Corporate Spin-offs und Equity Carve-outs: Wenn sich Unternehmen scheiden lassen
Dr. Karl Wörle ist Rechtsanwalt in Wien und spezialisiert im Bereich Venture Capital, Restructuring und Corporate Disputes. Anlässlich des möglichen Börsengangs der VW-Tochter Porsche – über den derzeit spekuliert wird – beleuchtet Wörle in diesem Gastbeitrag Corporate Spin-offs und Equity Carve-outs aus rechtlicher Sicht.
Vor der Corona-Pandemie boomten Unternehmenskäufe, nun scheinen Divestments im Trend zu liegen. Mehrere deutsche Großkonzerne haben in letzter Zeit die Absicht bekundet (oder es kursieren Gerüchte), Teilbereiche auszugliedern und an die Börse bringen zu wollen, zB das Porsche-Sportwagen-Segment, das Teil des VW-Konzerns ist (nicht zu verwechseln mit der bereits börsennotierten Porsche Automobil Holding SE). Ein weiteres Beispiel ist die Daimler AG, die ihre LKW-Sparte listen will. Außerhalb der Automobilindustrie plant Thyssenkrupp, seine Stahlsparte – die das Unternehmen einst berühmt gemacht hat – zu „verselbständigen“ (in welcher Form ist noch nicht bekannt).
Doch was ist der Grund für die geplanten Divestments? Im Fall der Autokonzerne wird vor allem deren niedrige Unternehmensbewertung an der Börse – im Vergleich zum Konkurrenten Tesla – Hauptgrund für die Umstrukturierung sein. Auch liegen Mischkonzerne wie Thyssenkrupp (Aufzüge, Stahl, Industrieanlagen etc.) nicht mehr im Trend, sondern eher Unternehmen mit Fokus auf ihre Kernkompetenzen, sogenannte pure plays. Ein wesentlicher Aspekt ist auch, dass ein Jahr Corona-Krise an den Kapitalreserven vieler Unternehmen gezehrt hat und die Veräußerung von Teilbetrieben die Möglichkeit einer Kapitalaufnahme bietet.
Spin-off oder Carve-out – was ist der bessere Weg?
Beim Spin-off handelt es sich um eine Abspaltung, bei der ein Betriebsteil auf einen neuen Rechtsträger (zB GmbH oder AG) übertragen wird. Die Gesellschafter bleiben dieselben und bekommen Geschäftsanteile an zwei Unternehmensträgern zugeteilt. So sollen etwa Daimler-Aktionäre zwei statt einer Aktie ins Depot bekommen. Ebenso ist es auch bei der Abspaltung der Osram Licht AG von Siemens erfolgt. Da keine neuen Gesellschafter hinzutreten, fließt dem Unternehmen auch kein neues Kapital zu.
Zu einem Kapitalzufluss kommt es jedoch beim Carve-out (auch Equity-Carve-out genannt). Dieser setzt voraus, dass der abzuspaltende Teilbetrieb bereits in einer Tochtergesellschaft verselbständigt ist bzw vor dem Carve-out in eine Tochter ausgegliedert wird. Teile der Tochtergesellschaft werden anschließend – etwa über ein Börsenlisting mit Aktienemission – veräußert, deshalb auch der Begriff Carve-out im Sinn von „Herausschnitzen“. Beispiele für Carve-outs sind neben dem geplanten Porsche-IPO die Ausgliederung der ehemaligen Siemens-Tochter Infineon.
Spin-off und Carve-out können über einen Börsegang vollzogen werden, sie sind jedoch genauso außerbörslich möglich. Der Weg über die Börse hat den Vorteil, dass Unternehmen sich fortan über den Kapitalmarkt finanzieren können, doch sind mit dem Börsengang auch Kosten verbunden, die bei kleineren Ausgründungen ein Listing unrentabel machen. Für den österreichischen Markt werden eher außerbörsliche Spin-offs und Carve-outs relevant sein, doch hängt dies stets vom Einzelfall ab.
In welchen Fällen ist nun ein Spin-off oder Carve-out zielführend? Der Carve-out wird oft verwendet, um Filetstücke von Unternehmen zu veräußern – meist jedoch nur teilweise und die Muttergesellschaft behält sich eine kontrollierende Beteiligung am ausgegliederten Unternehmen (so anscheinend bei VW-Porsche geplant). Der Spin-off wird hingegen eher für die Abspaltung von Randaktivitäten verwendet. Welcher Weg gewählt wird, hängt auch davon ab, ob eine vollständige Unternehmensentflechtung gewünscht ist (Spin-off), oder die Mutter nach wie vor das Sagen (oder zumindest ein Mitspracherecht) im ausgegliederten Unternehmen haben soll (Carve-out).
Was ist aus rechtlicher Sicht zu beachten?
Für den Spin-off ist nach dem Spaltungsgesetz (SpaltG) ein Beschluss der Gesellschafter mit ¾-Mehrheit erforderlich. Bei der Spaltung kommt es zur sogenannten partiellen Gesamtrechtsnachfolge, wodurch das zu übertragende Vermögen (Maschinen, Patente, Kredite etc.) nicht Stück für Stück, sondern mit Eintragung ins Firmenbuch uno actu übergeht.
Beim Carve-out handelt es sich um eine Ausgliederung, es wird Vermögen in eine Tochtergesellschaft umgeschichtet. Das SpaltG kommt nur ausnahmsweise zur Anwendung, wenn das Vermögen in eine bereits bestehende Tochtergesellschaft abgespalten wird (Downstream-Konzernspaltung). Wird die Tochtergesellschaft für den Carve-out neu gegründet, ist nur eine Einzelrechtsnachfolge möglich, bei der die Vermögenswerte in Form einer Sacheinlage einzeln übertragen werden müssen. Auch wenn gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen, ist bei der Ausgliederung – wie bei der Spaltung – unter Umständen auch ein Gesellschafterbeschluss mit ¾-Mehrheit erforderlich (einzelfallabhängig, rechtlich strittig). Bei der Einzelrechtsnachfolge besteht größerer Gestaltungsspielraum, Altverbindlichkeiten im übertragenden Unternehmen zu belassen. Dies bedarf jedoch der Vereinbarung mit der Muttergesellschaft und muss überdies ins Firmenbuch eingetragen werden.
Allgemein sollte für den Erfolg von Ausgründungen auf einen sanften Übergang in die Selbständigkeit geachtet werden. Über sogenannte Transitional Service Agreements kann die Muttergesellschaft dem Spin-off/Carve-out für den Start ihre Infrastruktur zur Verfügung stellen (zB IT, HR oder Buchhaltung).
Mitarbeiterfragen
Die Kapitalmarktforschung konnte nachweisen, dass für den Erfolg von Ausgründungen variable Vergütungsbestandteile, die die Vergütung der Unternehmensleitung an die Unternehmensentwicklung koppeln, vorteilhaft sind. Dafür bieten sich bei börsennotierten Ausgründungen Aktienoptionsprogramme an; bei kleineren, außerbörslichen Ausgründungen kann sich der neue CEO zB über „Sweat Equity“ beteiligen, indem er im Gegenzug für seine Beteiligung unentgeltlich (oder verbilligt) seine Arbeitsleistung einbringt.
Auch wenn Restrukturierungen regelmäßig zu Verunsicherung bei der Belegschaft führen, müssen Arbeitnehmer grundsätzlich keine Angst vor einer Schlechterstellung haben. Ausgründungen führen nämlich zu einem sogenannten Betriebsübergang, bei dem die Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten übergehen und Arbeitnehmer nicht aus Anlass des Betriebsübergangs gekündigt werden dürfen. Auch sind die Möglichkeiten, die kollektivvertraglichen Bedingungen bei bestehenden Arbeitsverhältnisse zu ändern, sehr beschränkt.