfrage durch Elektrifizierung schafft zusätzliche Marktchancen für CleanTech-Unternehmen. E-Fahrzeuge, KI-Rechenzentren und industrielle Elektrifizierungsprojekte generieren eine starke Nachfrage nach erneuerbaren Energiequellen und intelligenten Netzlösungen. Parallel dazu intensivieren sowohl private Unternehmen als auch Regierungen ihr Engagement: Konzerne schließen langfristige Verträge für CO₂-Entfernung ab, während staatliche Investitionen in Carbon Capture und verwandte Technologien erheblich ausgeweitet werden.
Investoren wie Radix Ventures setzen dabei auf einen strategischen Ansatz, der Unternehmen mit klarem wirtschaftlichem Wert und Marktreife priorisiert. Es gebe eine Entwicklung hin zu marktgetriebenen statt rein regulatorisch motivierten Geschäftsmodellen. Das wird als Zeichen für die zunehmende Reife der Branche gewertet – nicht für ihren Niedergang.