Kommentar

E-Fuels sind eine typische europäische Fail-Story

eFuels-Anlage von Porsche in Chile. © Porsche AG
eFuels-Anlage von Porsche in Chile. © Porsche AG
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Da können die Forscher:innen noch so viel rechnen und nachweisen, wie so wollen, wenns um die hohe Politik, das große Business und Porsche geht, dann gelten eben andere Regeln. Nach intensivem Lobbying ist es tatsächlich unter kräftiger Mithulfe aus Deutschland und Österreich gelungen, ein ziemlich großes Loch ins „Verbrenner-Verbot“ in der EU ab 2035 zu schlagen. Denn auch nachher sollen Autos mit Verbrennungsmotoren verkauft werden dürfen, solange man nur einen vermeintlich tollen synthetischen Kraftstoff namens E-Fuel tanken kann.

Toll, denkt man sich. Einfach mal das böse CO2 aus der Luft filtern, mit Wasser mischen, bisserl Strom dazu, und schups ist er fertig, der supergrüne Benzin-Ersatz. Dann können Porsche, Daimler, BMW und Volkswagen weiter ihre Verbrennungsmotoren bauen und verkaufen, und der Invasion der E-Autos samt dem ganzen Rattenschwanz an Akkutechnologie- und Rohstoffen wird ein europäischer Riegel vorgeschoben. Besser Technologie-offen bleiben, anstatt sich von der einen Abhängigkeit (Öl-reiche Länder) in die andere Abhängigkeit (Akku-reiche Länder) zu begeben. CO2, Wasser und Strom gibts schließlich überall, um sie zu E-Fuels zu mixen. Theoretisch zumindest.

Forscher: E-Fuels für PKW und LKW „wirtschaftlich und ökologisch nicht zielführend“

„Wirtschaftlich und ökologisch nicht zielführend“

Leider hat die Sache einen Haken. E-Fuels sind ineffizient und teuer, und niemand, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, glaubt daran, dass mehr als ein paar Luxus-Sportautos damit nach 2035 durch die Gegend fahren werden. Das renommierte Fraunhofer-Institut nannte E-Fuels in einer neuen Studie „wirtschaftlich und ökologisch nicht zielführend“. Bereits 2021 wies das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung darauf hin, dass die Nutzung von Elektrizität, zum Beispiel in Elektroautos oder Wärmepumpen, wirtschaftlich sinnvoller sei; der Umweg über E-Fuels würde keinen Sinn machen.

Hier ein paar Facts zu E-Fuels:

  • Autos, die mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) betrieben werden, verursachen während der gesamten Lebensdauer im Vergleich zu herkömmlichen Benzin- oder Dieselfahrzeugen nur für minimale Einsparungen an CO2-Emissionen (Quelle: Transport and Environment, T&E)
  • Ein Elektrofahrzeug verursacht 53 Prozent weniger CO2-Emissionen als ein Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen (Quelle: Transport and Environment, T&E)
  • Die direkte Elektrifizierung ist bis zu fünfmal effizienter auf die Stromnutzung bezogen im Vergleich zu E-Fuels (Quelle: Fraunhofer)
  • Mit E-Fuels verbraucht ein Pkw mit Verbrennungsmotor fünfmal mehr Energie als ein Elektroauto (Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung)
  • Der Wirkungsgrad bei E-Fuels liegt bei nur 10 bis 15 Prozent, bei Elektroautos bei bis zu 80 Prozent
  • Der Bedarf an erneuerbarer Energie für die Produktion ist höher, als würde der Strom direkt zum Laden eines E-Autos verwendet (Quelle: ADAC)
  • E-Fuels, wie sie Porsche heute in Chile produziert, kosten 10 Euro pro Liter (mehr dazu hier)

EU-Kommission will Verbrennermotoren mit E-Fuels auch ab 2035 erlauben

Also, warum genau soll die EU nochmal auf E-Fuels setzen? Wo doch außer Porsche kein großer Autokonzern, weder in den USA, noch in Asien, noch in Europa außerhalb Deutschlands, auf E-Fuels setzt? Klar werden von Befürworter:innen einige Argumente ins Feld geführt, die da wären:

  • Synthetische Kraftstoffe können bestehende Infrastruktur nutzen (Tankstellen, Tankwägen, Motoren, Heizanlagen, usw.)
  • Bestehende Autos, die es ja nach 2035 auch gibt, sollen die Möglichkeit bekommen, CO2-ärmere Kraftstoffe zu tanken
  • Der Preis für E-Fuels soll bis Ende des Jahrzehnts auf weniger als zwei Euro pro Liter gesenkt werden können, sollten Anlagen mit großen Produktionskapazitäten gebaut werden
  • eFuels gelten als klimaneutral, weil bei der Nutzung keine zusätzlichen Treibhausgase entstehen, so lange recyceltes CO2 für die Produktion und erneuerbare Energien verwendet werden
  • Nicht alle können sich E-Autos leisten und brauchen einen synthetischen Kraftstoff, um die alten Verbrenner klimaneutral fahren zu können

Was machen wir bloß bei Dunkelflaute?

Aber sind E-Fuels nun wirklich ein Standortvorteil, den sich Europa durch den Erhalt der vielfach beschworenen Technologie-Offenheit bewahrt? Oder kommen die E-Fuels dann doch wieder aus anderen Weltregionen? Porsche etwa baut seine erste E-Fuels-Anlage an der Südspitze Südamerikas – weil dort so viel Wind weht und man so den grünen Strom bekommt, der das E-Fuels-Gemisch CO2-neutral machen soll. „Sonnen- und windreiche Gebiete der Erde können erneuerbare Energien in großer Menge erzeugen und dementsprechende Mengen an eFuels produzieren“, heißt es seitens der eFuel Alliance Austria – also der Interessenvertretung der E-Fuel-Branche, die ÖAMTC, AVL, Adamol, KTM und WKÖ unterstützt wird.

Diese Katen zeigen, dass Zentraleuropa nicht unbedingt der beste Standort für Solar- und Windenergie ist, andere Weltregionen sind da deutlich besser geeignet, um E-Fuels-Anlagen im großen Stil mit Grünstrom zu versorgen:

Weltkarte für Solarstandorte. © © 2020 The World Bank, Source: Global Solar Atlas 2.0
Weltkarte für Solarstandorte. © © 2020 The World Bank, Source: Global Solar Atlas 2.0
Weltkarte für Windkraftstandorte. © globalwindatlas.info
Weltkarte für Windkraftstandorte. © globalwindatlas.info

Aber es ist nicht nur das, auch das verwendete CO2 muss wirklich recycelt sein – also etwa durch Direct Air Capture (DAC) eingefangen worden sein, und das braucht dann wieder Strom. Wer also E-Fuels will, der muss auch „Ja!“ zu riesigen Wind- und Solarkraftanlagen und zu riesigen Carbon-Capture-Anlagen sagen. Und ob Europa dafür bereit ist, das darf bezweifelt werden. Gerade die Autoindustrie ist das Musterbeispiel für Offshoring – also der Produktion in anderen Ländern mit günstigeren Bedingungen.

Treibstoff für Porsche-Fahrer:innen: eFuels kosten heute fast 10 Euro pro Liter

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