Gastbeitrag

VCs in die Karten schauen: Was sich Investoren von Startups in Corona-Zeiten wünschen

Carina Roth, Mitgründerin und CFO von WisR. © WisR
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Es passiert selten, dass man die Gelegenheit hat, ungezwungen mit Venture-Capital-Investoren zu plaudern. Also, ohne dabei “salesy” Hintergedanken zu haben. Das „Immersion: Female Founders“ bot den Gründerinnen der 12 Startups im Förderprogramm aber die Möglichkeit, genau das in virtuellen Calls zu tun und sich ganz informell wertvolle Tipps von einigen Playern der Venture Capital-Szene zu holen und – nicht zu vergessen das Thema, das die meisten Start-ups seit Monaten beeinflusst – herauszufinden, wie sich die Herausforderungen ans Fundraising durch Corona verändert haben. 

Die zehn VC-Partner – manche davon echte Kapazunder, die selbst einmal gegründet, einen veritablen Exit hingelegt haben – haben sich für uns virtuell in die Karten schauen lassen und auch einige ihrer eigenen (Um- und Irr-) Wege als Gründer offenbart. Fundraising ist nämlich oft kein Sprint, sondern eher ein Marathon – ein “Nein” ist nie wirklich für immer ein “Nein”. Einer der heutigen VC-Partner hat selbst einmal eine Abfuhr eines großen deutschen Verlags kassiert. Er ließ nicht locker. Ganze sieben Jahre später probierte er es noch einmal – diesmal ging er mit einer Zusage nach Hause.

Es gibt vielleicht kein “back to normal”

Aber seien wir ehrlich, das dominierende Thema im Google-Coaching war Corona. Und die Erkenntnis: Keiner weiß, was das “New Normal” sein wird. Stellen wir uns also darauf ein, dass es gar kein “back to normal” gibt – sondern möglicherweise eben alles neu wird. Hart, aber im Grunde die Einstellung, die Startups und die meisten anderen Unternehmen schon seit Monaten zu verinnerlichen versuchen. Wir alle müssen uns mit den (teilweise neuen) Themen Homeoffice, Pivotierung, Kurzarbeit, Anpassung des Geschäftsmodells und Zukunft der Arbeit beschäftigen. Wir müssen uns alle überlegen, ob unser Geschäftsmodell auch in einem “New Normal” bestehen kann. Ein Zurück gibt es nicht – nur die Flucht nach vorne. 

Das gilt auch fürs Fundraising. Das Geld der großen Venture Capital Fonds ist schließlich da und muss von den VCs auch weiterhin investiert werden. Seed-Runden sind am wenigsten von der Krise betroffen, kleine Runden zwischen einer und drei Millionen Euro könnten in Zeiten von Corona auch durchaus virtuell über die Bühne gehen. Größere Runden sind dafür umso schwieriger umzusetzen. Manche haben sich entschieden, größere Tickets ins Jahr 2021 zu verschieben. 2021 wird jedenfalls, glaubt man den VC-Experten, mit Investment-Möglichkeiten geflutet. Die Branche geht davon aus, dass bis ins kommende Jahr – trotz oder gerade wegen Corona – viele neue Innovationen heranreifen. Startups werden sich gegen große Konkurrenz durchsetzen müssen, um ein Stück vom Kuchen abzubekommen.

Cash is King

Wie groß dieses Stück vom Kuchen in Krisenzeiten allgemein sein sollte, darüber gehen die Meinungen im “Google for Startups”-Programm etwas auseinander. Manche VCs raten, jetzt eine Runway zwischen 12 und 18 Monaten sicherzustellen. Sprich, für die kommenden ein bis eineinhalb Jahren ausfinanziert zu sein. Manche wiederum sind der Meinung, man bräuchte jetzt Geld für ganze zwei Jahre – davor würden sich am Markt nur wenige Chancen auftun und niemand wüsste schließlich, wann und ob sich die Lage wieder erholt. Bei der Wahl der Geldgeber solle man im Moment jedenfalls nicht zu zimperlich sein: Cash is King. Auch, wenn ausgerechnet der Lieblingsinvestor im Moment nicht mit an Bord ist. 

Förderungen aus öffentlicher Hand werden von VCs generell sehr begrüßt, solange man dadurch nicht den Fokus verliert und sie von jemandem anderen als den GründerInnen abgewickelt werden können.

Auch WisR hat in den vergangenen Monaten – nach einer durch Corona ins Stocken geratenen Investmentzusage – anders geraised als geplant. Und wir haben gemerkt, dass es weitaus schwieriger ist, kurzfristig neue Investoren an Bord zu holen, als mit bestehenden aufzustocken. Viele konzentrieren sich jetzt aufs Erhalten ihres Portfolios und wollen klarerweise ihre eigenen Schäfchen ins Trockene bringen. Der Captable ist nun wichtiger denn je. Man ist gerade jetzt sehr gut daran, Investoren an Bord zu haben, die auch nachschießen können.

Nicht kleiner machen, als man ist

Runway hin oder her, selbst in Krisenzeiten sollte die Verwässerung nicht mehr als die üblichen 20-25 Prozent je Runde betragen, da es einen später einholt. Womit wir auch schon bei der heiß diskutierten Frage “Downround – ja oder nein?” wären: Man macht in der Krise weniger Umsätze, büßt vielleicht einiges an Wachstum ein, ergo bewerten Investoren dein Unternehmen im Moment eventuell nicht so hoch, wie in der letzten Finanzierungsrunde. Nicht die beste Idee, glaubt man der VC-Runde im “Immersion: Female Founders”-Coaching.

Diese Methode sei viel zu kurzsichtig, nur “greedy” Investoren und jene, die nicht zu Ende denken, würden auf eine Downround pochen. Schließlich muss es auch für Folgeinvestoren attraktiv bleiben, die oft nicht hinter den Vorhang blicken, sondern einfach nie Downrounds sehen möchten oder eventuell sogar fordern, dass Anteile wieder an GründerInnen zurückgegeben werden müssen.

Wenn es nicht anders geht, gibt es aber auch hier mehr oder weniger gründerfreundliche Terms. Damit Gründerinnen und Gründer, die jetzt größere Verwässerung in höher bewerteten Runden später wieder aufholen können, unbedingt die „Broad-based Weighted Average“-Methode wählen, anstatt „Fully Ratchet“.

Bevor es dazu kommt, versuche ich persönlich überhaupt keine Priced Round zu machen. Convertibles sind gerade in jetzigen Zeiten eine passende Alternative. Sie sind schnell aufgesetzt und man verschiebt mit solchen Wandeldarlehen die Bewertungsfrage in die Zukunft.

Pivotieren, dann korrigieren

Apropos Zukunft: Damit es für Startups eine Chance gibt, müssen sie sich jetzt unbedingt bewegen – in die eine oder andere Richtung. Es gibt jetzt jene, die von der Krise positiv beeinflusst sind – Lieferservices, On-Demand-Dienste, Videoplattformen – und jene, auf die sie einen neutralen oder negativen Impact hat. Jene, die profitieren, müssen ausbauen, Talente einstellen, wachsen und können gerade jetzt gute Bewertungen für sich erzielen. Beim Rest sollte es primär darum gehen, Kosten zu sparen, den Runway zu verlängern oder abhängig von der Industrie zu pivotieren.

Fluggesellschaften, zum Beispiel, werden voraussichtlich zwei Jahre brauchen, um sich zu erholen und das Umsatzniveau von 2019 wieder zu erreichen. Wenn das deine Branche ist, sollte nicht abgewartet, sondern pivotiert werden. Und das am besten schnell mit späteren Korrekturen. Nur so hat man bei der nächste Fundraising-Runde bereits wieder etwas Neues, in das es es sich zu investieren lohnt. Drei Monate an Daten sollten nämlich schon vorhanden sein.

Meine Founder-Tipps:

  • Halte guten Kontakt: Beim Fundraising ist es immer einfacher, an jemanden heranzutreten, den man länger kennt, mit dem man sich regelmäßig persönlich austauscht und es eine Vertrauensbasis gibt. Also am besten guten Kontakt zu deinen persönlichen zukünftigen Lieblings-VCs pflegen. Wer kurzfristig an neue Investoren herantreten möchte, hat kein leichtes Spiel. In der Szene spielt sich vieles nur über Intros ab – Investoren stellen sich die Start-ups untereinander vor.
  • Alle Dokumente vorbereiten: Immer, wenn wir in eine neue Fundraising-Runde gehen, haben wir sämtliche Dokumente inklusive Due Diligence schon bereit. Wir wollen von unserer Seite keine Zeit verlieren und müssen mit den Investoren dann nur mehr kleine Anpassungen machen. Dabei kommt es auch auf die Stage an. Nur ein Seed-Deck kann mit der Vision beginnen, B- und C-Decks mit Performance.
  • Frauen müssen sich trauen: Nicht selten gibt es ein All-Male-Investment-Team und nicht selten bin ich die einzige Frau auf Pitch-Veranstaltungen, die pitcht. Da muss man sich aufeinander einstellen und seine eigenen Stärken ausspielen. Und an jene VCs herantreten, die sich für mehr Frauen als Investorinnen und Gründerinnen stark machen und tatsächlich in sie investieren.

Über Carina Roth

Carina Roth (32) ist Gründerin und CFO von WisR, einem österreichischen Startup, das sich der Idee verschrieben hat, ältere, motivierte Menschen zurück in den Arbeitsmarkt zu integrieren und dadurch Wertschöpfung zwischen den Generationen zu schaffen. Nach ihrem MBA-Studium an der Webster University in Wien, Shanghai und Genf arbeitete Carina als Traderin im Rohstoffhandel. Durch den Wunsch, etwas Sinnstiftendes von Grund auf neu aufzubauen, wurde sie zur Mitgründerin bei der WisR-Jobplattform. Mittlerweile unterstützt WisR auch größere Unternehmen mit einer digitalen Lösung dabei, ihre älteren Mitarbeiter wertschätzend in die Pension offzuboarden und in einem Alumni Netzwerk verfügbar zu halten um wertvolles Wissen und Netzwerk zu erhalten.

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