Reform der Kurzarbeit: Neues Modell für die nächsten Jahre oder gleich 3-Tage-Wochenende?
Rund 812.000 Menschen befanden sich mit Stichtag gestern noch in Kurzarbeit, aufgeteilt auf rund 58.500 Unternehmen. Auch Arbeitslose gibt es immer weniger, von Normalität kann aber noch (länger) kaum die Rede sein. Und: Die nächsten Baustellen stehen bereits vor der Tür. Was passiert beispielsweise bei einer zweiten Welle? Bleibt der Home-Office-Anteil unverändert hoch? Während die Gewerkschaft zudem eine 35-Stunden-Woche mit vier Arbeitstagen fordert, beharrt WKO-Präsident Mahrer auf der klassischen 40-Stunden-Woche. Eine Analyse.
Die Corona-Kurzarbeit warf anfangs unzählige Fragen auf, brachte das AMS an seine Grenzen und sorgte dennoch dafür, dass hunderttausende Menschen – und natürlich auch tausende Unternehmen – vergleichsweise „gut“ durch die Krise kommen; wenngleich das wohl sehr subjektiv ist. Jedenfalls rettete die Kurzarbeit eine Menge Arbeitsstellen. Außerdem zeigte sich recht eindrucksvoll, dass das stets sehr abstrakt diskutierte Damoklesschwert namens „Digitalisierung“ gar keines ist und die Umstellung auf ein flexibleres System in vielen Unternehmen besser klappte, als sich die Unternehmen wohl selbst zugetraut hätten. Neue Arbeitsformen schaffen Unsicherheit, die Pandemie schaffte aber auch einen Zwang – und Ausreden wurden damit unbrauchbar.
Kurzarbeit: Das passende Modell für die(se) Krise?
Wenig überraschend wird nun aber weiter diskutiert: Die erste Welle der Covid-Pandemie ist – zumindest in Österreich und weiten Teilen Westeuropas – so gut wie überstanden. Gleichzeitig existiert aber die Angst vor einem erneuten starken Ausbruch, der so oft zitierten zweiten Welle. Viele Unternehmen haben – siehe die Zahlen eingangs – die Kurzarbeit bereits abgemeldet, andere beharren aus einer gewissen Vorsicht noch darauf, auch wenn es vielleicht gar nicht mehr zwingend notwendig wäre. Und: Die Kurzarbeit in ihrer bisherigen Form trifft ohnehin nicht überall auf Gegenliebe. Gerade Startups haben ihre Probleme mit dem Modell. Arnim Wahls von Firstbird beispielsweise sieht die Kurzarbeit als „falsches Modell“ für diese Krise. „Jetzt wäre die Möglichkeit, wo man aufholt, wo man als Startup weiter wächst, wo man Innovationen rausbringt. Dafür finde ich die Kurzarbeit leider nicht das richtige Instrument“.
Kurzarbeit: Kritische Startups
Ähnlich kritisch äußerte sich Valentin Schütz von Gronda: „Ja, Kurzarbeit wird überall gelobt, aber Kurzarbeit ist etwas aus einem anderen Jahrhundert. Sie ist aus dem Jahrhundert, wo der Mitarbeiter in der Fabrik steht, irgendetwas zusammenschraubt und den Job eigentlich überhaupt nicht gerne macht. Fährt der Laden runter, mach ich auch keinen Output mehr und muss darum nicht arbeiten. Das ist völlig absurd. In der momentan Kurzarbeit gibt es nur Verlierer“. Startup-Meinungen zusammengefasst: Ja, die Corona-Kurzarbeit war notwendig, ist aber weder zeitgemäß noch unbürokratisch – und, abhängig vom Einzelfall, mitunter auch einfach nicht gerecht.
AMS für Reformen
Optimierungspotenzial scheint dem aktuellen Modell auf jeden Fall zugestanden zu werden, Kanzler Kurz kündigte darum auch eine Reform an. Herbert Buchinger, AMS-Chef, gab dem Profil bereits erste Infos zu seiner Vision der „Kurzarbeit neu“. Er stellt sich vor, die Arbeitszeit um maximal 50 Prozent zu kürzen, diese Grenze sehe er als „absolut sinnvoll“ an. Statt der Corona-Kurzarbeit soll das herkömmliche Kurzarbeitsmodell, ein Instrument der Finanzkrise 2008, adaptiert werden. Arbeitnehmer bekommen Lohn für die erwähnten 50 Prozent der Arbeit, den Rest legt das AMS in Form eines Arbeitslosengeldes (55 Prozent vom Nettogehalt), berechnet anhand der zweiten 50 Prozent, drauf. Zusätzlich soll es einen Zuschlag geben, damit „mindestens 80 Prozent“ des regulären Einkommens gesichert sind. Die Sozialversicherungsbeiträge bleiben hier beim Arbeitgeber hängen – in Corona-Zeiten zahlte auch diesen Teil das AMS.
Kurzarbeit neu oder generelle Arbeitszeitverkürzung?
Gemäß dem Fall, dass das bisherige Modell überarbeitet wird, könnte uns die Kurzarbeit (neu) noch mehrere Jahre begleiten. Wann ein Impfstoff für Covid-19 kommt, steht ebenso in den Sternen wie die wirtschaftlichen Folgen einer etwaigen zweiten Welle. Das wirft eine andere Frage auf, die auch die Gewerkschaft in den Raum warf: Wenn sowieso weniger gearbeitet wird, warum verkürzen wir dann nicht generell die Arbeitszeit? Dieses Modell nennt die GPA-djp „90 für 80“. Dabei soll die Arbeitszeit auf 80 Prozent reduziert werden. Das Gehalt reduziert sich allerdings nur auf 90 Prozent. Die Differenz soll vier Jahre lang das AMS tragen, „um den Einstieg in die Arbeitszeitverkürzung zu attraktivieren“. Voraussetzung dafür sei aber, dass „für die freiwerdende Zeit eine neue Arbeitskraft aufgenommen wird“. Das Modell ist freiwillig und Bedarf einer Zustimmung der Arbeitnehmer.
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Barbara Teiber, Bundesvorsitzende der GPA-djp: „Das Modell ’90 für 80′ macht es möglich, dass vier Beschäftigte auf eine Vier-Tage-Woche umstellen und für die freiwerdende Zeit eine zuvor arbeitslose Person angestellt wird. Das komme „dem Wunsch vieler Beschäftigter nach kürzeren Arbeitszeiten nach“ und bekämpfe die Arbeitslosigkeit. Und: „Auch Arbeitgeber profitieren von diesem Modell“. Zahlreiche Studien zeigen würden, dass kürzere Arbeitszeiten die Produktivität steigern.
Parallel setze sich die GPA-djp „weiterhin für ein weiteres Kurzarbeitsmodell ein“, heißt es in einer Presseaussendung. Das Modell soll in Unternehmen, die von der Krise hart getroffen wurden, Beschäftigung sichern, dürfe aber zu „keinen Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen im Vergleich zum jetzigen Modell führen“.
WKÖ „gegen jegliche Form der Arbeitszeitverkürzung“
Der WKÖ geht damit – weniger überraschend – nicht konform. Harald Mahrer, Präsident der WKÖ, sprach sich im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien gegenüber der Tiroler Tageszeitung „klar gegen jegliche Form der Arbeitszeitverkürzung“ aus. Eine nähere Erklärung dafür gibt es nicht. Mahrer wolle aber „sozialpartnerschaftlich ein Kurzarbeitsmodell“ verhandeln, nicht aber ein „Arbeitszeit-Verkürzungsmodell“. Dieses müsse „unbürokratischer, fairer und einfacher als jetzt“ sein. AMS-Chef Buchinger hingegen sieht eine Arbeitszeitverkürzung „in einigen Jahren“ sehr wohl am Horizont, berichtet Profil. Auch er sieht aber Schwierigkeiten mit den Wirtschaftsvertretern auf sich zukommen. Der entscheidende Punkt: In der Kurzarbeit zahlt das AMS einen großen Teil des Lohns, bei einer generelle Arbeitszeitverkürzung (bei gleichem Gehalt) kostet jede Arbeitsstunde dem Betrieb einen höheren Stundenlohn.
Wie die Vier-Tages-Woche funktionieren kann
Selbstverständlich ist vor allem die Vier-Tages-Woche nicht für alle Branchen und Jobs umlegbar, in vielen aber schon. Anfang des Jahres gab uns Thomas Meyer, Chef und Gründer der Wiener Social-Media-Agentur Büro für Interaktion, einen Einblick in den Arbeitsalltags seines Teams. Bei Meyer kommen acht Mitarbeiter in Wien für 32 Stunden pro Woche ins Büro – wobei die Hälfte vier Tage da ist, und die andere Hälfte die 32 Stunden auf fünf Tage verteilt.
Er sagt: „Es ist nicht die klassische Teilzeitstelle, wo aliquot das Gehalt angepasst wird, sondern es ist eine 32-Stunden-Woche mit Vollzeitgehalt“. Die gewonnene Freizeit habe zwei Effekte, einen messbaren und einen nicht messbaren. „Weniger Krankenstände sind Fakt. Das Glück ist schwer messbar. Ich kann nur sehen, dass Leute sehr gern zu mir ins Büro kommen. Ich sehe eine extrem positive Stimmung und Commitment der Firma gegenüber. Was macht uns glücklich? Das sind alles Dinge, für die man Zeit braucht“. Und: „Ein loyaler Mitarbeiter bleibt länger im Unternehmen und wird den Arbeitsplatz empfehlen.“ Davon profitieren letztlich alle, denn: „Gute Mitarbeiter entscheiden über Erfolg und Misserfolg.“
Vorerst entscheiden allerdings die Sozialpartner, bestehend aus Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer, über etwaige Reformen bei der Kurzarbeit oder der Arbeitszeitverkürzung. Am Montag soll die erste Verhandlungsrunde stattfinden.
+++Startup-Diskussion: „Kurzarbeit ist etwas aus einem anderen Jahrhundert“+++