Hintergrund

Wie eine Justizreform das israelische Startup-Ökosystem bedroht

Proteste gegen Justizreform in Israel. © Mussi Katz (CC0 1.0)
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Nach einer Nacht der gewalttätigen Proteste wird auch am Dienstag nicht so schnell Ruhe einkehren in Israel – zu tief sitzt die Wut über das am Montag beschlossene Gesetz für eine Justizreform, die viele als eine Gefahr für die Demokratie des umkämpften Landes im Nahen Osten halten. Die rechts-religiöse Regierung von Benjamin Netanjahu versucht damit, die Justiz des Landes unter Regierungskontrolle zu bringen – und löst damit riesige Ängste aus.

Denn künftig, so will es der erste Teil des umstrittenen Verfassungsgesetzes, kann das Höchstgericht nicht mehr prüfen, ob Entscheidungen der Verwaltung „grob unangemessen“ („reasonableness standard“) sind. Bedeutet in der Praxis: Sollten hochrangige Posten in Ministerien künftig mit Freunden von Minister:innen besetzt werden, kann das Höchstgericht das nicht mehr beanstanden. Und das ist nur der erste Teil der Justizreform – weitere Einschränkungen für die Justiz zugunsten der Regierung sind geplant.

Oppositionsführer Jair Lapid wie auch viele andere sehen in der Justizreform eine „einseitige Aufhebung des demokratischen Charakters des Staates Israels“. Es sind nicht nur die Menschen auf der Straße, die weiter protestieren: Israelische Ärzt:innen und das Gesundheitssystem streiken nach Verabschiedung der Justizreform am heutigen Dienstag und haben sich in einen „Schabbat-Modus“ versetzt. Zuvor hatten bereits tausende Reservist:innen sowie 900 Mitglieder des Militärgeheimdienstes erklärt, nicht mehr zum Militärdienst einzurücken – ein empfindlicher Rückschlag für die so wichtigen Israel Defense Forces (IDF).

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Startups und Investoren ziehen ab

Ängste um die Demokratie des Landes treffen aber auch den Innovationssektor des kleinen Landes. Israel zählt zwar nur etwa 9,3 Millionen Einwohner:innen und ist damit hinsichtlich Bevölkerungszahl etwas größer als Österreich, aber kann laut IVC Data and Insights etwa 9.500 aktive Startups vorweisen. Im Land gibt es mittlerweile 90 Tech-Unicorns, zudem kaufen hier die Tech-Riesen dieser Welt wie Microsoft, Intel, Apple und Co. regelmäßig innovative Startups auf. Ein wichtiger Faktor: Viel US-VCs wie Bessemer Venture Partners, Insight Partners und Sequoia haben in Israel Büros, IT-Konzerne ihre R&D-Einrichtungen. US-Investitionen sind ein wichtiger Faktor für die Startup-Szene im Land.

„Die Befürchtung ist, dass die Reform den Markt destabilisiert und den liberalen Markt einschränkt“, erklärt Avi Lifshitz, CEO von weXelerate und ausgezeichneter Kenner der israelischen Innovationslandschaft. „Das schreckt Investoren ab, die großteils amerikanisch bzw. international sind.“ Und damit sei die Justizreform „negativ für die schnelle Weiterentwicklung des lokalen Innovations- und Startup-Markts. Ohne Geld, keine Musik.“

Die USA, wichtigster Verbündeter Israels, hat sich wegen der Justizreform bereits gemeldet. „Als lebenslanger Freund Israels hat Präsident Biden öffentlich und privat seine Meinung geäußert, dass größere Veränderungen in einer Demokratie, die Bestand haben sollen, einen möglichst breiten Konsens haben müssen“, heißt es in einer Erklärung der Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre. „Es ist bedauerlich, dass die Abstimmung heute mit der denkbar knappsten Mehrheit stattgefunden hat.“ Die US-Regierung drängt die israelische Führung, einen Kompromiss zur Justizreform zu finden.

Gründer:innen verlegen Bargeldreserven ins Ausland

Bereits vor der Abstimmung in der Knesset, bei der sich die Opposition aus Protest enthalten hat, haben israelische Startups begonnen, Maßnahmen zu setzen. Einer Umfrage von Startup Nation Central zufolge haben 68 Prozent der israelischen Startups damit begonnen, aktiv rechtliche und finanzielle Maßnahmen zu ergreifen, wie z. B. die Entnahme von Barreserven, die Verlegung des Hauptsitzes außerhalb Israels, die Verlagerung von Mitarbeiter:innen und Entlassungen. 22 % der Unternehmen haben ihre Barreserven außerhalb Israels diversifiziert, 37 % der Investoren geben an, dass Unternehmen in ihren Portfolios einen Teil ihrer Barreserven abgezogen und ins Ausland verlagert haben. 8 % der der Startups haben bereits mit der Verlegung ihres Hauptsitzes begonnen, 29 % haben die Absicht, dies in naher Zukunft zu tun. 67 % der Investoren sagen außerdem, dass Investitionen außerhalb Israels zunehmend zu einem Bestandteil der israelischen VC-Investitionsstrategie.

„Unternehmen und Investoren unternehmen aktive Schritte, um Aktivitäten aus Israel zu verlagern, und dieses Verhalten hat in den letzten drei Monaten deutlich zugenommen. Bedenkliche Trends wie die Registrierung eines Unternehmens im Ausland oder die Gründung neuer Startups außerhalb Israels werden sich nur schwer umkehren lassen“, so Avi Hasson, CEO von Start-Up Nation Central.

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