Forschung

Künstlicher Humus soll Bodenqualität massiv steigern

Künstlicher Humus ist im Fokus der Forschung ©pixabay
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Der Bodenverbrauch ist in Österreich immer noch ein polarisierendes Thema. Gesunken ist dieser in den letzten Jahren nämlich nicht. Im Gegenteil: Gemäß dem österreichischen Umweltbundesamt wird in Österreich zu viel Boden verbraucht. Als in Anspruch genommene Flächen werden Gebiete definiert, in welchen durch „Verbauung für Siedlungs- und Verkehrszwecke, aber auch für intensive Erholungsnutzungen, Deponien, Abbauflächen, Kraftwerksanlagen und ähnliche Intensivnutzungen“ biologisch produktiver Boden verloren geht.

Das soll sich aber zukünftig ändern. Dafür beschloss die Regierung im Oktober diesen Jahres das Österreichische Raumentwicklungskonzept 2030In diesem wurde festgehalten, dass der Bodenverbrauch bis 2030 auf täglich 2,5 Hektar begrenzt werden soll. Das ist somit ein deutlich niedriger Wert zu dem aktuellen täglichen Bodenverbrauch, denn 2020 wurden noch täglich 11,5 Hektar asphaltiert, bebaut und versiegelt.

Wie dieses Ziel aber auch in die Realität übertragen werden soll, ist bisher noch offen. So ist zwar angegeben, dass mit dem Beschluss des Konzeptes am 20. Oktober die Arbeiten an diesem „Pakt“ direkt beginnt, aktive Maßnahmen fehlen aber bisher, wir berichteten.

Doch dies ist nur ein Aspekt der Boden-Debatte. 

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Bodenverschlechterung der Acker- und Weideflächen

Der zweite, gravierende Aspekt der Debatte ist die Bodenverschlechterung unserer Anbauflächen.

Auf die Ausmaße dieser Verschlechterung macht auch das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) unter Berufung auf die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinigten Nationen in einer aktuellen Aussendung aufmerksam: Fast zwei Milliarden Hektar Acker- und Weideland sind weltweit durch Überdüngung, Abholzung, Versalzung und Überweidung von mäßiger bis schwerer Bodenverschlechterung betroffen.

Dies hat laut dem Institut nicht nur zur Folge, dass die Erträge sinken, die Artenvielfalt immer weiter bedroht wird und die Qualität des Grundwassers sinkt, sondern vor allem auch dass in den Böden deutlich weniger Kohlendioxid gebunden werden kann.

Künstlicher Humus für besseren Boden 

Das wollen die Forschenden aber nun ändern. Um dem entgegenzuwirken, stellte das Institut daher eine neue Technologie vor. Mit künstlichen Huminstoffen wollen sie den natürlichen Vorgang des Abbauprozesses von biologischem Material im Labor beschleunigt nachahmen, um so die Bodenqualität zu verbessern.

Wie so oft in der Forschung,  haben die künstlichen Huminstoffe ihr Vorbild in der Natur. Die Huminstoffe sind der Bestandteil des fruchtbaren Humusbodens, welche diesem seine dunkle Farbe verleihen. Doch bis diese Stoffe in der Natur durch den natürliche Abbauprozess entstehen, dauert es Jahre.  Zu lange für die heute schon geschädigten Böden. 

Das bestätigt auch der  Direktor des MPIKG, Markus Antonietti: „Im Hinblick auf die weltweit zunehmend schlechte Bodenqualität müssen wir schneller sein als die Natur, denn in ein paar Jahren müssen 10 Milliarden Menschen ernährt werden und die Klimakrise gilt es auch zu bewältigen“

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Humusbildung in 12 Stunden

Die Beschleunigung des natürlichen Prozesses, konnten die Forschenden nun auch schon bereits erreichen. In rund 12 Stunden konnten die Forschenden ein Produktgemisch entwickeln, das mit den natürlichen Huminstoffen vergleichbar ist, so die Angaben des MPIKG. Verwendet hat das Forschungsteam dafür Bioabfälle, wie beispielsweise Grünschnitt, Laubabfälle oder Baumrinde. Laut dem Forschungsinstitut wurden diese durch ein spezielles Kochrezept „humifiziert“. Dadurch wurden die natürlichen Prozesse beschleunigt nachgeahmt.

Wieviel CO2 diese Technologie tatsächlich einsparen könnte, zeigt eine Rechnung von Professor Antonietti: „Zwei Milliarden Hektar Ackerland brauchen tatsächlich zwei Milliarden Tonnen Huminstoffe, binden aber dann wohl bis zu 350 Milliarden Tonnen CO2 durch Rückkehr der Bodenbiologie“ Das entspreche, laut dem Max-Planck-Institut, der Menge die in den letzten zehn Jahren zusätzlich von der Menschheit emittiert wurde.

Dies bestätigten laut Markus Antonietti auch jüngste Laborversuche ihrer chinesischen Partnergruppe von der Northeast Agricultural University in Harbin. „Jüngste Laborversuche mit unserer chinesischen Partnergruppe von Frau Prof. Fan Yang von der Northeast Agricultural University in Harbin, deuten darauf hin, dass künstliche Huminstoffe die Bodenqualität sowie die landwirtschaftliche Produktivität ganz wesentlich verbessern können und zudem ganz außerordentlich zur Kohlendioxidbindung beitragen“, so Antonietti.  

Doch nicht nur am MPIKG selbst und an der Partneruniversität, sondern auch darüber hinaus hat die Möglichkeit, durch künstlichen Humus die Bodenqualität zu verbessern, bereits Aufmerksamkeit erlangt. So wurde die „Artificial humic matter from biomass“-Technologie heuer von der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC)  in der Liste „Top Ten der aufkommenden Technologien in der Chemie 2021“ gewürdigt. 

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Weniger Umweltbelastung durch Gurkenwasser

Aber ein Beispiel aus der Praxis zeigt bereits seit Jahren, dass sich manche Lösungen nicht nur im Labor erforschen lassen, sondern direkt aus der Praxis kommen. Beziehungsweise in dem Fall: Aus den Resten eines Gurkenproduzenten. Dabei soll vor allen Dingen der Versalzung der Böden Einhalt geboten werden. 

Seit 2019 arbeitet das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr mit dem Gurkenproduzent Develey Senf & Feinkost GmbH zusammen, um die Menge an Salz, die beim Streuen im Winter in die Umwelt gelangt, zu verringern. Dazu werde die Gurkengärlake, die bei der Produktion von Salzgurken entsteht und normalerweise über eine Kläranlage entsorgt wird, aufbereitet und dem Winterdienst als Sole zur Verfügung gestellt.

Laut dem Ministerium hätten zahlreiche Tests und Analysen ergeben, dass die Sole zum einen ohne Bedenken auf die Straßen aufgebracht werden könne und zum anderen ein gleichwertiger Ersatz für die Salzsole sei.

Das Pilotprojekt hat sich nun in den vergangenen Wintern bereits in der Praxis erwiesen. Daher wird es fortgesetzt. So sollen diese Wintersaison laut Angaben des Bayrischen Verkehrsministeriums mindestens 1.000 Tonnen der Gurkengärlake von Develey abgenommen werden. Die Behörde plant dadurch rund 140 Tonnen Salz und 1 Million Liter Wasser einzusparen. Diese Mengen sollen zukünftig sogar noch gesteigert werden. In den nächsten Jahren sollen bis zu 4,9 Millionen Liter Wasser und 700 Tonnen mögliches Salz durch die Gurkenlauge eingespart werden.

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