Marktanalyse

Chatbots nach dem Hype: „Es geht jetzt wirklich darum, echte Business-Cases zu schaffen“

Der Runtastic-Chatbot. © Jakob Steinschaden
Der Runtastic-Chatbot. © Jakob Steinschaden
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Vor knapp zwei Jahren trat Facebook-Chef Mark Zuckerberg vor die Weltöffentlichkeit, um zu verkünden, dass Chatbots die neuen Apps wären. Auch in Wien war die Startup-Szene euphorisch; schnell setzte man sich das Ziel, zu einem europäischen „Chatbot Hotspot“ zu wachsen. Das Wiener Startup Swell mit seinem Messenger-Bot wuchs seither auf fünf Millionen Nutzer an, Mica the Hipster Catbot hält bei 600.000 Nutzern. Öffentliche Einrichtungen wie das Patentamt oder die Stadt Wien ließen Bots fertigen, und Inkubatoren bzw. Accelerators wie Lemmings.io und Elevate sorgen sich um den Startup-Nachwuchs.

Facebook richtete 2017 einen eigenen Developer Circle in Wien ein, um das Thema zu pushen (Trending Topics berichtete). Auch Großunternehmen wie T-Mobile („Tinka„), A1 oder Wüstenrot haben Bots bereits im Kunden-Service im Einsatz.

Klar ist aber auch: Bots haben Apps noch lange nicht abgelöst, haben ihren Weg (auch durch die schwere Auffindbarkeit) zu den Massen noch nicht gefunden und tun sich mit der Monetarisierung schwer. Wie steht es also wirklich um das einstige Hype-Thema und Wien als Standort für Chatbots?

Wer wirklich Geld damit verdient

“Die Businessmodelle hinter den Bots müssen noch valide werden, derzeit geht es noch sehr stark um User-Wachstum”, sagt Maximilian Unger, Leiter des Chatbot-Accelerators Elevate von The Ventury in Wien. „Es geht jetzt wirklich darum, echte Business-Cases zu schaffen.“ Facebook zufolge gibt es derzeit 200.000 Chatbots für den Messenger, doch wie viele Nutzer diese Software-Helferlein wirklich benutzen, will niemand verraten.

Internationale Beispiele wie Poncho, ein New Yorker Startup mit 4,4 Millionen Dollar Risikokapital an Bord, zeigen, dass noch viel Investorengeld notwendig ist, um einen Chatbot am Leben zu erhalten (Trending Topics berichtete). Auch dort heißt es: „Vorrangig ist derzeit das Nutzerwachstum.“

Facebook ist darum bemüht, Entwickler davon zu überzeugen, Bots für die Messenger-Plattform zu entwickeln. Am Mittwoch Abend kamen dazu die beiden Facebook-Mitarbeiter Susann Fischer und Markus Brunner zum „World of Chatbots“-Meetup nach Wien. Wie man mit Bots Geld verdienen könnte, war von ihnen nicht zu erfahren. Lediglich: Für Facebook selbst sind Chatbots ein Geschäftsmodell. Um Aufmerksamkeit für sie zu schaffen, sollen Drittanbieter Geld für Werbung („Sponsored Messages“) zahlen.

Ein weiteres Grundproblem von Chatbots ist auch nicht gelöst: ihre Auffindbarkeit. Anders als in den App Stores von Apple und Google wissen nur wenige Konsumenten, wo sie überhaupt einen Bot suchen und finden können. “Die Auffindbarkeit von Bots ist noch ein großes Problem, daran müssen die Plattformen noch stark arbeiten”, sagt auch Unger.

Der Standort Wien

Der Hype um Chatbots ist vorüber, das sehen auch Vertreter der österreichischen Szene so. Andererseits gibt es zahlreiche Initiativen, die das Thema weiter bearbeiten. „Mit Grass-Roots-Programmen wie der Chatbot Conference, Elevate, Bots Hub, Facebook Developer Circles, Lemmings und vielen anderen Initiativen konnten wir nicht nur sehr schnell Know-how aufbauen, sondern auch international die besten Leute in dem Gebiet temporär und langfristig hier her holen“, sagt Thomas Schranz, Leiter von Lemmings.io. „Noch wichtiger ist, dass viele in Wien dadurch aktiv an der Gestaltung der Plattformen mitwirken konnten, egal ob es da um Features in Messenger, Viber, Kik und Slack geht oder darum, wie deren APIs designed werden.“

Thomas Schranz, der Gründer und CEO von Blossom. © Blossom.io
Thomas Schranz, der Gründer und CEO von Blossom. © Blossom.io

Spannend wird sein, ob Wien nach ersten Erfolgen wie Swell und Heroes.ai mit weiteren Startups international punkten kann. In welche Richtung wird sich die Branche entwickeln? „Wir sehen, dass sich die Chatbot-Landschaft nach dem Hype ändert. Es wird weniger Bots geben, aber dafür solche, die sich sehr stark an den Konsumenten orientieren und besser entwickelt sind“, sagt Natalie Korotaeva, Facebook Developer Circle Lead in Wien.

Was aus ihrer Sicht immer wichtiger wird, ist Marketing über Messaging-Bots. „Man kann Kunden viel einfach über Messenger erreichen, und die Öffnungsraten sind höher als etwa bei Newsletter. Ich denke, dass es immer mehr Bots gibt, die den Marketing-Prozess automatisieren werden“, sagt Korotaeva.

 

Natalie Korotaeva ist "Developer Circle Lead". © Timariuveo
Natalie Korotaeva ist „Developer Circle Lead“. © Timariuveo

Kann ein Bot eine App ersetzen?

„Dass Bots Apps, so wie wir sie kennen, ersetzen werden, wird in nächster Zeit nicht der Fall sein, falls überhaupt. Jedoch ist es gerade jetzt interessant zu sehen, wie viele kleinere Unternehmen sich Bots zunutze machen, um Mini-Anwendungen zu bauen. Das sind oft Firmen, die sich nie die Entwicklung von Apps leisten konnten und jetzt als Alternative oder Erweiterung zu ihrer Webseite diese Anwendungen als Bots innerhalb von Messenger betreiben“, sagt David Pichsenmeister vom Wiener Startup oratio, das sich auf Chatbots spezialisiert hat

Dass ein Bot alleine oft nicht reicht, zeigen zwei Beispiele: Die Stadt Wien hat den WienBot zuerst auf Messenger gelauncht, Ende 2017 dann aber auch eine App für iPhone und Android mit ähnlichen Funktionen auf den Markt gebracht. Auch Poncho, eines der Vorzeigeprojekte der Szene, hat eine native App seiner Wetterkatze längst am Start und erzielt damit viele Zugriffe.

Poncho-Mitgründer Greg Leuch im Gespräch. © Jakob Steinschaden
Poncho-Mitgründer Greg Leuch im Gespräch. © Jakob Steinschaden

Alexa und Co im Aufwind

Derzeit ist Facebooks Messenger (rein nach Anzahl) die führende Plattform für Chatbots. Doch soll man auch künftig auf sie setzen? Amazons Sprachsteuerung Alexa hat sich, integriert in verschiedene Geräte, bis dato 20 Millionen Mal verkauft, Google Assistant ist mittlerweile auf rund 100 Millionen Geräten weltweit vorinstalliert.

„Alexa und Co haben sich im Dezember gut verkauft. Ähnlich wie bei Bots auf Messenger gibt es jetzt viele Hoffnungen und Möglichkeiten“, sagt Thomas Schranz vom Bot-Inkubator Lemmings.io leitet. „Siri, Alexa, Cortana, Google Home und Co sind auf jeden Fall sehr spannende Plattformen und ähnlich allgegenwärtig wie Plattformen wie Messenger. Dass hier sehr spannende Apps und Services kommen werden, ist denke ich auch nur eine Frage des Wann und nicht des Ob.“

Dass Sprachsteuerungstechnologie für Alexa-Geräte und Google Assistant sehr gefragt ist, zeigte auch der Einstieg von Google bei der Wiener IT-Firma StreamUnlimited (Trending Topics berichtete). Auch dieser Deal wird dafür sorgen, dass künftig noch mehr Geräte mit Googles intelligentem Assistenten ausgerüstet ist. Gerade mit der steigenden Vielfalt von Geräten, mit denen man täglich interagiert (Laptop, Smartphone, Smartwatch, SmartTV, Home Assistant, Auto, etc.) wird ein vereintes Interface immer sinnvoller“, sagt David Pichsenmeister. „Natürliche Sprache bietet sich hier natürlich an, vor allem in sogenannten „hands-free environments“, in denen es nicht möglich ist beide Hände am Smartphone zu haben.“

Markus Rutz (CTO) und Frits Wittgrefe (CEO) von StreamUnlimited. © Sebastian Philipp
Markus Rutz (CTO) und Frits Wittgrefe (CEO) von StreamUnlimited. © Sebastian Philipp

Problemkind WhatsApp

Sowohl Unternehmen als auch Entwickler hegen seit längerem die Hoffnung, dass auch die Messaging-App WhatsApp in Besitz von Facebook für Chatbots geöffnet wird. Nur: Die dafür notwendige Programmierschnittstelle (API) gibt es noch immer nicht. Stattdessen brachte man kürzlich „WhatsApp Business“ auf den Markt (derzeit nur für Android in ausgewählten Märkten, nicht in Österreich und Deutschland verfügbar). Die App soll kleinen Unternehmen helfen, mit ihren Kunden über den Kanal zu kommunizieren.

Zwar ist es technisch möglich, Chatbots auch ohne API über WhatsApp kommunizieren zu lassen, doch laufen Entwickler dann in eine rechtliche Grauzone. Denn WhatsApp verbietet das laut seinen Nutzungsbedingungen. „Der Ruf nach einer WhatsApp-API wurde in den letzten Jahren immer lauter“, sagt David Pichsenmeister vom Wiener Startup oratio, leider gebe es sie bis heute nicht. „WhatsApp wird definitiv zukünftig Business Features anbieten, jedoch in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt, ist derzeit noch unklar.“ Seine Firma musste die Unterstützung für WhatsApp als Kanal einstellen, immerhin eine gefragte Funktion von Kunden.

Mica, the hipster cat-Erfinderin Barbara Ondrisek. © Barbara Ondrisek
Mica, the Hipster Cat Bot-Erfinderin Barbara Ondrisek. © Barbara Ondrisek

„Ich denke, dass sich WhatsApp als Produkt von Facebook ja absichtlich von Facebook Messenger abheben und sich eher auf Telefonie und sichere One-To-One-Kommunikation spezialisieren möchte, deswegen wird es meines Erachtens so bald keine Bot-Schnittstellen auf WhatsApp geben“, sagt Barbara Ondrisek, die den Chatbot Mica entwickelt hat. Stattdessen solle man sich auf andere Plattformen wie Messenger, Skype, Telegram, Line oder Kik fokussieren oder Chatbots direkt Webseiten einbauen, wie es T-Mobile mit Tinka vorzeigt.

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