myAbility: Wer auf Menschen mit Behinderung vergisst, verpasst die Chance auf Fachkräfte
“Wir wünschen uns, dass Behinderung in 10 Jahren abgeschafft ist.” Mit diesen Worten hat heute vormittag Gregor Demblin, Gründer des Social Business myAbility, auf einer Pressekonferenz zum zehnjährigen Jubiläum seines Unternehmens, aufmerksam gemacht. myAbility ist ursprünglich als Job-Plattform für Menschen mit Behinderung gestartet, hat sich über die Jahre aber zu einer der wichtigsten Strategieberatung für Unternehmen entwickelt, die barrierefrei werden und behinderte Menschen anstellen möchten.
„In den letzten zehn Jahren hat sich de Lage für Bewerber mit Behinderung stark verbessert“, so Demblin, sich bei einem Badeunfall 1995 eine Querschnittlähmung zuzog und seither im Rollstuhl sitzt. Aber, so der Gründer der myAbility Social Enterprise GmbH: “Die Erwerbsquote von Menschen mit Behinderung ist deutlich geringer als jene von Menschen ohne Behinderung.“ In Österreich leben rund 1,7 Millionen Menschen mit Behinderung, davon haben sich aber lediglich 110.741 den so genannten Begünstigtenstatus (u.a. erhöhter Kündigungsschutz) geholt. Nur 56,3 Prozent der begünstigt Behinderten waren 2018 erwerbstätig.
„Immer noch Barrieren in den Köpfen“
Um Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt zu bekommen, dafür kämpft myAbility seit zehn Jahren. „Es gibt immer noch festgefahrene Barrieren in den Köpfen, die verhindern, dass behinderte Menschen ein normales Leben führen können“, sagt Demblin. “Die meisten Unternehmen sagen immer noch, dass sie das Thema nicht betrifft.” Dort setzt myAbility an: Mit Kunden wie Rewe oder der Bank Austria werden Inklusionsstrategien entwickelt – dazu gehören auch Trainings für Manager oder Schulungen für Mitarbeiter.
Damit mehr Menschen mit Behinderungen Jobs bekommen, müsse es mehr spezifische Unternehmensförderungen geben. „Es gibt mit viel Geld ausgestattete Förderungen, die allerdings erst greifen, wenn Unternehmen bereits in der Umsetzung sind. aber man muss viel früher ansetzen“, so Demblin weiter. Ein weiteres Problem: “Es gibt eine Vielzahl an Organisationen in dem Bereich”, so der myAbility-Gründer. Das hätte zur Folge, dass bei Stellenausschreibungen oft viele Unterqualifizierte zu Firmen geschickt werden würden. „Ungeeignete Bewerbungen führen zu einer Abwehrhaltung. Es fehlt in Österreich eine übergelagerte Organisation, die den Recruiting-Prozess abwickelt.“ Vorbild könnte das britische Remploy-Modell sein.
3.300 offene Stellen
Aktuell gibt es beim AMS rund 3.300 offene Stellen, bei denen Menschen mit Behinderung bevorzugt werden. Doch es könnten noch viel mehr sein. In Österreich gibt es 16.000 Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeitern. Laut Behinderteneinstellungsgesetz sind alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer beschäftigen, verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer einen begünstigten Behinderten einzustellen. Firmen, die das nicht erfüllen, müssen eine so genannte Ausgleichstaxe zahlen – pro Monat und offener Pflichtstelle sind es mindestens 262 Euro.
Doch tatsächlich gibt es 11.400 Unternehmen ohne eine einzige Person mit Behinderung. „Da geht noch was“, so Johannes Kopf, Vorstandsmitglied des AMS. “Man verzichtet auf eine wertvolle Ressource von Fachkräften.” Leider würden viele Unternehmen sich mit dem Thema nicht beschäftigen und im aktuellen Fachkräftemangel die Chance auf qualifizierte Mitarbeiter auslassen.
Berührungsängste abbauen
Unwissen und Berührungsängste sind nach wie vor die Hauptgründe, warum Unternehmen oft keine Menschen mit Behinderung anstellen bzw. die nötigen Voraussetzungen (Barrierefreiheit des Büros etc.) nicht schaffen. “Berührungsängste gibt es, und die müssen wir abbauen, um Inklusion in allen Bereichen zu schaffen”, sagt auch Martin Graf, Vorstandsdirektor der Energie Steiermark. Deswegen würde der Energieversorger es mittlerweile auch Jugendlichen mit Behinderung ermöglichen, Teilqualifikationen einer Lehre zu absolvieren.
Bei Rewe, einem Kunden von myAbility, gibt es seit 2008 ein Programm für Barrierefreiheit. Mittlerweile arbeiten in dem Konzern 600 Menschen mit Behinderung, außerdem gibt es 140 Lehrlinge in dem Bereich. Bis 2020 will Rewe diese Zahlen verdoppeln. “Wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollen”, so Caroline Wallner-Mikl, Disability Managerin bei der Rewe Group in Österreich.