Analyse

Daten zum Weltfrauentag 2024: Österreichs Frauen noch weit entfernt von Gleichstellung

Am 8. März 2024 ist Weltfrauentag. Ein Grund, um die Lupe genauer hinzuhalten und sich die Lage für Frauen in der österreichischen Wirtschaft anzusehen. © Mastercard
Am 8. März 2024 ist Weltfrauentag. Ein Grund, um die Lupe genauer hinzuhalten und sich die Lage für Frauen in der österreichischen Wirtschaft anzusehen. © Mastercard
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Anlässlich des internationalen Frauentages 2024 liegen zahlreiche Studien, Erkenntnisse und Meinungen vor. KSV1870, DataScientest, McKinsey, Mastercard, PwC, EY, Erste Bank und viele mehr beleuchten in ihren Reports, wo Frauen 2024 in der österreichischen Wirtschaft stehen. Diese verdeutlichen, in welchen Bereichen in Österreich noch Aufholbedarf herrscht, um Geschlechtergleichstellung zu erreichen. Schreiten die Entwicklungen im selben Tempo wie bisher voran, wird die Lohngleichheit laut UN Women zwischen Mann und Frau erst 2069 erreicht – dabei ist der Gender Pay Gap nicht das einzige Problem. Die gute Nachricht: Die Lage ist nicht aussichtslos. 

KSV1870: Anteil an „Female Founders“ in Österreich geht zurück

Anlässlich des internationalen Frauentages am 8. März hat der österreichische Kreditschutzverband eine Analyse veröffentlicht, die zeigt: Die Zahl der Gründerinnen in Österreich geht seit 2019 zurück. Waren es in dem Jahr noch 26 Prozent der neu gegründeten protokollierten Firmen, die von Frauen gegründet oder mitgegründet wurden, so waren es 2023 nur noch 25 Prozent. Zwölf Prozent wurden ausschließlich von Frauen gegründet, weitere dreizehn Prozent von Frauen und Männern gemeinsam. Auch der Anteil an weiblichen Führungskräften im Top-Management stagniert. Ein geringes Plus gibt es immerhin bei den Aufsichtsrätinnen – sie sind von 19 auf 23 Prozent gestiegen.

DataScientest und McKinsey: Women in Tech immer noch unterrepräsentiert

Dass die Tech-Branche noch mehr Frauen vertragen könnte, belegt eine aktuelle Analyse von McKinsey 2023: Der Anteil von Frauen in Tech-Rollen liegt in Europa insgesamt bei 22 Prozent. Im Bereich DevOps und Cloud sind Frauen aktuell nur mit einem Anteil von acht Prozent vertreten. Doch besteht laut dem Bildungsinstitut DataScientest Hoffnung auf baldige Besserung, zumindest im Bereich der Datenwissenschaften. Untersucht wurde das Geschlechterverhältnis von vier führenden Data-Science-Kursen des Instituts DataScientest in Deutschland. Die Frauenquote ist dabei ausgeglichener als in anderen europäischen Ländern mit denselben Kursen. Die Kurssparte Data Analytics wird sogar von 50 Prozent Frauen besucht. Laut McKinsey würde eine Verdopplung des Frauenanteils in der Tech-Branche von den aktuellen 22 auf 45 Prozent bis 2027 das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Europa um bis zu 600 Milliarden Euro erhöhen. 

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Mastercard Finanzstudie: Nur ein Viertel der Österreicherinnen fühlt sich fair entlohnt

Zum Thema Finanzinklusion wurden 12.000 Frauen und Männer aus europäischen Ländern befragt: Nur 26 Prozent der Frauen in Österreich denken, dass sie die gleiche Entlohnung und gleich gute Pensionsregelungen wie ihre männlichen Kollegen erhalten. Mehr als jede vierte Österreicherin fühlt sich in ihrer finanziellen Unabhängigkeit durch den geschlechterspezifischen Einkommensunterschied eingeschränkt. Damit sind sie in Europa nicht alleine, denn 28 Prozent der europäischen Frauen sehen das genauso. Laut UN Women wird die Lohngleichheit weltweit bei den derzeitigen Entwicklungen erst 2069 erreicht. Mastercard selbst will den Gender Pay Gap im eigenen Unternehmen bereits geschlossen haben, denn laut einer Aussendung verdienen Frauen und Männer für denselben Job am selben Karrierelevel gleich viel. Auch spannend: 28 Prozent der Frauen nutzen soziale Medien für ihre finanzielle Weiterbildung –  TikTok wird als Finanzinformationsquelle skeptisch gesehen. Künstliche Intelligenz scheint beim Thema Finanzberatung noch nicht angekommen zu sein, denn nur vier Prozent nutzen digitale oder KI-Vermögensberater. Bei den Männern sind es acht Prozent. 

PwC Women in Work Index: Frauen verdienen um 19 Prozent weniger als Männer

Die Unternehmensberatung PwC hat den globalen Fortschritt bei der Erreichung von Geschlechtergleichstellung am Arbeitsplatz untersucht. Das Fazit: Österreich belegt im internationalen Vergleich wie im Vorjahr nur Platz 26 und zählt damit zu den Letztplatzierten. Aus dem Women in Work Index 2024 gehen Luxemburg, Island und Slowenien als Spitzenreiter hervor, während es hierzulande nur langsam vorangeht. Frauen verdienen demnach in Österreich um 19 Prozent weniger als Männer. Als zentraler Faktor für den Gender Pay Gap wird das Thema der Kinderbetreuung angegeben. Auch die Männer wurden befragt: Insgesamt sind 68 Prozent der Österreicher:innen der Meinung, dass Männer und Frauen für gleichwertige Arbeit nicht gleichwertig bezahlt werden. Den Ergebnissen nach dauert es noch mehr als 50 Jahre, bis die geschlechterspezifische Lohnschere in allen 33 OECD-Ländern geschlossen ist. 

Trade Republic und saint sass: „RETIRE RICH“-Kampagne, um auf den Gender Pension Gap aufmerksam zu machen

Trade Republic und das Berliner Strumpfhosen-Label saint sass kooperieren zum Weltfrauentag und wollen gemeinsam auf die private Altersvorsorge aufmerksam machen und Frauen zum Investieren ermutigen. Denn: Etwa jede vierte alleinstehende Frau in Österreich über 65 Jahren läuft Gefahr, in Altersarmut leben zu müssen. Dabei zeigen die Trade Republic-Daten, dass Frauen im Jahr 2023 am Kapitalmarkt im Schnitt eine um 2 Prozent höhere Rendite pro Jahr erzielen als Männer. Grund dafür sei ein diverser Portfolio und eine um 23 Prozent stärkere Gewichtung von ETFs. Und obwohl Frauen langfristiger, diversifizierter und regelmäßiger investieren als Männer und sogar höhere Renditen erzielen, gibt es eine Downside: Frauen beginnen durchschnittlich zwei Jahre später anzulegen und starten mit 30 Prozent weniger Kapital als männliche Anleger.

EY Female Startup Funding Index: Frauen erhalten weniger Investments

Während sich das in Startups investierte Volumen 2023 im Vergleich zu den beiden Vorjahren reduzierte, änderte sich bei der Diversität von Founding Teams mit abgeschlossener Finanzierungsrunde wenig. Laut EY fließen Investments in Österreich hauptsächlich in von Männern gegründete Startups. In anderen Worten: Neun von zehn in Österreich investierte Euros gehen an rein männliche Gründungsteams. Nur bei 16 Prozent der Finanzierungsrunden ist zumindest eine Frau im Gründungsteam vertreten – das ist weniger als im Vorjahr. Für rein weibliche Founding Teams gab es im ersten Halbjahr 2023 nur drei Finanzierungsrunden, was rund zwei Prozent entspricht. Und obwohl der Neugründungsanteil von Female Startups in Österreich bei 36 Prozent liegt, erhielten 2023 nur 16 Prozent von ihnen Investments. Dabei gibt es laut Florian Haas, Head of Startup bei EY Österreich, viele Studien, die zeigen, dass gemischte Teams wirtschaftlich erfolgreicher sind, höhere Umsätze erzielen und die zufriedeneren Mitarbeiter:innen haben.

Aktienbarometer 2024: Frauen zeigen große Lücke bei privater Vorsorge 

Finanzielle Bildung ist zwar ein Thema, bei dem die gesamte Gesellschaft Aufholbedarf hat, Frauen haben aber laut der Studie von Aktienforum, Industriellenvereinigung und Wiener Börse ein besonders hohes Defizit. Sie schätzen ihr vorhandenes Finanzwissen deutlich schlechter ein dies Männer tun. 77 Prozent gaben an, aufgrund von mangelndem Finanzwissen von einer Wertpapier-Veranlagung abzusehen. Die Zahlen aus der Praxis sprechen für sich: 19 Prozent der Frauen investieren in Wertpapiere, bei den Männern sind es mit 36 Prozent fast doppelt so viele. Fakt ist, nicht nur fehlendes Finanzwissen ist Grund für die Unterschiede in der langfristigen Vorsorge. Oft haben Frauen nicht genügend finanzielle Mittel, um Gelder anzulegen. Laut dem Aktienbarometer 2024 ist dies für 73 Prozent der Frauen der zweithäufigste Grund für einen Investmentverzicht. 

Erste Bank sieht veraltete Rollenbilder bei Finanzen und in der Partnerschaft

Die Erste Bank und Sparkasse sieht weiterhin große finanzielle Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Hervorgehoben werden veraltete Rollenbilder bei Finanzen in der Partnerschaft aber auch generell. 70 Prozent der 1000 Befragten beiden Geschlechts haben angegeben, die Erledigung von Dingen des alltäglichen Bedarfs sei Frauensachen. Laut der Umfrage sorgt nur knapp ein Drittel der Frauen für das Alter vor. Zum Sparverhalten der Österreicher:innen: Sparkonten sind bei Frauen und Männern gleichermaßen beliebt, doch Männer nutzen vermehrt alternative Veranlagungsformen wie beispielsweise Wertpapiere, Gold oder Kryptowährungen. „Auch hier spielt die Einkommensdifferenz eine Rolle. Wer mehr zur Verfügung hat, kann diversifizierter veranlagen“, so die Vorstandsvorsitzende der Erste Bank Österreich, Gerda Holzinger-Burgstaller. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, hat die Erste Bank die Finanzbildungsinitiative „she invests” gestartet, bei der Frauen von Expertinnen Tipps zu Themen wie Budgetierung, Sparen oder Veranlagung und Vorsorge erhalten. 

Fazit: Geschlechtergerechtigkeit als multidimensionale Herausforderung

So. Und was sagen uns diese ganzen Negativnachrichten am Weltfrauentag nun? Was soll man damit anfangen? Nun, erst mal werden sich Missstände niemals ändern, wenn man sie nicht aufzeigt. Themen wie diese müssen in den Medien weiterhin präsent sein, Anerkennung in der Politik, in der Wirtschaft und in den Köpfen der Menschen finden – und noch viel wichtiger: Lösungen sind gefordert. CEO der KSV1870 Holding AG Ricardo-José Vybiral, sagt zu den ganz oben vorgestellten Analyse-Ergebnissen seines Kreditschutzverbandes: „Es wird viel geredet, operativ scheint aber alles beim Alten zu bleiben.“ Er sei davon überzeugt, dass durch die fehlenden Frauen im Top-Management wertvolles Know-how verloren geht. Zudem müssen technische Berufe für Frauen noch attraktiver gestaltet werden. Das Bildungsinstitut DataScientest betont die entstehenden Karrierechancen in- und außerhalb der Tech-Branche für Frauen, wenn sie sich (auch im fortgeschritteneren Alter) Wissen in Disziplinen wie Data Science aneignen. 32 Prozent der Frauen in Österreich haben laut der Mastercard-Finanzstudie Angst, offen über ihre Finanzen zu sprechen. Das ist etwas, das sich leicht ändern lässt – aber nur durch die Frauen selbst, denn über die eigenen Finanzen zu sprechen ist der erste Step, um den eigenen Finanzhorizont zu erweitern. Agatha Kalandra, Vorstandsmitglied und Markets Lead bei PwC Österreich, bezeichnet den 26. Platz im internationalen Vergleich der Geschlechtergleichstellung am Arbeitsplatz als „nicht erfreulich” und hebt hervor, dass andere Länder schneller und effizienter dagegen vorgehen. „Die Ergebnisse verdeutlichen aber ganz klar, dass der Fortschritt hierzulande unzureichend ist”, sagt sie.

Da das Kinderbetreuungsthema ebenso einen zentralen Faktor für den Gender Pay Gap darstellt, sind in diesem Bereich politische Lösungen, wie etwa ein niederschwelligerer Zugang zu Betreuungsmöglichkeiten gefordert. Vybiral vom KSV1870 findet weitere passende Worte: „Was ich sehr wohl höre, ist, dass gerade Frauen mit Kindern von einem inner- und außerfamiliären Supportsystem abhängig sind. Weist es Lücken auf, werden Frauen schnell ausgebremst.“ Manchmal führt ein Problem zum nächsten, aber so ist das auch oft mit den Lösungen. Frauen leisten 40 Prozent mehr an unbezahlter Care Arbeit – wirkt man hier entgegen, so werden wir auch mehr weiblich besetzte Führungspositionen mit (hoffentlich) höheren Gehältern sehen. Diese wiederum können (alternativ) angelegt werden, und wer weiß, vielleicht gründen durch bessere finanzielle Bedingungen auch wieder mehr Frauen, die wiederum von anderen Frauen Investments für ihre Businesses erhalten. Denn Valerie Hengl, CEO bei den Female Founders, weiß: „Männliche Investoren sind auch geneigt dazu, in männliche Startup-Teams zu investieren – einfach, weil sie sich damit besser identifizieren können.” Fest steht, ein echter Change kann nur gelingen, wenn die Rahmenbedingungen hinterfragt und tatsächlich angepasst werden.

Female Founders Führungswechsel: Valerie Hengls Fokus liegt auf Startups in der Pre-Seed- und Seed-Phase

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