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Distributed Content bei Apple, Facebook und Snapchat: „Fischen, wo die Fische sind“

National Geographic setzt auf Facebooks Reichweite. © Facebook
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Der brandaktuelle „Digital News Report 2015“ vom Reuters Institute der renommierten britischen Universität Oxford liefert frisches Zahlenmaterial zu digitalem News-Konsum: Die Befragung von 20.000 Konsumenten von Online-News in zwölf Ländern (unter anderem USA, Großbritannien, Irland, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien) zeigt unter anderem, dass mittlerweile 45 Prozent zwei oder mehr Internet-fähige Geräte pro Woche nutzen, um Nachrichten zu lesen beziehungsweise zu sehen, 25 Prozent bezeichnen ihr Smartphone mittlerweile als primären ­Zugangspunkt zu News (74 Prozent lesen nach wie vor eine Zeitung beziehungsweise ihre Online-Ausgabe, 89 Prozent nutzen Radio, TV oder ­deren Onlineportale).

Was Medienhäuser allerdings schmerzt: Zwar sagen 70 Prozent, dass sie sich auf ihrem Smartphone eine News-App installiert haben, aber nur ein Drittel nutzt diese auch regelmäßig. Wo also stoßen sie stattdessen auf die Inhalte der Verlage?

Plattform-Ökonomie

Auch darauf hat der „Digital News Report 2015“ eine Antwort. Facebook spielt mittlerweile eine besondere Rolle beim Nachrichtenkonsum: 41 Prozent sagen, dass sie das Social Network mindestens einmal pro Woche besuchen, um dort Nachrichten zu finden. Für Nutzer zwischen 18 und 24 Jahren werden zudem Apps wie WhatsApp, Instagram, Snapchat und Tumblr zu immer wichtigeren News-Portalen, weswegen Onlinemedien dort mit Links zu ihren Inhalten immer präsenter werden (derstandard.at etwa zählt 10.000 WhatsApp-Abonnenten).

Doch bei Verweisen von ­diesen Plattformen auf ihre eigenen Webseiten beziehungsweise eigenen News-Apps soll es nicht bleiben. Facebook hat für sein „Instant Articles“-Programm gewichtige Partner wie Bild, Spiegel Online, New York Times oder The Guardian gefunden, die in der Smartphone-App komplette, attraktive Artikel veröffentlichen, damit sich die Nutzer nicht mehr von Facebook zu einer externen Webseite durchklicken müssen. Facebook, das in puncto News in der Vergangenheit einige Fehler machte (Stichwort „Social Reader“), gibt seinen Partnern nicht nur die Möglichkeit, Leserdaten zu tracken, sondern überlässt ihnen auch 100 Prozent der Werbeeinnahmen, wenn sie die Artikel selbst vermarkten (vermarktet Facebook, bekommt das Medienhaus 70 Prozent der Werbeerlöse).

Wie frei der Journalismus auf Facebook sein kann, bleibt abzuwarten. Medien müssen sich an die Richtlinien des Social Network halten, andernfalls kann der Content gelöscht werden, hat Facebook-Produktchef Chris Cox kürzlich klargemacht. In der Vergangenheit haben diese Richtlinien immer wieder für Kontroversen gesorgt – etwa, wenn Bilder von stillenden Müttern gelöscht wurden. Kritiker sprechen bereits von der „Privatisierung der Meinungsfreiheit“.

Apple News ante portas

Auch Apple setzt ab Herbst 2015 voll auf „Distributed Content“: Die neue App „News“, die vorerst in den USA, Großbritannien und Australien startet, wird automatisch auf Hunderten Millionen iOS-Geräten installiert und soll reichhaltigen Content von 20 Partnern wie New York Times, Condé Nast, CNN oder The Economist bieten. Der iPhone-Konzern bietet mit dem „Apple News“-Format die Möglichkeit, die Medieninhalte für Mobilgeräte zu optimieren und sucht derzeit Redakteure, die als Kuratoren für die User, denen ein personalisiertes News-Erlebnis versprochen wird, fungieren.

Apple will den Lesern eine Auswahl von Inhalten zu mehr als einer Million Themen bieten und die User Experience stark an die Interessen des Nutzers binden. Die Vielzahl der Inhalte schafft Apple, weil es via RSS-Feeds automatisch Content von Medienseiten und Blogs in die App schaufeln kann. Und das ist Geschmackssache: Während sich die einen über die neue Reichweite freuen, ärgern sich andere, weil sie ein „Opt-out“ machen müssen, wenn sie nicht in der News-App auftauchen wollen.

Das Geschäftsmodell hinter Apple News ist noch nicht offiziell verkündet worden, kann sich aber in zwei Richtungen entwickeln: Kostenlose Artikel könnten mit iAd-Werbung veredelt werden, und Apple könnte sich nach dem mittlerweile markt­üblichen Revenue Share von 30:70 die Einnahmen mit den Publishern teilen. Und Apple könnte Paid Content vorantreiben: Mehr als 800 Millionen Menschen haben einen iTunes-Account, die Mehrheit hat Zahlungs­daten hinterlegt. In der News-App wäre es somit einfach möglich, Abos abzuschließen oder einzelne Artikel zu kaufen. Was in den Hintergrund rücken wird: Apps von Verlagen, die ihre PDFs auf Smartphone und Tablet verkaufen wollen.

Snapchat mischt Medieninhalte mit Videowerbung

Ein vor allem in den USA wichtiger Player in punkto „Distributed Content“ ist Snapchat. Im Discover-Bereich seiner Gratis-App gibt es Inhalte (vor allem Video, aber auch Text) von Medien wie Vice, National Geographic, MTV oder CNN zu sehen. Zwischen diese Inhalte, durch die der User mit Swipe-gesten navigiert, will Snapchat Video-Ads mischen. Wenn der Publisher die Werbung verkauft, bekommt er 70 Prozent der Erlöse, wenn Snapchat vermarktet, werden die Einnahmen 50:50 geteilt.

Nach einem anfänglichen Boom nach dem Discover-Start im Jänner sind die Zugriffszahlen auf die Medieninhalte aber je nach Kanal zwischen 30 und 50 Prozent gefallen. Wohl auch deswegen wollen die Macher der Messaging-App die Werbevideos auch unter die „Storys“ mischen, wo Nutzerinhalte von bestimmten Veranstaltungen zu längerem Videos zusammengestoppelt werden. Im Rahmen des Werbefestivals in Cannes hat Snapchat verkündet, gemeinsam mit WPP und Daily Mail eine gemeinsame Werbeagentur namens Truffle Pig gegründet zu haben.

Pro und Kontra

„Der Bereich des Distributed Content wird sicher weiter wachsen, vor allem, weil die Leute Inhalte so konsumieren wollen“, sagt George Nimeh, Chief Digital Officer beim Kurier. „Auf der einen Seite kann man über die Plattformen von Facebook, Apple oder Snapchat seine Reichweite erhöhen, auf der anderen Seite stellt sich aber die große Frage, ob man so Daten und die redaktionelle Kon­trolle verliert.“

Welche News der ­Nutzer bei Apple oder Facebook sieht, entscheiden auch Algorithmen, die vom Leserverhalten lernen. „Die Tech-Giganten haben verstanden, dass Publisher damit kämpfen, ein funktionsfähiges Geschäftsmodell auf Mobile zu finden, und sehen, dass Nutzer hungrig nach mobilem Content sind.“ Inhalte bei Facebook oder Apple auszulagern, sei auch für österreichische Medien zumindest eine Überlegung wert. „Man muss dort ­fischen, wo die Fische sind.“

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