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Studie: Europas bedenkliche Investitionsprioritäten im Verkehrsnetz

Autobahn bei Nacht. © Pixabay
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In einer neuen Studie, beauftragt von der European Mobility4All-Kampagne und in enger Zusammenarbeit mit Greenpeace in Mittel- und Osteuropa, haben Frederic Rudolph, Nils Riach und Jessica Kees einen Einblick in die kontinuierliche Entwicklung im europäischen Verkehrsnetz gegeben. Dabei lag der Schwerpunkt auf Investitionen in Straßen- und Schieneninfrastruktur sowie der Schließung von Bahnhöfen. Als kleinen Vorgeschmack auf die Ergebnisse der Studie betonen die Autor:innen nachdrücklich die Notwendigkeit, die Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur in Europa stärker an sozialen und Umweltaspekten auszurichten.

Wohin fließt das Geld und wie wirken sich Entwicklungen auf Umwelt aus?

Europa verfügt über ein unfassbar dichtes Netzwerk an Binnenverkehrsinfrastruktur, insbesondere in der EU, die eines der dichtesten Verkehrsnetze weltweit hat. Die höchste Autobahndichte findet sich in Nordwesteuropa um große Städte herum und in der Nähe von Seehäfen. Die meisten europäischen Hauptstädte und Großstädte sind von einem Ring aus Autobahnen umgeben.

Auf einem Kontinent, der also eines der dichtesten Verkehrsnetze weltweit aufweist, sind Veränderungen in der Infrastruktur natürlich unvermeidlich. Die Studie untersucht daher den Wandel der Verkehrsinfrastruktur in Europa unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten.

Sie stellt drei zentrale Fragen: Erstens, welche Prioritäten setzen Europa und seine Mitgliedsländer bei der Investition in Verkehrsinfrastruktur und wie werden öffentliche Gelder verteilt? Zweitens, wie hat sich die Verkehrsinfrastruktur in den letzten Jahren entwickelt und entspricht sie der tatsächlichen Nachfrage nach Verkehrsdienstleistungen? Drittens, sie legt besonderes Augenmerk auf die Entwicklung des Eisenbahnsektors in 30 europäischen Ländern und analysiert die Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung sowie Umwelt- und soziale Aspekte.

Die Untersuchung erstreckte sich über die EU-27, Norwegen, die Schweiz und das Vereinigte Königreich und umfasste Daten ab dem Jahr 1995 aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit früherer Informationen. Um die Forschungsfragen zu beantworten wurden Informationen über Investitionen in Schienen- und Straßeninfrastruktur sowie geplante Projekte aus verschiedenen Quellen wie dem International Transport Forum (ITF), Eurostat, der Weltbank und der Europäischen Kommission gesammelt. Dabei traten Herausforderungen auf, wie etwa Datenlücken und Unstimmigkeiten, die gelegentlich durch Informationen aus inoffiziellen Quellen wie Wikipedia und Nachrichtenartikeln ergänzt wurden.

Fragwürdige Investitionsprioritäten und umweltfreundlichere Alternativen

Diese Ergebnisse sollen die anhaltende Vorherrschaft der Straßeninfrastrukturinvestitionen in Europa verdeutlichen und auf die Herausforderungen im  Schienenverkehrssektor hinweisen. Dennoch soll es Anzeichen für eine gewisse Annäherung in den letzten Jahren und ein gesteigertes Interesse an umweltfreundlicheren Verkehrsoptionen geben.

Das sind die Studienergebnisse kurz zusammengefasst:

  1. Überwiegende Investitionen in Straßeninfrastruktur

    Zwischen 1995 und 2018 haben die EU-27, Norwegen, die Schweiz und das Vereinigte Königreich 1,5 Billionen Euro in den Ausbau ihrer Straßeninfrastruktur investiert. Dies entspricht einem Anstieg um 66 % im Vergleich zu den Investitionen in das Schienennetz, die sich auf 931 Milliarden Euro beliefen. In dieser Zeitspanne lag der Fokus eindeutig auf der Entwicklung von Straßen.

  2. Verringerung der Investitionslücke

    Zwischen 2018 und 2021 verringerte sich der Unterschied zwischen den Investitionen in Straßen- und Schieneninfrastruktur, obwohl Straßeninvestitionen immer noch den Vorrang hatten. In diesen vier Jahren investierten die 30 europäischen Länder insgesamt 34 % mehr in den Ausbau von Straßen als in die Entwicklung des Schienennetzes. Interessanterweise setzten einige Länder, darunter Österreich, Belgien und Dänemark, stärker auf die Schiene als auf Straßen.

  3. Beeindruckendes Wachstum des Autobahnnetzes

    Das Autobahnnetz in den analysierten 30 europäischen Ländern verzeichnete zwischen 1995 und 2020 ein bemerkenswertes Wachstum von 60 %, von 51.494 km auf 82.493 km. Dieses Wachstum war in Ländern wie Irland, Rumänien und Polen besonders ausgeprägt. In anderen Ländern wie Litauen, Lettland und Belgien fiel das Wachstum moderater aus. In mehr als der Hälfte der analysierten Länder hat sich die Länge des Autobahnnetzes mehr als verdoppelt.

  4. Zusätzliche Straßeninfrastruktur führt zu erhöhter Nachfrage nach individuellem Verkehr

    Die Bereitstellung zusätzlicher Straßeninfrastruktur geht oft mit einer gesteigerten Nachfrage nach individuellem motorisiertem Verkehr einher.

  5. Rückgang des Schienennetzes und Schließung von Bahnhöfen

    Die Studie enthüllt, dass seit 1995 insgesamt 13.717 km regionaler Personenzugstrecken vorübergehend oder dauerhaft stillgelegt wurden. Allerdings könnte eine grobe Schätzung zufolge etwa die Hälfte dieser Strecken relativ problemlos wiedereröffnet werden. Die Gesamtlänge des Schienennetzes schrumpfte in den Jahren von 1995 bis 2020 um 6,5 %, und mindestens 2.582 Bahnhöfe wurden vorübergehend oder dauerhaft geschlossen.

  6. Eröffnung neuer Flughäfen und Landebahnen

    Seit 1995 wurden zwölf neue Flughäfen in Europa für die zivile Luftfahrt eröffnet, die nun mindestens 150.000 Passagiere pro Jahr abfertigen, sowie zehn neue Landebahnen eingeweiht. Das unterstreicht das kontinuierliche Wachstum im Luftverkehrssektor.

Policy Recommendations für Erreichung der Klimaziele

“Die europäischen Staaten haben sich verpflichtet, Energie- und Verkehrsarmut zu reduzieren und sind dem Pariser Abkommen verpflichtet. Daher müssten die Prioritäten für die Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur aus sozialen und Umweltgesichtspunkten entsprechend angepasst werden”, so die Autor:innen, die den Entwicklungen sichtlich kritisch gegenüberstehen. Sie empfehlen daher auch politische Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Europa unter Berücksichtigung sozialer und Umweltaspekte.

Zunächst sollten Länder ihre Budgets für den Ausbau von Autobahnen überdenken, um langfristige Kohlenstoffpfade zu verhindern. Das würde die Ressourcen für alternative Verkehrsoptionen freisetzen. Ein dazu passender Schwerpunkt liegt, laut ihnen, bei der Wiedereröffnung regionaler Zugstrecken.

Darüber hinaus sollten politische Maßnahmen ergriffen werden, um externe Kosten des Verkehrs zu internalisieren und umweltschädliche Subventionen abzubauen. Dies würde den Schienenverkehr im Vergleich zur Straße und Luftfahrt wirtschaftlich attraktiver machen und zu einer erhöhten Nachfrage führen.

Die Autor:innen betonen, dass diese Empfehlungen als Ausgangspunkte für weitere Investitionen in bestehende regionale Zuginfrastrukturen dienen sollten. Diese Maßnahmen würden nicht nur zur Erreichung der Klimaziele beitragen, sondern auch die Mobilität und Zugänglichkeit für die gesamte Bevölkerung verbessern. Schließlich sollten Planungszyklen und öffentliche Entscheidungsprozesse beschleunigt werden, um die Umsetzung dieser Maßnahmen zu erleichtern und die Verkehrsinfrastruktur in Europa effizienter und nachhaltiger zu gestalten.

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