Startups statt Stahl: Wie sich Linz zu einer Stadt der Gründer umbauen will
Wenn man in Linz ein ein müdes Lächeln und gelangweiltes Augenrollen ernten will, dann wirft man die Floskel “Stadt-up statt Stahlstadt” ins Gespräch. Schon etwas besser fährt man, wenn man augenzwinkernd vom „Nikotin Valley“ spricht. Denn damit trifft man derzeit den Nagel auf den Kopf: Schließlich wird derzeit die zwischen 1929 und 1935 errichtete Tabakfabrik zum künftigen oberösterreichischen Epizentrum der Digital- und Kreativbranche umgebaut. Wo einst pro Minute und Maschine 8.000 Zigaretten produziert wurden, sollen künftig Startups wie vom Fließband laufen.
„Die Stahl-, Kunststoff- und Chemieindustrie sind stark bei uns, aber Digitalisierung und Technologie sind sicher die Zukunft für den Standort”, sagt Karin Hörzing, Linzer Stadträtin (SPÖ) und früher selbst in der Stahlbranche beschäftigt. Ihr Chef, der Linzer Bürgermeister, bezeichnete die Tabakfabrik bereits als das „Zentrum der Innovationsstrategie der Stadt Linz“. 17 Millionen Euro ließ sich die Stadt Linz das Objekt 2009 kosten. Die betreibende Tabakfabrik Linz Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft erhält für die Instandhaltung, Wartung und Entwicklungsarbeit Zuschüsse der Stadt Linz, bezahlt umgekehrt Miete und erwirtschaftet durch den laufende Veranstaltungsbetrieb sowie die bereits vermieteten Bereiche Geld.
Heute, Montag Abend, wird Luger gemeinsam mit Bundeskanzler Christian Kern und vielen anderen der Eröffnung der factory300 beiwohnen – jener Coworking Space für Gründer direkt in der Tabakfabrik, in den das Business-Angel-Netzwerk startup300 rund um Bernhard Lehner und Michael Eisler in den nächsten Jahren eine siebenstellige Summe investieren wollen (mehr dazu hier).
„Mit aufgekrempelten Ärmeln“
„Zwischen Linz und Wien gibt es einen Mentalitätsunterschied, den zumindest ich wahrnehme. Diese Stahlstadt-Metapher hinterlässt Spuren. Russ im Gesicht, mit aufgekrempelten Ärmeln, knietief im Dreck. Das hat uns in Linz sozialisiert. Das ist sehr identitätsstiftend für uns“, sagte Bernhard Lehner am Wochenende im Livestream von Trending Topics (siehe Video unten). Er ist sich ziemlich sicher, dass Linz eine „Stadt der Startups“ werden kann. “Die Tabakfabrik will der erste kollaborative Konzern der Welt sein. Hier werden vier bis fünftausend Menschen aus der Kreativbranche arbeiten. Das wird den Begriff Startup erweitern und viel breiter machen.“ Derzeit arbeiten rund 300 Menschen auf dem Gelände.
Mit Runtastic hat Oberösterreich schon ein Erfolgsbeispiel hervorgebracht, dem viele weitere folgen sollen. Startups in Linz sehen sich dem Sogeffekt Wiens (dort sitzt etwa der große VC Speedinvest und werden große Startup-Hubs gebaut) klarerweise ausgesetzt, doch viele haben entschieden, der oberösterreichischen Landeshauptstadt die Treue zu halten.
„Auch wenn unser Lead-Investor Speedinvest aus Wien ist, haben wir uns letztlich dazu entschlossen in Linz zu bleiben“, sagt etwa Andreas Gutzelnig, Mitgründer des Social-Monitoring-Startups Storyclash. „Wir haben sehr gute Unis in der Umgebung. Der Campus Hagenberg, die JKU, in Steyr gibt es eine FH. Wir bekommen hier gutes Personal, das nicht sofort von den Corporates aufgesogen wird. Deshalb war die Entscheidung goldrichtig für uns.“
Auch Markus Koblmüller, Mitgründer des Startups TeamEcho, überlegte bei der Gründung, ob man nach Wien ziehen sollte. „Als wir die Entscheidung getroffen hatten, bot uns Linz doch sehr viel an. Wir hätten genauso nach Wien gehen können, doch der Need war einfach nicht da. Linz hat sich total entwickelt und sicher die zweitgrößte Szene in Österreich.“ Seine Firma profitiere etwa von der engen Zusammenarbeit mit der Linzer Software-Firma Catalysts.
Noch viel Arbeit notwendig
Doch bis Linz in Sachen Startups und Unternehmertum voll in Fahrt kommt und sich von der traditionellen Industrie lösen kann, ist noch viel zu tun. Es sind etwa praktische Dinge wie die schlechte öffentliche Anbindung der Tabakfabrik und die unbefriedigende Parkplatzsituation rundherum, die gelöst werden müssen. Und: „Es braucht die Politik, die Gründer, es braucht Kapital. Wenn dieser Schulterschluss gelingt, dann können wir hier in Linz bei einigen Themen Exzellenz erreichen”, sagt Lehner von Start300. Und eine weitere große Baustelle, die nicht nur Linz, sondern ganz Österreich betrifft: die Ausbildung.
“Es ist wirklich ein Problem, gute Entwickler zu finden”, sagt Gutzelnig von Storyclash. “Die Politik muss da viel mehr machen und mehr in der Ausbildung tun.” Bei Stadträtin Hörzing, mit der Gutzelnig beim ersten AustrianStartups-Stammtisch am Podium saß, läuft er da offene Türen ein. Ja, meint sie, „schon in den Kindergärten sollte Kreativität und neues Denken gefördert werden.“ Auch für Zuzug muss Linz sorgen, in der Stadt stehen 205.000 Arbeitsplätze 192.000 Einwohnern gegenüber. Wenn künftig viel mehr Jungfirmen für zusätzliche Beschäftigung sorgen, wird der Wettkampf um Talente weiter verschärft.
Mit der Eröffnung der factory300 setzt Linz jedenfalls einen spannenden nächsten Schritt. Während die Startup-Hubs weXelerate und Talent Garden erst später im Jahr eröffnen werden, füllt sich die Tabakfabrik längst mit Leben. Demnächst wird dann auch Steve Selzer, der Design-Chef von Airbnb, im Rahmen des Forum Creative Industries nach Linz kommen – die nächste Gelegenheit für Trending Topics, aus der oberösterreichischen Landeshauptstadt zu berichten.