Energiepreise: Was passiert, wenn der Iran die Straße von Hormus sperrt?

Es ist aktuell die ganz große Frage im Krieg Israels und der USA gegen den Iran: Wird der Iran die wichtige Straße von Hormus sperren? Nachdem das iranische Parlament eine Maßnahme zur Schließung dieser strategisch wichtigen Meerenge gebilligt hat, bedarf es nur noch der Zustimmung des Obersten Nationalen Sicherheitsrats des Irans. Er würde damit den Konflikt weiter eskalieren, weil dann ein drastischer Anstieg der Öl- und Erdgaspreise folgen könnte.
Die Meerenge zwischen dem Iran und Oman misst an ihrer engsten Stelle nur 29 Seemeilen (ca. 54 Kilometer) und fungiert als eines der kritischen Nadelöhre (neben dem Suez-Kanal, dem Panama-Kanal oder der Straße von Malakka) für den globalen Energiehandel. Durch diese Passage werden täglich rund 33 Millionen Barrel Rohöl transportiert, was etwa 20 Prozent des weltweiten Ölhandels entspricht. Zusätzlich passiert ein Fünftel des globalen Flüssiggashandels diese Route.
Die Meerenge verbindet den Persischen Golf mit dem Golf von Oman und dem Arabischen Meer. Mehrere bedeutende Ölproduzenten – darunter Saudi-Arabien, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, der Irak und Bahrain – sind auf diese Route als einzige direkte Verbindung zum Weltmarkt angewiesen.
Wie wichtig die Straße von Hormus ist, zeigt auch Folgendes: Die U.S. Energy Information Administration (EIA) bezeichnet sie als den „weltweit wichtigsten Ölsperrpunkt“.
Kurzfristige Preiseffekte
Bereits die Androhung einer Blockade hat zu spürbaren Preisanstiegen geführt. Der Brent-Ölpreis stieg seit Anfang Juni von 67 auf 77,40 Dollar pro Barrel. Die Citigroup prognostiziert bei einer tatsächlichen Sperrung einen Anstieg auf etwa 90 Dollar pro Barrel – ein Aufschlag von 13 Dollar zum aktuellen Preis.
Goldman Sachs warnt vor einem extremeren Szenario: Bei einer längeren Schließung könnten die Preise weit über 100 Dollar pro Barrel steigen. ING-Analysten sehen sogar Preise von bis zu 120 Dollar pro Barrel als möglich an, da sich der größte Teil der OPEC-Reservekapazitäten im Persischen Golf befindet und unter solchen Bedingungen nicht mehr zugänglich wäre.
Europa müsste mit steigenden Öl- und LNG-Preisen rechnen
Die Preissteigerungen erreichten etwa deutsche Verbraucher bereits an den Tankstellen. Super E10 kostete am Sonntagmorgen 1,749 Euro pro Liter, verglichen mit 1,668 Euro am 10. Juni. Diesel stieg von 1,550 auf 1,639 Euro. Auch Heizölpreise reagierten deutlich: Während 100 Liter im Mai noch rund 87 Euro kosteten, sind es aktuell bereits 94 Euro.
Josef Baumgartner, vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) warnt vor inflationären Auswirkungen: Eine Blockade könnte die Inflation in Österreich bis auf fünf Prozent treiben – ähnliche Szenarien sind für Deutschland zu erwarten. Besonders Haushalte mit niedrigem Einkommen würden überproportional von steigenden Heiz- und Energiekosten betroffen. Klarerweise würde es auch wieder die energieintensive deutsche Industrie besonders hart getroffen. Deren Wettbewerbsfähigkeit ist durch bereits hohe Produktionskosten ohnehin geschwächt.
Neben der Frage des Ölpreises ist auch LNG ein Thema. Bei einer Schließung geriete auch die Flüssiggasversorgung in Gefahr. Katar, der weltweit drittgrößte LNG-Exporteur, verschifft jährlich mehr als 100 Milliarden Kubikmeter durch die Meerenge – etwa ein Fünftel des internationalen LNG-Handels. Da Europa seit dem Russland-Ukraine-Krieg verstärkt auf LNG angewiesen ist, würden sich Störungen besonders stark bemerkbar machen.
Kann der Iran die Straße von Hormus militärisch sperren?
Im kriegerischen Austausch mit Israel und den USA sieht das iranische Militär derzeit sehr schwach aus – im Luftraum über dem Land können Israel und die USA offenbar mittlerweile ungehindert operieren und ihre Ziele angreifen. Aus militärischer Sicht sind die Fähigkeiten des Iran am Meer aber nicht zu unterschätzen. Ihre Verbündeten, die Huthis im Jemen, haben bereits gezeigt, dass sie etwa auch der US-Marine deutliche Schwierigkeiten machen kann.
Der Iran selbst ist deutlich stärker gerüstet als die Huthis und verfügt über verschiedene Optionen zur Sperrung der Meerenge:
- Verminung der Durchfahrt
- Raketenangriffe auf Tanker
- Störung von GPS-Navigationssystemen
- Einsatz von U-Booten und Antischiffsraketen (der Iran hat drei russische U-Boote der Klasse Kelo)
- Abschreckung ziviler Schifffahrt durch Drohungen
Die geografischen Gegebenheiten begünstigen eine Blockade: Die Meerenge ist nur etwa 55 Kilometer breit und in zwei Fahrspuren unterteilt, die jeweils etwa 10 Kilometer breit sind.
Militärische Einschränkungen
Allerdings bestehen erhebliche Zweifel an der iranischen Fähigkeit zur dauerhaften Sperrung. Ein erheblicher Teil der iranischen Luftstreitkräfte wurde durch israelische Angriffe geschwächt bzw. scheinen nicht mehr einsatzfähig. Zudem befindet sich die Fünfte US-Flotte mit ihrer Basis in Bahrain direkt vor Ort und ist speziell dafür ausgerüstet, die freie Schifffahrt zu garantieren.
Die massive militärische Präsenz der USA in der Region – ein zweiter Flugzeugträger traf bereits ein – sowie die Entsendung britischer und EU-Schiffe erschweren eine vollständige Blockade erheblich. Auch hat der Iran schlechte Erfahrungen mit der militärischen onfrontation mit dem Westen auf See: Bei Zusammenstößen mit den USA 1988 verlor der Iran die Hälfte seiner operativen Flotte, 55 iranische Marines wurden getötet.
Rechtliche Aspekte und internationale Reaktionen
Die rechtliche Lage ist komplex: Während das UN-Seerechtsübereinkommen ein Transitdurchfahrtsrecht vorsieht, hat der Iran dieses Abkommen zwar unterzeichnet, aber nie ratifiziert. Teheran erkennt solche Rechte nur für Vertragsstaaten an – die USA gehören nicht dazu.
US-Außenminister Marco Rubio warnte den Iran vor einer Blockade als “wirtschaftlichem Selbstmord” und behält sich Optionen vor, damit umzugehen. Auch andere Länder sollten Maßnahmen in Betracht ziehen, da ihre Wirtschaften stärker betroffen wären als die amerikanische