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FlexKap und Mitarbeiterbeteiligung: Das sagen Startup-Anwält:innen zur neuen Gesellschaftsform

Die FlexKapG wurde von Finanz- und Justizministerium präsentiert. © Trending Topics
Die FlexKapG wurde von Finanz- und Justizministerium präsentiert. © Trending Topics
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Ende Mai hat die Regierung ihre Vorschläge für die flexible Kapitalgesellschaft (FlexKap) vorgelegt. Mit dem Entwurf für das „Gesellschaftsrechts- Änderungsgesetz 2023 (GesRÄG 2023)“ soll eine neue Rechtsform entstehen, die besonders für innovative Startups und Gründer:innen der Frühphase eine „international wettbewerbsfähige Option“ bieten soll. Außerdem geplant ist die Absenkung des gesetzlichen Mindeststammkapitals der GmbH von bisher 35.000 Euro auf 10.000 Euro.

Auch die Übertragung von sogenannten Unternehmenswert-Anteilen soll vereinfacht werden – die Notariatsaktpflicht fällt etwa weg. Die FlexkapG gilt als „Hybridform zwischen der GmbH und der AG“. Das Ausgeben der Unternehmenswert-Anteile soll  vor allem für der Beteiligung von Mitarbeiter:innen dienen (wir berichteten). Die neuen Maßnahmen versprechen viel – doch wie reagieren Expert:innen auf die Vorschläge? Wir haben Jurist:innen mit Spezialisierung auf die Startup-Szene und das Unternehmensrecht zu ihrer Meinung gefragt.

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FlexKap ist „lange erwarteter und notwendiger Schritt“

„Die Einführung der FlexKap sowie die steuerliche Begünstigung von Mitarbeiteranteilen ist ein lange erwarteter und notwendiger Schritt. Die Reform wird die Gründungslandschaft in Österreich wesentlich verändern und den Wirtschaftsstandort nachhaltig fördern. Das Interesse an der FlexKap in der Szene ist sehr groß. Einzelne Punkte des Reformvorschlags sind aber noch mit Hilfe aller Stakeholder zu adjustieren, damit sie in der Praxis auch Durchschlagskraft erzielen“, erklärt Rechtsanwalt Philipp Kinsky.

Er sieht bei den Maßnahmen jedoch auch Raum für Verbesserungen. „Wünschenswert wären weitere Vereinfachungen bei den Formvorschriften – zum Beispiel einfache Schriftform bzw. elektronische Signaturprogramme statt notarieller Dokumentation für Gründungen, Kapitalerhöhungen, Generalversammlungen und Firmenbuchanmeldungen. Englisch als Amtssprache beim Firmenbuch wäre dringend erforderlich, um Mehrkosten bei der Erstellung von gesellschaftsrechtlichen Dokumenten im internationalen Umfeld zu vermeiden“, so Kinsky.

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Nachteil für KMU und Scale-ups durch momentanen Vorschlag

Eine wichtige Maßnahme sind Kinsky zufolge stimmrechtslose Unternehmenswertanteile. Es sollte aber zusätzlich möglich sein, dass Gesellschaften weitere Anteilsklassen mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten schaffen. Ein Problem sei, dass im Steuerrecht ist die Mitarbeiterbeteiligung jetzt recht komplex geregelt ist. Es besteht immer noch ein Unterschied zur Besteuerung der Beteiligungen der Gründer:innen. Es wäre sinnvoll, die Besteuerung gänzlich an die Kapitalertragssteuer mit einem Steuersatz von 27,5 Prozent anzugleichen.

Zudem unterliegt die steuerliche Begünstigung von Mitarbeiterbeteiligungen im bestehenden Entwurf engen Grenzen. Beispielsweise gilt sie nur für Gesellschaften mit maximal 100 Arbeitnehmer:innen und höchstens 40 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Außerdem besteht eine Mindestbehaltefrist (fünf Jahre) und eine Mindestanstellungsfrist (drei Jahre). „Damit sind Scale-ups von der Bestimmung ausgeschlossen und befeuert die Abwanderung schnell wachsender Tech-Player ins Ausland. Eine Anhebung auf 500 Mitarbeiter:innen wäre wünschenswert. Auch begünstigt die Mitarbeiterbeteiligung nur junge Unternehmen, nämlich binnen zehn Jahren nach Gründung“, so Kinsky.

Kinsky sieht im derzeitigen Vorschlag einen Nachteil für KMU gegenüber Startups. „Auch bei KMU stellt sich die Frage, wie Mitarbeiter:innen incentiviert und ans Unternehmen gebunden werden können. Gerade im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel und der geringen Attraktivität Österreichs für ausländische Fachkräfte ist das sehr relevant“, gibt der Rechtsanwalt zu bedenken.

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Reform der GmbH selbst fehlt noch

Martin Winner, Universitätsprofessor für Unternehmensrecht an der WU Wien, sieht den gesellschaftsrechtlichen Vorschlag zwar als Schritt in die richtige Richtung. Doch ihm zufolge ist er in machen Punkten „vielleicht nicht mutig genug“. Steuerrechtlich könne die FlexKap die Mitarbeiterbeteiligung attraktiver machen, insbesondere weil die Besteuerung von dry income bei der Ausgabe von Anteilen vermieden werden kann. „Ich denke schon, dass dies für Unternehmen als Alternative zur klassischen GmbH interessant sein kann, wobei das die Praxis in der nächsten Zeit genauer zeigen wird“, so Winner.

„Was mir fehlt, ist eine Reform der GmbH selbst. Die Vorschläge liegen ausformuliert auf dem Tisch, wurden dann aber zurückgestellt. Das ist deswegen besonders schade, weil diese vorgeschlagenen Neuregelungen auch auf die FlexKapG anwendbar gewesen wären und wesentliche Fallstricke für die Gesellschafter beseitigt hätten, wie zum Beispiel nicht gerechtfertigte Haftungsrisiken. Insofern bleibt die Reform auf halbem Weg stehen“, kritisiert Martin Winner.

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Weiter Kritik an der Notariatsaktform

Silvana Asen, Juristin, beim Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, kommentiert: „In erster Linie begrüßt die österreichische Rechtsanwaltschaft die Modernisierung des Gesellschaftsrechts, auch wenn vieles von dem, was im FlexKapG geregelt werden soll, auch im GmbH-Recht hätte verwirklicht werden können. Eine Flexibilisierung im Gesellschaftsrecht ist vor allem im Interesse der Startups und zur Attraktivierung des Wirtschaftsstandorts wichtig. Da ohnedies nach einigen Jahren evaluiert wird, wird der Markt zeigen, ob die neue Gesellschaftsform angenommen wurde“, so Asen.

Grundsätzlich steht die österreichische Rechtsanwaltschaft der Flexibilisierung im Gesellschaftsrecht positiv gegenüber. Auch Silvana Asen hält den Vorschlag für einen Schritt in die richtige Richtung. „Allerdings hätte man bei dieser Gelegenheit auch den Mut aufbringen können, auch die Gesellschaftsgründung und Änderung des Gesellschaftsvertrags ohne Notariatsaktpflicht zu ermöglichen. Derartige Formvorschriften sind vor allem ausländischen Investor:innen kaum zu erklären“ erläutert die Juristin.

Die Rechtssicherheit und Dokumentation von Verträgen sei auch ohne Notariatsakt sehr gut möglich, etwa durch von Rechtsanwält:innen nach entsprechender Belehrung der Parteien errichtete Urkunden. Positiv seien auch die Regelungen zur Mitarbeiterbeteiligung. Hier wird über die Konstruktion von Unternehmenswertbeteiligungen ein neuer Weg beschritten; allerdings hätte man dafür auch auf das bereits bestehende Mitarbeiterbeteiligungsmodell im Stiftungsrecht zurückgreifen können.

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Mitarbeiterbeteiligung muss flexibler werden

Johannes Reich Rohrwig, Professor am Institut für Unternehmensrecht an der Universität Wien, sieht die Vorschläge positiv. „Sie stellen eine deutliche Verbesserung zur bestehenden Rechtslage dar. Die Flexible Kapitalgesellschaft gibt den Gesellschafter:innen für ihre Kapitalmaßnahmen mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Dies erleichtert auch kompliziertere Kapitalmaßnahmen und solche, an denen sich ausländische Investor:innen beteiligen. Diese sind ja in der Private Equity-Szene dominierend“, erklärt der Experte.

Doch auch Reich-Rohrwig sieht viele ungenutzte Chancen bei der FlexKap. „Der Entwurf für die neue Gesellschaftsform bleibt leider deutlich hinter dem Möglichen zurück. Nicht recht verständlich ist der Schutz des Geschäftes für die Notare, zumal mit der Notariatsaktform zusätzliche Risken der Nichtigkeit des Notariatsakts verbunden sind, die – wenn solche Verträge als Privaturkunden verfasst sind – entfallen. Insofern ist die Lockerung der Formvorschriften für die Übertragung von Geschäftsanteilen als erster Schritt in die richtige Richtung jedenfalls zu begrüßen“, meint der Professor.

Zur Flexibilisierung der FlexKapG empfiehlt Reich-Rohrwig, durchgängig auf die Notariatsaktform zu verzichten. Zumindest sollte die Bestätigung eines Rechtsanwalts als gleichwertige Lösung  gelten. Die Regelungen zur Mitarbeiterbeteiligung sollten ebenfalls flexibler werden. Steuerrechtlich kritisiert der Experte, dass Arbeitgeber:innen für die Einkommensteuer der Arbeitnehmer:innen aus dem Veräußerungsgewinn der Mitarbeiterbeteiligung haften soll. „Das Geld fließt ja nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Arbeitnehmer direkt zu. Diese Haftung des Arbeitgebers gehört daher ersatzlos gestrichen“, so Reich-Rohrwig.

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Verbesserungen waren eigentlich „selbstverständlich“

Keyvan Rastegar, Gründer des Wiener Büros der internationalen Kanzlei RPCK, sieht die Reformen zwar ebenfalls als wichtigen Schritt, jedoch waren die Verbesserungen eigentlich „selbstverständlich“. Der Gründungsprozess hingegen wurde – entgegen der medialen Darstellung – gar nicht verbessert und die zwei Hauptprobleme sind nicht gelöst.

„Das erste Hauptproblem sind die unzähligen notariellen Formvorschriften. Sie sind alle geblieben und nur in zwei beschränkten Fällen, nämlich der Anteilsübertragung und der Übernahmeerklärung ist der Notariatsakt durch eine Anwaltsurkunde ersetzbar. Das ist natürlich keine echte Entbürokratisierung und jetzt man muss selbst diesen kleinen Fortschritt im Begutachtungsprozess verteidigen. Gleichzeitig hat der Tabubruch begonnen und ist richtungsweisend“, so Rastegar.

Zweitens sei das österreichische Gesellschaftsrecht von einschneidenden staatlichen Eingriffen gekennzeichnet, vor allem der sogenannten „materiellen Prüfpflicht“ des Firmenbuchs. Hierbei gibt es gerichtliche Kontrollen für fast jeden unternehmerischen Schritt mit hohen Kosten und langen Verzögerungen. „Hier hat das Justizministerium wenig Interesse daran, ihren Stakeholdern Kompetenzen wegzunehmen, auch wenn das zugunsten der Wirtschaft dringend geboten ist“, erläutert Rastegar.

Das steuerliche Modell sei ein Schritt in die richtige Richtung mit Optimierungsbedarf. „Das Finanzministerium weiß, dass der Steuersatz auf einheitliche 27,5 % geändert, das Programm auf den Mittelstand (vor allem angesichts der bevorstehenden Pensionierungswelle der Baby-Boomer) ausgeweitet und schließlich die Exit- und Mitarbeiterfristen von 5 und 3 Jahren auf maximal 2 und 1 Jahr reduziert gehört“, meint Rastegar abschließend.

Fazit

Ein durchgängiges Motiv bei den Meinungen der Expert:innen zu den Vorschlägen zur FlexKap und der Mitarbeiterbeteiligung ist, dass sie ein Schritt in die richtige Richtung sind. Doch vielen gehen sie nicht weit genug. Speziell der Notariatsakt bedarf den Jurist:innen zufolge eine wesentlich stärkere Reform, viele würden sie sogar komplett abschaffen. Auch die steuerliche Begünstigung von Mitarbeiterbeteiligungen gilt noch als ausbaufähig. Außerdem wird der Wunsch an einer Reform der bestehenden GmbH laut. Auf jeden Fall rechnen die Expert:innen aber damit, dass die neuen Maßnahmen die heimischen Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Österreich stärken werden.

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