Interview

Schramböck über Startup-Österreich: „Jetzt ist wichtig, dass wir nicht einfach aufgeben“

Bundesministerin Margarete Schramböck. © Trending Topics
Bundesministerin Margarete Schramböck. © Trending Topics

Nach einer Ibiza-bedingten Pause ist Margarete Schramböck kürzlich wieder als Wirtschaftsministerin angelobt worden. Für das „Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort“ stehen spannende Monate und Jahre ins Haus. Wir haben die Ministerin gestern getroffen und uns ausführlich mit ihr über einen neuen Wachstums-Fonds, Künstliche Intelligenz, Blockchain, die Rot-Weiß-Rot-Karte, einer neuen Gesellschaftsform für Wachstumsunternehmen, GreenTech und CultureTech unterhalten.

Bereits gestern vermeldeten wir exklusiv, dass das Ministerium einen eigenen Startup-Beauftragten bekommen soll. Margarete Schramböck: „Wir werden einen Startup-Beauftragten bei uns im Ministerium einrichten, der Ansprechpartner für die Startups ist. Das sei eine lange Forderung, und die werde man auch erfüllen. Die Suche nach einer geeigneten Person beginne jetzt. Abseits dieser Neuigkeit haben wir aber noch viele weitere Fragen an die neue Wirtschaftsministerin.

+++ Schramböck wird eigenen Startup-Beauftragten ins Wirtschaftsministerium holen +++

Trending Topics: Was finden Startups im Regierungsprogramm? Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Punkte?

Margarete Schramböck: Wir haben diesbezüglich im Regierungsprogramm einiges vorgesehen, an unterschiedlichen Stellen. Man muss ein bisschen schauen, aber man findet dann ein umfassendes Paket. Eines der wesentlichen Themen ist eine neue Rechtsform für die Gründung von Startups – eine neue Austria Limited, die notwendig ist und die wir auch umsetzen werden. Was auch wichtig ist, ist die Herabsetzung des Stammkapitals auf 10.000 Euro, und Dinge wie, dass man Firmengründungen auf Englisch machen kann – auch das ist bei den Startup-Frühstücken, die ich immer wieder hatte, ein wichtiger Punkt.

Viele Startups sind Kapitalgesellschaften, für die wird die Körperschaftsteuer eine Rolle spielen. Viele Startups bieten als Unternehmen im B2C-Bereich an Konsumenten Produkte an, für die wird “mehr Netto vom Brutto” eine Rolle spielen. Da ist ganz viel drinnen in diesem Paket. Vor allem auch der Wachstums-Fonds, den wir machen werden, in der Größenordnung von rund 100 Millionen Euro. Das Geld setzt sich von staatlicher Seite bei der aws und von privaten Kapitalgebern, Business Angels und Investoren zusammen. Das hat sich bewährt, das wollen wir weiter machen.

Sie haben 2019 ein Startup-Paket angekündigt. Dann kam Ibiza. Ist das nun dieses Startup-Paket, das sich im Regierungsprogramm findet, oder kommt noch ein zusätzliches Paket?

Das ist schon in dem Regierungsprogramm drinnen. Das war auch wichtig, es dort hin zu geben, wo es es hauptverantwortlich ist. Eine Gesellschaftsform einzuführen, ist gemeinsam mit der Justizministerin (Alma Zadić von den Grünen, Anm.) zu machen, und es ist besser, es in den unterschiedlichen Bereichen fest zu machen. Das ist dieses Startup-Paket.

Es wird auch ein bisschen mehr geben, das nicht im Regierungsprogramm steht. Aber exklusiv für Sie: Wir werden einen Startup-Beauftragten bei uns im Ministerium einrichten, der Ansprechpartner oder Ansprechpartnerin für die Startups ist. Das ist eine lang getätigte Forderung, und die werden wir erfüllen.

+++ Regierungsprogramm: Die wichtigsten Pläne für den Startup-Sektor +++

Das ist natürlich interessant. Wann wird der Startup-Beauftragte kommen? Suchen Sie schon jemanden?

Ja, wir haben die Suche jetzt gerade begonnen, wir sind ja gerade erst in mein Büro eingezogen. Wir werden jetzt, in angemessener Zeit in den nächsten Monaten jemanden ernennen, der dann der Ansprechpartner für die Startups ist.

Was wird die Aufgabe für den oder die Startup-Beauftragte sein?

Es geht darum, mit der Community in Kontakt zu bleiben. Das haben wir schon sehr gut gemacht, wollen es aber noch intensivieren, um Feedback auch bei der Umsetzung der verschiedenen Maßnahmen einzuholen. Daran werden wir gemessen, dass wir die Dinge umsetzen. Die Person wird auch treibende Kraft sein, dafür zu sorgen, dass die Dinge umgesetzt werden im Netzwerk mit allen Ministerien.

Ein wichtiger Punkt im Regierungsprogramm ist der Aufbau eines nationalen staatlich kofinanzierten Technologie-, Innovations- und Wachstums-Fonds, der Risikokapital zur Verfügung stellt. Wie soll dieser Fonds funktionieren?

Das Ziel hier ist immer, die Stärken beider Seiten – Staat und Privat – zu vereinen. Wir haben hier schon Erfahrung, Euros zu sammeln und Kapital zusammen zu legen. Wir haben in Österreich eine sehr gute Pre-Seed-Finanzierung, da sind wir Weltmeister. Ich habe sogar gehört, dass wir hier schon zu viel machen. Ich glaube, wir machen nicht zu viel, es ist gut, aber wir brauchen mehr in den nächsten Finanzierungsschritten, wo es in Beträge mehrerer Millionen geht. Da fehlt es uns, und da ziehen die Startups dann auch weiter.

Wir haben beim Aufbau geholfen, und sie müssen dann nach draußen in entsprechende Länder gehen, um die entsprechenden Finanzierungen holen. Das wollen wir mit dem Fonds entsprechend abfedern.

Wird das ein Nachfolge-Fonds des Gründer-Fonds der aws, oder ein Fund-of-Fund-Modell, bei dem in andere Fonds investiert wird, die dann ihrerseits die Startup-Investitionen machen?

Ein bisschen von beiden Seiten. Es ist sowohl eine Idee zu schauen: Wie kann man die bestehenden Fonds optimieren und skalieren. Wir haben hier den Gründerfonds auf der einen und den Mittelstands-Fonds auf der anderen Seite. Und das zweite, der Fund of Fund, steht auch im Regierungsprogramm, wo man überlegt: Wie kann man einen Fund of Fund etablieren?

Es soll also beides kommen?

Ja, das Ziel ist, in diese Richtung zu gehen, um wirklich den Standort für dieses Thema zu stärken.

Und der Wachstums-Fonds soll in der Größenordnung von etwa 100 Millionen Euro liegen?

Ja in etwa, zusammengelegt mit den Privaten, die hier auch Interesse haben.

Ein anderes, wichtiges Thema ist die Rot-Weiß-Rot-Karte. Da wurden in der Vergangenheit immer wieder Verbesserungen gemacht, der Grundtenor in der Startup-Szene ist aber, dass das noch nicht gut genug ist. Es ist immer noch zu schwer, Fachkräfte aus dem EU-Ausland nach Österreich zu holen. Welche Verbesserungen sind da anvisiert?

Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist ganz klar im Regierungsprogramm enthalten und dass wir hier Vereinfachungen machen. Das Problem ist: wenn ein IT-Experte aus Brasilien sechs Monate braucht, bis er bei uns ist, dann arbeitet er in der Zwischenzeit schon längst in Berlin oder München oder in London oder irgendwo anders in Europa. es ist absolut richtig, welches Feedback hier gegeben wird.

Das Konstrukt der RWR-Karte ist ein sehr gutes und innovatives. Was wir aber tun müssen, ist, in der Umsetzung rascher zu werden. es darf nicht zu lange dauern. Es wird so bleiben, dass man einmal zur Botschaft (im jeweiligen Land, Anm.) gehen muss, na klar muss man sich ein Mal ausweisen. Aber danach muss der gesamte Ablauf digital sein, der ist im Moment analog. Mit der Diplomatenpost werden die Dokumente geschickt. Bevor man überhaupt hier ist, muss man die ortsübliche Unterkunft nachweisen, auch das muss jetzt endlich wegfallen.

Gerade für Startups, aber auch KMU ist das ein Hindernisgrund. Ein großes Unternehmen kann es sich leisten, eine Mitarbeiterwohnung zu haben und den dann dort anzumelden. Aber das kann ein Startup nicht und ein KMU auch nicht. Diese Dinge gilt es zu beseitigen und gemeinsam mit den zuständigen Ministerien – Außenministerium, Innenministerium und AMS – den Ablauf zu verbessern. Da wird mir das Feedback der Startups wichtig sein und ich werde für sie kämpfen.

Wird die Verbesserung der Rot-Weiß-Rot-Karte mit den Grünen leichter fallen als mit der FPÖ?

Ich möchte gar nicht vergleichen, was früher war – das ist einfach anders gewesen. Ich werde es (die Zusammenarbeit, Anm.) daran messen, wie stark ich mit den anderen Ministerien das umsetzen kann. Da geht es oft gar nicht so sehr um das “Wollen”, sondern auch darum, die Administration selbst zu vereinfachen. Das ist oft eine Herausforderung.

Ein spannender Punkt im Regierungsprogramm ist ja auch, dass eine KI-Strategie geplant ist. Die war ja bereits angekündigt, die Präsentation 2019 ist dann – auch wegen Ibiza und Co – ausgefallen. Können Sie zusammenfassen, wie diese KI-Strategie aussehen soll?

Das ist ein ganz ganz wichtiger Themenbereich, künstliche Intelligenz ist ein wesentlicher Teil unseres Lebens. KI fällt oft gar nicht auf, ist aber schon da. Das fängt an bei Unterstützungen im Haushalt und geht bis hin zur Spracherkennung. Da haben wir in Oberösterreich, in Linz, große Experten sitzen. Hier alles zusammenzutragen und die verschiedenen Aspekte zu beleuchten, aber auch den Menschen stark mitzunehmen und Österreich gut vorzubereiten, das haben wir vor. Wir müssen die Themenfelder und Nischen besetzen, die für uns gut passen. Wir brauchen nur die richtigen Entwickler, dann sind wir hier sicher vorne mit dabei.

Beim Thema Künstliche Intelligenz ist im Regierungsprogramm auch mehrmals die Rede davon, dass es “rote Linien” geben soll. Wo sind diese Linien bei KI für Sie?

Bei KI gilt es es ganz klar, Schwerpunkte zu setzen. Was ist etwas, dass wir unterstützen – und was ist etwas, das wir nicht unterstützen? Wir unterstützen sicherlich nicht Entwicklungen, wie wir sie in China sehen – mit den Social Credits. Für uns ist immer der Mensch im Mittelpunkt und es soll auch der Mensch letztlich immer derjenige sein, der Entscheidungen trifft.

Aber die künstliche Intelligenz unterstützt uns heute schon bei der Entscheidungsfindung, beispielsweise in der Medizin. Wir haben hier große Chancen, im Gesundheitsbereich, im Bildungsbereich, in all diesen Lebensbereichen. Es wird unsere Aufgabe sein, dort die richtigen Felder auszusuchen und bei den anderen Feldern klar auszulassen. Kontrolle und Überwachung ist nicht unseres, dafür werden wir KI nicht nutzen.

+++ Neue Regierung plant Strategie für Künstliche Intelligenz – mit roten Linien +++

Ich war überrascht, das Schlagwort “Blockchain” hat es auch ins Regierungsprogramm geschafft. Es soll ein Blockchain-Masterplan gemacht werden. Was ist Ihr Zugang zu Blockchain? Wie kann Österreich damit arbeiten, wie sollen Unternehmen damit arbeiten?

Blockchain ist im Regierungsprogramm als unabhängige Technologie gemeint. Wir haben gesehen, dass es Länder mit Best-Practice-Modellen gibt, die mit Hilfe der Blockchain-Technologie umgesetzt werden. Für mich ist eines der Leuchtturm-Projekte das Projekt im Digitalbereich “Once Only”. Daten sollen dabei nur einmal erfasst werden und nicht immer und immer wieder eingeben werden (müssen). Ein Beispiel: Wenn heute ein mittelständisches Unternehmen übersiedelt, muss es sieben verschiedene Behörden informieren. Gerade Startups passiert das oft – gegründet in der Garage, folgt dann irgendwann der Auszug. Die müssen dann sieben Mal die gleichen Informationen in unterschiedlicher Form aufbereiten.

Die Idee ist, diese Daten einmal zur Verfügung zu stellen und dann holen sich die verschiedenen Behörden – in unserem Falle die sieben – egal ob Bund, Land oder Gemeinde, die Daten aus diesem Bereich, dieser Box, dieser Wallet. Das gilt natürlich nur für genehmigte Daten. Hier ist Blockchain eine Möglichkeit der technischen Anwendung, wie so ein Once-Only-Prinzip umgesetzt werden kann.

Ich möchte konkret, dass Österreich eines der ersten Länder ist, dass dieses Once-Only-Prinzip konsequent verfolgt. Das kommt nicht nur einmal im Regierungsprogramm vor, sondern mehrmals. Dann brauche ich keine Streitereien mehr bei Verwaltungsreformen, weil den Bürger und die Bürgerin interessiert es zurecht nicht, welche Behörde zuständig ist. Ich will diese Daten einmal hergeben und dann wissen, dass die Daten sicher dorthin gegeben werden, wo sie genutzt werden.

+++ Blockchain hat es ins Regierungsprogramm von Türkis-Grün geschafft +++

Das heißt, Blockchain könnte in der Verwaltung zum Einsatz kommen? Ist das schon fix?

Das könnte eine Möglichkeit sein. Das ist eines der Modelle, wo wir es (Blockchain-Technologie, Anm.) anwenden können. Wahrscheinlich kommen noch ganz viele – das ist auch ein Aufruf an alle, die Ideen dazu haben. Wir sind wieder fit und voll eingerichtet. Man kann Ideen bei uns einbringen, in meinem Team gibt es Digitalisierungs-Verantwortliche, die schon darauf warten, dass wir die Dinge umsetzen können.

Nach der Präsentation des Regierungsprogramms hat Hansi Hansmann, den kennen Sie sicher (ein bekannter Business Angel, Anm.) gemeint, das ist alles schön und gut was in Österreich passiert. In Sachen Startups könne man mit anderen Ländern in Europa aber schon nicht mehr mithalten, man würde eher einen Abstiegskampf führen. Wie sehen Sie das? Wie gut oder wie schlecht ist Österreich im Startup-Bereich aufgestellt?

Ich schätze den Hansi Hansmann sehr und bin auch immer wieder mit ihm in Kontakt. Er ist ja auch sehr, sehr erfolgreich, darum ist es auch wichtig, was er sagt. Das ist mir sehr wichtig, genauso auch bei anderen.

Was jetzt wichtig ist, ist, dass wir nicht einfach aufgeben und sagen, der Zug ist eh abgefahren. Daran glaube ich nicht. Es ergeben sich immer wieder Tore, immer wieder Möglichkeiten. Österreich ist ein kleines Land, das werden wir auch vorher oder nachher sein. Sollten wir jetzt Zeit verloren haben, ist es ganz klar meine Absicht, hier schnell wieder in die Gänge zu kommen und mit dem Startup-Beauftragten und all diesen Maßnahmen dazu beizutragen, in einer engen Kommunikation mit der Startup-Szene voranzukommen. Wir wollen Nischen finden, wir werden niemals alles abdecken. Wir werden auch kein London oder Silicon Valley werden. Aber: Wir können hier stärker und besser werden.

Zwei dieser Nischen habe auch ich im Regierungsprogramm entdeckt. CultureTech und GreenTech sind hervorgehoben. Sind das zwei dieser Schwerpunkte?

Ja sicher, das sind solche Schwerpunkte. Unsere Kultur, für die wir in der ganzen Welt bekannt sind, wollen wir als Katalysator und Einstiegshilfe nutzen. Im Bereich Innovation wollen wir den Klimaschutz vorantreiben. Da haben wir ganz viele Startups und ganz viele KMUs und unterschiedlichste Unternehmen, die hier Vorreiter sind. Diese stärker nach vorne zu holen und zu unterstützen ist unser Ziel.

Frau Schramböck, vielen Dank für das Interview.

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