Wissenschaft

Wie das Hochwasser und die Erderwärmung zusammenhängen

Wiener Donaukanal während Hochwasser. © X.com
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Mindestens acht Tote, zehntausende Evakuierungen, lahmgelegte öffentliche Infrastruktur und Schäden, die wohl in die Milliarden gehen: Der Extremregen mit Hochwasserfolgen hat Mitteleuropa fest im Griff. Neben Österreich sind auch Länder wie Tschechien, Polen und Rumänien schwer betroffen, auch in der Slowakei und in Ungarn bereitet man sich bereits auf mögliche Überflutungen vor.

Die Ursache ist klar: Tagelanger Starkregen mit deutlich über 300 Liter pro Quadratmeter etwa in Niederösterreich, das zum Katastrophengebiet erklärt wurde, hat Flüsse, Bäche und Kanalisation zum Überlaufen gebracht, die Wassermassen bahnen sich ihren Weg durch Straßen, Fußballfelder, U-Bahn-Tunnel, Keller. Der Wienfluss etwa, ansonsten ein kleines Bächlein, führte am Wochenende das Tausendfache der Wassermengen. Es ist eine Katastrophe mit Ansage – bereits vor einer Woche waren Warnungen eingegangen, dass es zu dem tagelangen Starkregen kommen werde.

Mittlerweile wird von einem 100-jährlichen Hochwasser gesprochen – also ein Hochwasser, dass an einem Fließgewässer statistisch nur einmal in 100 Jahren vorkommt (Abkürzung HQ100). Allerdings gab es solche HQ100 bereits schon 2002 und 2013, wie man auf der Webseite des Klimaschutzministeriums sieht – es passiert also deutlich öfter als bloß alle 100 Jahre. Wer die Klimaforschung berücksichtigt hat, der sollte sich ob der Ereignisse nicht überrascht zeigen, da es logische und belegte Zusammenhänge zwischen Erderwärmung und Extremregen, wie er derzeit in Mitteleuropa zu sehen ist, gibt.

„Seit 35 Jahren sagen die Klimamodelle, dass extreme Regenereignisse zunehmen“

„Seit 35 Jahren sagen die Klimamodelle, dass durch die Erderwärmung hier starke, extreme Regenereignisse zunehmen“, sagt etwa der Klimaforscher Stefan Rahmstorf, der seit über 30 Jahren zum Klimawandel und seinen Folgen forscht und heute am Potsdam-Institut für Klimaforschung (PIK) tätig ist. Bereits seit den 1980er Jahren würden Klimamodelle Extremregenereignisse auf theoretischer Basis vorhersagen, nun würde man sie eben vermehrt in der Realität sehen.

„Hauptgrund dafür ist, dass wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann, und zwar pro Grad Erwärmung sieben Prozent mehr“, erklärt Rahmstorf. Die Verdunstung nehme aber nur zwei bis drei Prozent pro Grad zu. Es dauere dann länger, bis die einmal abgeregnete Luft als Feuchtigkeitsspeicher wieder die Mengen an Wasser, die sie zuvor durch den Starkregen verloren hat, wieder aufgenommen hat. Das sei der Grund, warum es dann insgesamt weniger oft regne – aber wenn, dann stark. In einer Studie von 2021 hätte man bereits gezeigt, dass die Extremniederschläge zunehmen würden.

Zu beachten ist laut Rahmstorf auch, dass sich Landgebiete deutlich stärker erwärmen, „typischerweise anderthalb bis doppelt so schnell wie die globale Mitteltemperatur“. Wenn man also von einer Erderwärmung von 1,5 Grad spricht, dann würde das für Landflächen bereits drei Grad bedeuten. „Die Ozeane erwärmen wesentlich langsamer, unter anderem aufgrund der thermischen Trägheit.“

Europa besonders durch schwere Niederschläge bedroht

Dazu kommt, dass viele Flächen vor allem in Städten, aber auch in ländlichen Regionen zunehmend versiegelt wurden. Das bedeutet, dass das Wasser bei starken Niederschlägen weniger Möglichkeiten hat, sich auszubreiten und im Boden zu versickern. Dadurch läuft es schneller in die Flüsse, die dann rasch über die Ufer treten und für die Überschwemmungen sorgen.

Der Weltklimarat hat in seinem letzten Bericht (Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC) eine Analyse über die Weltregionen gemacht, die von schweren Niederschlägen bedroht werden. Insbesondere Nordeuropa, aber auch West-, Mittel- und Osteuropa gehören zu den Regionen, die eine signifikante Zunahme von Starkregen verzeichnen. „Überall, wo wir genug Daten haben, um das klar zu beurteilen, sehen wir eine Zunahme von Starkregen“, so Rahmstorf.

Das Phänomen, das man diesen Sommer auch in Österreich beobachten kann (weniger Regen, aber wenn, dann heftig) wird auch von einer Studie der ETH Zürich von Professor Christoph Schär am Institut für Atmosphäre und Klimawissenschaften beschrieben. Schär ist aber, was einen direkten Zusammenhang zwischen Klimawandel und Starkregen angeht, etwas zurückhaltend. Jedenfalls: „Für mich ist klar, dass zumindest ein Anfangsverdacht gegeben ist, denn das Muster der Ereignisse deckt sich mit dem, was wir vom Klimawandel erwarten“, sagte er im August gegenüber dem Tagesanzeiger.

Sein Forschungs-Team zeigt jedenfalls in einer Studie, dass es im Sommer in den alpinen Regionen bis Ende des Jahrhunderts um 20 bis 40 Prozent weniger regnen wird, falls die globale Erwärmung in gleichem Maße zunimmt wie bisher. Zu erklären sei das unter anderem durch häufigere Hochdrucklagen. Die Intensität der Regenereignisse nehme im Sommer deutlich zu, weil durch die Erderwärmung mehr Wasser in der Atmosphäre befinde. Die Forscher:innen gehen auch davon aus, dass es durch den erhöhten Niederschlag zu einem Anstieg der Hochwasserspitzen kommen wird.

Überschwemmungen und Dürren sind kein Widerspruch

Worauf Schär auch hinweist: Der sprichwörtliche Überfluss an Wasser würde aber auch mit Wasserknappheit einhergehen können. „Der absolute Wassergehalt in der Atmosphäre nimmt zwar überall zu, doch die relative Feuchte kann regional auch abnehmen. Es wird also mehr Wasser aus den Böden verdunsten. Gleichzeitig nimmt die Wolkenbildung ab und es fallen weniger Niederschläge.“ Nicht nur für Südeuropa oder Nordafrika sei das ein Problem, sondern etwa auch für die Alpennordseite. Durch häufigere Trockenperioden könne es etwa auch vermehrt Waldbrände geben.

Auch laut Rahmstorf seien Überflutungen wie aktuell und Dürreperioden kein Widerspruch. „Die Skeptiker waren jetzt auch wieder unterwegs nach dem Motto: Wenn Dürre ist, sagen die Klimaforscher, das liegt an der Erderwärmung, und wenn es zu stark regnet, sagen die Klimaforscher, es liegt an der Klimaerwärmung“, so Rahmstorf. „Aber Fakt ist, dass beides durch die Erderwärmung zunimmt.“ Das läge einfach an der Clausius-Clapeyron-Gleichung.

Diese wurde 1834 von Émile Clapeyron entwickelt und später von Rudolf Clausius aus den Theorien der Thermodynamik abgeleitet. Vereinfacht gesagt besagt diese Formel, dass umso mehr Wasserdampf von der Luft aufgenommen werden kann, umso wärmer sie ist. Zusätzlich steige auch der so genannte Dampfhunger exponentiell mit der Wärme: Der Dampfhunger meint, dass die Luft nicht immer mit Wasser gesättigt ist und dann noch zusätzliches Wasser zieht. Meist liegt die Luftfeuchtigkeit bei etwa 60%. Wenn diese Luft über wärmeren Boden streicht, dann trocknen die Böden und die Vegetation schneller aus. „Das ist ja das, was wir mit Dürre meinen.“

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