Analyse

E-Fuels: Ein ziemlich schwacher Kraftstoff

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Seit Ende Juni steht fest, wie sich die EU-Umweltminister:innen die Zukunft der (individuellen) Mobilität vorstellen: Das Aus der Verbrennungsmotoren ab 2035 ist fix, Autos, die mit klassischen Dieselmotoren oder Motoren mit Benzinantrieb ausgestattet sind, dürfen ab dann nicht mehr zugelassen werden. Glaubte man zumindest.

Es gibt nämlich ein Hintertürchen: Die sogenannten E-Fuels, synthetisch hergestellte Kraftstoffe, die weiterhin getankt werden dürfen. So sollen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 neu zugelassen werden, wenn sie nachweislich nur mit E-Fuels betrieben werden. Dann stellt sich allerdings die große Frage: Wie geht der Nachweis? Auch nach 2035 wird es Benzintankstellen geben, und kontrolliert dann der Tankwart?

Diskutiert und lobbyiert wird derzeit jedenfalls fleißig, das zeigt sich derzeit recht gut am VW-Führungswechsel und den Telefonaten zwischen Porsche und dem deutschen Finanzminister Christian Lindner.

Der Finanzminister und der Porsche-Chef

Es ist eines der dominierenden Themen in den deutschen Medien: Auf VW-Chef Herbert Diess folgt Oliver Blume. Bereits ab dem 1. September 2022 wird Blume, bisher CEO der VW-Marke Porsche, das Steuer bei VW übernehmen. Er wird künftig aber nicht nur die Geschicke von Volkswagen leiten, sondern auch bei Porsche, das als eigenes Unternehmen an die Börse gebracht werden soll, an der Spitze bleiben.

Die Gründe für den Wechsel sind vielfältig, Diess dürfte unter anderem der Misserfolg bei der VW-eigenen Software zum Verhängnis werden, zudem entpuppte das Tochterunternehmen Cariad als Milliardengrab. Kritik kam auch vom (mächtigen) VW-Betriebsrat, als Diess mit dem Gedanken spielte, 30.000 Mitarbeiter:innen einzusparen. Zuletzt gab es dann auch noch Vorwürfe, er sei zu wenig Teamplayer und habe Fehler beim China-Geschäft gemacht. Der Absatz der Volkswagen-Gruppe auf dem weltgrößten Automarkt ist 2021 um 14 Prozent eingebrochen.

Herbert Diess hat VW gepusht – und jetzt pusht VW den Österreicher

Klar ist aber auch: Im Gegenteil zu Diess gilt sein designierter Nachfolger als „E-Fuel-Influencer der Bundesregierung“, wie der Spiegel schreibt. Mittlerweile als gesichert gilt auch, dass Blume damit geprahlt hat, seinen politischen Einfluss für die Ausnahmeregel betreffend E-Fuels verwendet zu haben.

Er habe „fast stündlich“ Nachrichten von Lindner aus den Koalitionsverhandlungen der „Ampelregierung“ erhalten. Das wurde zwar im Nachhinein als „überspitzt formuliert“ abgetan und Blume hat sich mittlerweile auch entschuldigt, das schiefe Bild bleibt aber. Von der FPD (Lindners Partei) hieß es übrigens, er habe sich dafür eingesetzt, weil Blumes Überzeugungen auch seinen eigenen entsprochen hätten.

Blume mit ehrgeizigen Zielen

Blume selbst sieht sich übrigens nicht als Verfechter der Verbrenner, im Gegenteil. Tatsächlich sollen laut dem neuen CEO 2030 80 Prozent der von Porsche ausgelieferten Fahrzeuge voll elektrisch sein, das ist sogar mehr, als VW unter Diess angekündigt hatte (wenngleich bei mehr Modellen und insgesamt mehr ausgelieferten Autos).

Auch für den elektrischen Taycan ist Blume federführend verantwortlich. Dennoch geht in Deutschland die Sorge um, dass sich der VW-Konzern „vom Markt regeln lasse“, die „Brummbrumm-Lobby“ auf dem Vormarsch sei und offen sei, was die „Konzernhaltung zu E-Fuels“ bedeute.

E-Fuels: Wenig Wirkungsgrad & sehr teuer

Bei der letzten Frage lohnt sich eine nähere Betrachtung, immerhin gibt es auch in Österreich E-Fuel-Ausnahmen. Auch hierzulande soll nach 2035 noch mit synthetisch erzeugtem Benzin und Diesel gefahren werden dürfen. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit (zumindest nach aktuellem Stand der Technologie) ist erlaubt: Der Wirkungsgrad bei E-Fuels liegt bei nur rund zehn bis 15 Prozent – was übrigens auch VW als Problem ansieht. Zum Vergleich: Elektroautos haben einen Wirkungsgrad von bis zu 80 Prozent.

Dazu kommt, dass die Herstellung von E-Fuels sehr energieintensiv ist: Für einen Liter E-Fuels braucht es bis zu 27 Kilowattstunden an Strom. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erklärt, dass das Herstellen von E-Fuels rund fünf Mal so viel Energie verbraucht, als den Strom direkt zu nutzen. „Gegen eine baldige Markteinführung auf breiter Front sprechen der schlechte Wirkungsgrad, die aufwendige, also teure Herstellung und fehlende Industrieanlagen“, fasst etwa der ÖAMTC zusammen.

Elektroautos verursachen weniger CO2

Und: Auch E-Fuels verursachen CO2. Wie die Tagesschau berichtet, würde ein Auto, das mit einer Mischung aus E-Fuels und Benzin angetrieben wird, die Emissionen im Vergleich zu konventionellen Verbrennern nur um fünf Prozent reduzieren. Bei reinen E-Fuels, die erneuerbar hergestellt werden, ist das Verhältnis immer noch schwach: Ein Elektrofahrzeug würde 53 Prozent weniger CO2-Emissionen verursachen als ein Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen. Warum also Energie zur Erzeugung von E-Fuels verwenden, wenn man sie auch direkt zum Laden verwenden könnte?

Das Auto wird zum App-Store-Albtraum

Einige wenige Vorteile

Die Vorteile der synthetischen Treibstoffe sind vergleichsweise überschaubar: Das Tankstellennetz könnte weiterhin genutzt werden, und im Vergleich zu „klassischen“ Treibstoffen sind der Schwefel- und Russ-Ausstoß geringer.

Nach derzeitigem Stand bleibt dennoch ein unwirtschaftliches System: Werden E-Fuels auch in den nächsten Jahren produziert wie derzeit, würde ein Liter hochgerechnet etwa 4,50 Euro kosten. Schwer zu glauben, dass das jemand zahlt, wenn ein Teil der Bevölkerung schon bei 1,50 Euro für den Liter Schwierigkeiten bekommt. Die Rechnung, wonach E-Fuels „sauberer“ sind, funktioniert übrigens auch nur, wenn sie aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt werden. Das Thema ist bereits vom Wasserstoff bekannt.

E-Fuels für Flugbranche und Schifffahrt

Warum wird also überhaupt an E-Fuels geforscht? Das hat verschiedene Gründe, wirtschaftliche wie auch politische. Es gibt Bereiche, wo Treibstoff-Äquivalente durchaus Sinn haben können, etwa in der Flugbranche. Die EU fordert, dass ab 2025 zwei Prozent der Kraftstoffe in der Branche klimafreundlich sein sollen, bis 2040 dann 37 Prozent und bis 2050 dann mindestens 85 Prozent.

Expert:innen warnen allerdings schon seit geraumer Zeit davor, dass E-Fuels alleine hier nicht reichen werden. Zudem wehren sich auch die Fluggesellschaften Europas gegen die Vorgaben; die Sorge ist, dass die Konkurrenz aus anderen Kontinenten preislich uneinholbar wird. Dabei ist klar, dass nur die volle Kostenwahrheit langfristig einschneidende Änderungen nach sich ziehen wird. Elektrisch fliegen werden wir so schnell aber nicht, insofern ist die Entwicklung prinzipiell nachvollziehbar.

Ähnlich verhält es sich in der Schifffahrt. Der ADAC etwa schreibt in einer Betrachtung der Zukunftschancen von E-Fuels:

Experten sehen das Einsatzgebiet von E-Fuels aufgrund des schlechten Wirkungsgrads nicht im Pkw, sondern in Transportbereichen, wo weder ein Elektro- noch ein Brennstoffzellenantrieb in Frage kommt. Das wäre vor allem in Flugzeugen und Schiffen der Fall. Denn hier müsste man extrem große Batterien bzw. Wasserstofftanks mitführen, so dass vom Transportvolumen zu wenig übrig bliebe. Synthetische Kraftstoffe hingegen beanspruchen wegen ihrer hohen Energiedichte nicht mehr Raum als Kerosin und Diesel und wiegen auch nicht mehr.

Politisches Hickhack

Die heimische Politik zeigt sich uneinig. Klimaministerin Gewessler verteidigte die Einigung und verwies darauf, dass es andernfalls wohl gar keinen gemeinsamen Nenner gegeben hätte. Greenpeace sieht ein „Luftschloss“ und auch der VCÖ zeigt sich skeptisch. Der ÖAMTC wiederum hat schon mit dem Verbot der Verbrenner ein Problem und sieht soziale Ungerechtigkeit und „nicht zielführende“ Pläne.

Es sei möglich, „die bestehende Flotte klimafreundlicher zu machen“ (also alle Autos, die schon auf den Straßen sind), allerdings dürfe es dann „nicht zum generellen Verbot von Verbrennungsmotoren kommen“. Das unterschreibt auch die FPÖ, die eine „ideologiegetriebene Sackgasse“ sieht – allerdings beim generellen Verbot von Verbrennungsmotoren.

Auch die europäische Industrie befürchtet, noch abhängiger von Asien zu werden – von dort kommen die meisten Akkus. Logisch also, dass EU-Autobauer weiterhin ihre Motoren benutzen wollen. „Die EU darf einer klimaneutralen Zukunft des Verbrennungsmotors durch nachhaltige synthetische & Bio-Treibstoffe nicht die Tür zuschlagen. Das gefährdet unseren Wirtschaftsstandort und verlagert die Rohstoffabhängigkeit nach China“, so WB-Generalsekretär und ÖVP-Abgeordneter Kurt Egger.

Der beliebte 911er

Gleiches ließe sich auch umdrehen. Noch einmal der Blick nach Deutschland – und die Frage, warum sich Oliver Blume und Konsorten für E-Fuels einsetzen. Gerade Porsche setzt auf röhrende Motoren der 911 sei „beliebt wie nie“. Wenngleich etwa auch der ikonische 911er „elektrifiziert“ werden könnte, geplant ist jedenfalls eine Hybrid-Variante. Man will das Kultauto also auch künftig unbedingt als Verbrenner anbieten können, auch nach 2035. Auch Porsche weiß aber wohl, dass E-Fuels bis dahin eher keine entscheidende Rolle spielen werden.

Dennoch macht das Lobbying Sinn: Sind E-Fuels erlaubt und akzeptiert, könnten (auch wenn das derzeit nicht vorgesehen ist) dennoch klassische Verbrenner zugelassen werden dürfen, man kann sie ja mit E-Fuels tanken. Wer das dann kontrollieren soll, ist eine andere Frage. Wohin der Weg von VW künftig gehen wird, ist auch noch offen – klar ist aber, dass sich die Strategie unter Oliver Blume ändern und uns die E-Fuel-Debatte wohl noch einige Jahre begleiten wird.

VW-Chef Herbert Diess über Wasserstoff, Atomstrom und das Geschäftsmodell der Zukunft

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