Interview

Linzer Bürgermeister: „Die Startup-Förderungen zu reduzieren, war sicher kontraproduktiv“

Klaus Luger ist Bürgermeister von Linz © Luger
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„Linz soll die Stadt der Startups werden – als europäische Antwort auf die Gründerkultur im Silicon Valley“, sagte der Linzer Bürgermeister Klaus Luger vergangenes Jahr beim Kick-off zum Startup Campus in der Tabakfabrik. Die Tabakfabrik ist eine riesige historische Produktionshalle, die derzeit zu einem Wirtschafts-Campus für innovative Unternehmen aus und umgebaut wird. Das Business-Angel-Netzwerk Startup300 ist hier untergekommen und belegt mit Coworking-Space, Startup-Büros und Veranstaltungsfläche mehr als 3.000 Quadratmeter. Mit der „Creative Region Upper Austria“ ist auch die Kreativwirtschaft Teil der Tabakfabrik und demnächst wird es auch einen Makerspace geben, in dem einfach Prototypen gebaut werden können.

Luger ist Aufsichtsratsvorsitzender der Tabakfabrik und gilt als treibende Kraft hinter dem Ausbau des Startup-Ökosystems in der Stadt. Wir haben uns mit ihm über die Entwicklung von Linz im Speziellen und Standortpolitik für Startups im Allgemeinen unterhalten.

Trending Topics: Startups haben in Linz eine hohe Priorität. Wieso liegt Ihnen das Thema so am Herzen?

Klaus Luger: Ich bin deshalb so engagiert, weil ich der Überzeugung bin, dass Linz als Industriestadt auch eine starke Zukunft haben soll. Dafür bedarf es Innovation und vor allem die Bewältigung der Digitalisierung. Vor allem die Big Player mit tausenden Mitarbeitern, die wir in der Stadt haben, benötigen auch Innovation von außen. Wir haben in den letzten Jahren einen guten Transformationsprozess der Johannes-Kepler-Universität geschafft – es sind die technischen Studienrichtungen massiv und auch qualitativ ausgebaut worden. Dadurch ist in den letzten Jahren ein riesiges Potenzial an jungen kreativen, nicht nur IT-lastigen Projekten entstanden, aus denen Firmen hervorgegangen sind. Es gibt mittlerweile einige Rolemodels in der Szene wie Dynatrace, Catalysts oder Runtastic. Die sind aus Startups hervorgegangen. Ich möchte diesen Prozess forcieren.

Wieviel Geld nimmt die Stadt Linz für das Startup-Ökosystem in die Hand?

Ich habe die Tabakfabrik vor drei Jahren, als ich den Aufsichtsratsvorsitz übernommen habe, zur Drehscheibe dieser Innovation und Transformation gemacht. Das klare Ziel ist es, die Arbeitsplatzchancen der Zukunft zu gestalten.

Direkt für die Tabakfabrik geht es um eine Aus- und Umbausumme von 40 Millionen Euro, von der bereits etwa die Hälfte tatsächlich investiert wurde. Es geht aber auch um nicht direkt budgetär bezifferbare Maßnahmen der Stadt. Wir formen das Ökosystem und schaffen Infrastruktur. In der Tabakfabrik schaffen wir in diesen Wochen einen Raum für alle, wo Kommunikation und Austausch zwischen IT-Unternehmen, Werbebranche, Finanzdienstleistern und der Kreativwirtschaft stattfindet. Die Tabakfabrik soll zur Drehscheibe für die unterschiedliche Unternehmen werden. Es kommt auch ein Makerspace, der vor allem für Kinder gedacht ist, die nicht HTLs besuchen. Auf den ersten Blick wirkt das sehr vielfältig und nicht organisiert, ist jedoch realiter hoch organisiert und strukturiert.

Wie sieht die längerfristige Strategie für die Tabakfabrik aus?

Wir werden bis Ende nächsten Jahres die historischen Teile der Tabakfabrik vermietet haben. Derzeit haben wir mehr als 300 Bewerber auf einer Warteliste, die wahrscheinlich gar nicht zum Zug kommen. Wir vergeben nicht danach, wer mehr bezahlt – da wären wir schon lange ausgebucht. Wir wollen Mieter, die zu uns passen. Es gibt deshalb auch keine direkten Subventionen. Dieses System ist mit Ende nächsten Jahres räumlich ausgeschöpft. Am nicht-denkmalgeschützten Bereich wird dann ein zusätzlicher Bauteil errichtet, für den der Architekturwettbewerb bereits abgeschlossen ist.

Was wird der Neubau enthalten?

Die Planung hat drei Schwerpunkte: Unternehmen, die für die Tabakfabrik zu groß werden, sollen in dem Hochhaus eine Option haben. Wir möchten auch Wohnraum für Residents zur Verfügung stellen, die nur projektbezogen in Linz sind. Das würde auch nach den Arbeitszeiten für eine Grundbelebung sorgen. Die dritte Säule bilden eine neue HTL oder AHS für Digitalisierung zu entwickeln. Das wird im zweiten Quartal 2019 fixiert – da ist unter anderem die Industriellenvereinigung eingebunden.

Mit dem Hafenviertel gibt es noch einen zweiten Standort, der sich gerade für Startups anbietet. Wie entwickelt sich die Situation dort?

Die Fläche dort ist nur ein Bruchteil dessen, was wir in der Tabakfabrik haben. Dort gibt es einen anderen Zugang, weil es dort beinahe einen exklusiven Fokus auf IT gibt. In der Tabakfabrik sind wir zwar IT-lastig, wollen aber vielfältig sein und auch Kreative sowie Sozialunternehmen einbinden. Der Hafen hat sich durch die ursprüngliche Kooperation mit dem TechCenter zu einer technologischen Location entwickelt. Das ist gut und wichtig, aber der kreative Startup-Anteil ist dort relativ gering.

Was passiert mit dem alten TechCenter-Gebäude, wenn der Inkubator tech2b auszieht?

Das ist der Plan des Landes Oberösterreich, das tech2b in die Tabakfabrik zu übersiedeln. Dafür gibt es eine Vorreservierung. Im TechCenter werden die Flächen dann normal vermietbar sein. Das wird auch kein Problem sein, die der Bürolandschaft in Linz einem Umbruch unterliegt. Manche Immobilienbesitzer sagen, „es gibt schon so viele Büroflächen, ich kann meine nicht mehr vermieten“. Das ist nur teilweise korrekt. Die Nachfrage wäre da, aber die Räumlichkeiten erfüllen bestimmte Voraussetzungen nicht, die heute wichtig sind. Da geht es vor allem um Innenstadt-Büroflächen, die nach 1945 von Wohnungen in Büros verwandelt wurden. Heute sind die Arbeitsabläufe andere, die Mobilität ist anders. Deshalb sind diese Flächen schwer vermietbar. Das TechCenter hat Räume, die mit relativ geringen Kosten an neue Nutzer angepasst werden können. Das TechCenter liegt verkehrstechnisch sehr gut. Um die Location mache ich mir keine Sorgen.

Mit Startup300 ist ein sehr starker Startup-Ökosystem-Player in Linz gewachsen – wie läuft die Zusammenarbeit?

Ich würde sagen, das Verhältnis ist symbiotisch. Kurz vor Weihnachten 2016 war Startup300 zum ersten Mal zu einem kurzen Termin bei mir. Nur drei Monate später haben sie dann die Verträge unterschrieben. Für mich war der Einzug von Startup300 das über Linz hinausgehende Zeichen, dass sich in der Tabakfabrik etwas Einzigartiges tut. Die Kooperation funktioniert perfekt, ich bin sehr froh, dieses Unternehmen in seiner Struktur und Expansionsfreudigkeit in Linz zu haben.

Wo gibt es für Startups Verbesserungsbedarf, bei dem die Politik helfen könnte?

Die ersten Maßnahmen der Bundesregierung, die Förderungen zu reduzieren, war sicher kontraproduktiv. Es geht aber nicht nur um Förderungen. Es geht in Wahrheit um zwei Dinge: erstens, dass das gesamte Konzept des Standortes passt. Die Stadt muss open-minded sein, sie muss einer Ermöglichungskultur verpflichtet sein. Und zweitens, dass die Infrastruktur passt. Menschen müssen guten Wohnraum haben, die Kinderbetreuung muss funktionieren – da sind wir Nummer eins in Österreich. Wir sind die einzige Stadt, die ihre Krabbelstuben und Kindergärten ganzjährig führt, ohne Schließen im August.

Wo gibt es Aufholbedarf?

Den größten Aufholbedarf hat Österreich bei qualifiziertem Personal. Für Startups bringt es sicher mehr, wenn wir mehr junge Leute in MINT-Fächern ausbilden, als Büromieten zu fördern. Es gibt noch ein anderes Problem. Wenn Österreich sich den Ruf erarbeitet, dass wir uns nach Ungarn hinter den dicksten Mauern verschanzen wollen, wird Österreich für jene Menschen, die international mobil und gut ausgebildet sind, unattraktiv. Wir brauchen Offenheit. Barcelona hat zum Beispiel Riesenprobleme, seit die Sprache an den Hochschulen – sehr nationalistisch – auf Katalan umgestellt wurde. Als noch Spanisch Unterrichtssprache war, war Barcelona für viele junge Leute in Europa eine Top-Destination. Wer Spanisch kann und in Deutschland oder Großbritannien lebt, kann im Normalfall nicht Katalan. Damit ist die Destination für viele Kreative tot.

Sind Sie selbst in Startups investiert? Darf man das als Bürgermeister?

Ich dürfte es sogar, wenn ich es bekannt gebe, aber ich bin es nicht.

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