Hintergrund

EU-Lieferkettengesetz mit schärferen Regeln für Klimaschutz geplant

Frachter auf Kurs. © Ian Taylor auf Unsplash
Frachter auf Kurs. © Ian Taylor auf Unsplash

Für die einen ist es nicht streng genug und voller Schlupflöcher, für die anderen ein Anlass, um die Lobbying-Maschine anzuwerfen, um es zu entschärfen: Ein geplantes Lieferkettengesetz, das auf den sperrigen Namen „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ (CSDD-Richtlinie) hört, wirft seine Schatten voraus. Ziel ist eigentlich, dass europäische Unternehmen in ihren Wertschöpfungsketten weltweit dafür sorgen müssen, dass Menschenrechts- und Umweltstandards eingehalten werden müssen – und wenn nicht, dann sollen sie für Verstöße büßen.

Am kommenden Mittwoch, dem 9. Februar, wird im ENVI-Ausschuss des EU-Parlaments (zuständig für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) über einen überarbeiteten Entwurf des Lieferkettengesetzes abgestimmt – und solche Abstimmungen können durchaus richtungsweisend sein für die spätere Gesetzgebung. Im Vorfeld ist nun ein Entwurf durchgesickert, der auch Trending Topics vorliegt. Er gibt Einblicke, welche Unternehmen in welchem Umfang betroffen sein werden.

Wertschöpfungskette soll Klima berücksichtigen

Seitens Umwelt- und Klimaschützer:innen wird der nun vorliegende Entwurf sogar als „solider, progressiver Kompromiss“ bezeichnet, und zwar vor allem aus folgendem Grund: Via Artikel 15 werden Unternehmen angehalten, dass „Geschäftsmodell und die Strategie auf den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und auf die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C im Einklang mit dem Pariser Abkommen und dem Ziel der Klimaneutralität ausgerichtet sind“. Sie müssen also dazu beitragen, die EU-Klimaziele für 2030 (55% weniger Treibhausgase im vergleich zu 1990) und 2050 (erster klimaneutraler Kontinent) zu erreichen, und bekommen eine Klimasorgfaltspflicht.

In dem Entwurf ist auch die Rede davon, dass die CSDD-Richtlinie für alle Firmen gelten soll, die mehr als 250 Mitarbeiter:innen bzw. mehr als 40 Mio. Euro Umsatz haben. Das wäre eine deutliche Anhebung, weil zuvor diese Grenze nur für Hochrisiko-Sektoren gelten sollte. Alle anderen Sektoren sollten die Grenze von 500 Mitarbeiter:innen und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro bekommen. Es ist aber fraglich, ob der Umweltausschuss bei diesen Grenzwerten das letzte Wort haben wird. Mit massive Gegenwehr aus Industrievertretungen ist zu rechnen.

EU-Lieferkettengesetz: Das sagen heimische Expert:innen zum Entwurf

Auch Energiebranche soll als Hochrisikosektor gelten

Der EU geht es jedenfalls darum, dass Unternehmen ab einer bestimmten Größe negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt ihres Wirtschaftens nicht nur im eigenen Betrieb, sondern auch in den Tochtergesellschaften und in der Wertschöpfungskette identifizieren und anschließend vermeiden, beenden oder zumindest abschwächen müssen. Darüber hinaus müssen Großunternehmen einen Plan für ihre Geschäftsstrategie vorlegen, der mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C (Pariser Abkommen) vereinbar ist. CSDD ist enorm weitreichend, weil es dem neuen Entwurf zufolge um folgende Produkte und Waren bzw. Prozesse gehen soll. Neu ist auch, dass der Energiesektor mit hineingenommen wurde:

  • die Herstellung von Textilien, Pelzen, Leder und verwandten Erzeugnissen (einschließlich Schuhen) sowie der
    • Großhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen
  • die Land- und Forstwirtschaft, die Fischerei (einschließlich Aquakultur), die Wasserversorgung, die Bewirtschaftung von Land und Ressourcen, einschließlich des Naturschutzes, die Herstellung von Nahrungsmitteln und
    • der Großhandel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen, lebenden Tieren, tierischen Erzeugnissen, Holz, Nahrungsmitteln und Getränken;
  • Gewinnung, Veredelung, Transport und Handhabung von mineralischen Rohstoffen, unabhängig davon, wo sie gewonnen werden (einschließlich Erdöl, Erdgas, Steinkohle, Braunkohle, Metalle und Metallerze sowie alle anderen nichtmetallischen Mineralien und Steinbruchprodukte)
  • Herstellung von metallischen Grundstoffen, anderen nichtmetallischen mineralischen Produkten und Metallerzeugnissen (außer Maschinen und Ausrüstungen) sowie
    • Großhandel mit mineralischen Rohstoffen, mineralischen Grundstoffen und Zwischenprodukten (einschließlich Metallen und Metallerzen, Baumaterialien, Brennstoffen, Chemikalien und anderen Zwischenprodukten).
  • der Energiesektor, einschließlich Gas, Kernenergie, Dampf, Elektrizität und andere Energieträger während ihres gesamten Lebenszyklus, von der Gewinnung bis zur Raffination Produktion, Umwandlung von Brennstoffen bis hin zu Transport, Handhabung, Lagerung und Abfallentsorgung
    • einschließlich radioaktiver Abfälle

Für das Lieferkettengesetz ist es noch ein weiter Weg. Nach dem Umweltausschuss muss der Entwurf auch noch durch den Rechtsausschuss und natürlich vom Plenum des EU-Parlaments abgesegnet werden. Dann geht es in den Trilog, mit einem Abschluss wird derzeit im Herbst 2023 gerechnet.

Gefahr für den Mittelstand

Aus Sicht der Wirtschaft ist die geplante „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ natürlich eine zusätzliche Bürde. Karl Haeusgen, Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), meinte kürzlich, dass die Richtlinie eine Gefahr für Europas Wettbewerbsfähigkeit sei. Er schreibt: „Wie soll ein mittelständisches Unternehmen mit 300 bis 400 oder noch mehr Direktlieferanten aus aller Welt das organisieren? Die Antwort lautet: Es ist unmöglich. Zudem schwächen diese weitreichenden Anforderungen nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Mittelstandes, sie gefährden auch die Ziele der Richtlinie.“

 

Hätte, hätte, Lieferkette

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