Porträt

Sam Bankman-Fried: Der unglaubliche Aufstieg und Fall des FTX-Gründers

Am Boden der Tatsachen zurück: FTX-Founder Sam Bankman-Fried © Sequoia Capital
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Die Kryptobörse FTX ist ein Fiasko, das sich immer mehr ausweitet und mittlerweile die US-Behörden auf den Plan gerufen hat. Es wirkt immer wahrscheinlicher, dass die Exchange bald Insolvenz anmelden muss (wir berichteten). Dabei war das 2019 gegründete, auf den Bahamas angesiedelte Unternehmen beim großen Krypto-Hype der vergangenen Jahre noch ganz vorne mit dabei.

Das Gesicht der Börse war von Anfang an der Gründer und US-Entrepeneur Sam Bankman-Fried (SBF), der noch vor einigen Wochen als großer Retter anderer, angeschlagener Krypto-Unternehmen und als großer Gewinner im Krypto-Winter gehandelt wurde. Doch dann flog auf, dass SBF offenbar Gelder in Milliardenhöhe seiner FTX-Nutzer:innen nahm, um damit seiner anderen Firma, dem Hedge-Fonds Alameda Research Kredite zu gewähren. Mittlerweile hat sich SBF auf Twitter entschuldigt – „I fucked up“. Er suche derzeit weiter nach Investoren, die FTX retten können.

Doch wer ist Bankman-Fried eigentlich? Wir beleuchten die Biographie des Überfliegers, der nun abstürzt wie kein anderer Krypto-Unternehmer vor ihm.

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Gamer und Mathe-Genie in jungen Jahren

Geboren wurde Sam Bankman-Fried 1992 in Kalifornien. Früh zeigte er eine große Begabung für Mathematik und war schon in jungen Jahren ein großer Anhänger der Philosophie des Utilitarismus, also der zweckorientierten Ethik. Er war auch immer ein sehr aktiver Gamer, zu seinen Lieblingsspielen gehören „League of Legends“ und „StarCraft“. Von 2010 bis 2014 besuchte Bankman-Fried das Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dort machte er einen Abschluss in Physik.

Seine Karriere in der Finanzwelt startete er im Jahr 2013 bei Jane Street Capital, einem Trading-Unternehmen, das mit internationalen ETFs handelt. Doch er kündigte schließlich im Jahr 2017, nicht weil der Job ihm nicht zusagte, und weil er andere Möglichkeiten erforschen wollte. Dafür zog er in die San Francisco Bay Area, also ins Herz des Silicon Valley. Dort drehte sich in der Tech-Branche zu der Zeit alles um Kryptowährungen, weil die Startup-Welt dort gerade den ICO-Hype ritt. Bankman-Fried wurde schnell neugierig und zeigte ein gewaltiges Talent für den Kryptohandel. Seine Methode war dabei immer ein wohlüberlegter Kompromiss zwischen sicheren Anlagen und riskanten Käufen.

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Noble Ziele und Jagd nach Profit

Bemerkenswert dabei ist, dass Bankman-Fried mit seiner Jagd nach Profit nach eigenen Angaben noble Ziele verfolgte. Denn der Entrepeneur ist ein Anhänger der Idee des „Effektiven Altruismus“, laut der es nötig ist, viel Geld anzuhäufen, um dieses dann in wohltätige Vorhaben zu investieren. Er ist ein Mitglied der Charity-Organisation Giving What We Can und spendet nach eigenen Angaben regelmäßig einen großen Anteil seines Vermögens für gute Zwecke. Auch politisch hat sich der FTX-Founder vor allem in letzter Zeit engagiert. Laut Cointelegraph hat er kurz vor den US-Midterm-Wahlen am Dienstag etwa 40 Millionen Dollar an Spenden für die Partei der Demokraten hingeblättert.

Im Jahr 2017 ging Bankman-Fried unter die Gründer und rief Alameda Research, ein quantitatives Trading-Unternehmen, ins Leben. Alameda Research war laut Geldgeber Sequoia Capital zu Anfang ein reines Ein-Mann-Unternehmen. Bankman-Fried betrieb Kryptohandel von seiner Wohnung im kalifornischen Berkeley aus. Noch im Jahr 2017 wurde der Entrepeneur, gerade einmal 25 Jahre alt – zu einer Berühmtheit in seinem Feld.

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Durch „Kimchi-Premium“ zur Krypto-Legende

Denn Sam Bankman-Fried hatte einen Weg gefunden, das sogenannte „Kimchi-Premium“ für sich zu nutzen. Dabei handelt es sich um eine Diskrepanz beim Bitcoin-Preis in weiten Teilen Asiens und dem Preis im Rest der Welt. Bankman-Fried ist laut Sequoia Capital der einzige Händler, von dem bekannt ist, dass er diesen Unterschied effektiv zu seinem Vorteil nutzen konnte. An einem einzigen Tag schaffte er es auf diese Weise, 25 Millionen Dollar in Krypto-Assets anzuhäufen. Er wurde mit seinem Talent für den Handel schnell zum Milliardär und zur Legende der Krypto-Welt.

Doch Bankman-Fried musste schnell nach neuen Profitmöglichkeiten suchen, denn die Diskrepanz zwischen den Bitcoin-Preisen zwischen dem asiatischen und dem westlichen Raum schloss sich schnell. Die Möglichkeiten fanden sich rasch, denn Kryptowährungen waren nun wirklich auf dem Vormarsch. Doch Alameda Research hatte das Problem, dass sich die Trades relativ schwierig durchführen ließen. Die großen Exchanges waren zu der Zeit Coinbase und Binance. Beide erfüllten Bankman-Frieds Erwartungen nicht, weswegen er im Jahr 2019 seine eigene Kryptobörse ins Leben rief: FTX.

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Eine Finanzierungsrunde nach der anderen

Zu dieser Zeit war China Kryptowährungen gegenüber noch sehr positiv eingestellt. Weil in der Volksrepublik jede Menge Krypto-Fans zu finden waren und die Regulierung der digitalen Assets (noch) nicht sehr streng war, zog Bankman-Fried gemeinsam mit seinem neuen Unternehmen nach Hongkong. Dort jagte in den nächsten zwei Jahren ein Erfolg den nächsten. Die Finanzierungsrunden häuften sich in rasantem Tempo.

Nicht nur das Geschäft von FTX beeindruckte hochklassige Investoren wie Sequoia Capital, SoftBank Vision Fund 2, Lightspeed Venture Partners oder Tiger Global. Auch die Persönlichkeit von Sam Bankman-Fried war dabei ein großer Faktor. Seine Pitches waren durch sein Selbstvertrauen und seine vielversprechenden Visionen geprägt. Speziell sein Traum von einer „Super-App“ für sämtliche finanziellen Angelegenheiten sorgte er für Begeisterung. Einmal meinte er, man solle sich irgendwann auch Bananen via FTX kaufen können.

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League of Legends beim Pitch gespielt

„Ich möchte, dass FTX ein Ort ist, an dem man mit seinem nächsten Dollar alles machen kann, was man will. Du kannst Bitcoin erstehen, Geld in jeder beliebigen Währung an jeden Freund überall auf der Welt schicken oder eine Banane kaufen. Du kannst mit deinem Geld von FTX aus alles machen, was du willst“, sagte Bankman-Fried gegenüber Sequoia im Jahr 2021, als FTX die Series B-Runde aufstellte, die schließlich eine Höhe von satten 420 Millionen Dollar erreichte.

Eine Anekdote von Ramnik Arora, Head of Product bei FTX, besagt, dass Bankman-Fried während Pitch mit Sequoia, der in einem Zoom-Call stattfand (und möglicherweise bei den anderen Pitches auch), die ganze Zeit „League of Legends“ spielte. Dieses Selbstvertrauen – kombiniert mit einem Hauch von Großspurigkeit – erhöhte den Hype um FTX und den Gründer nur noch. Kurz nach der Mega-Finanzierungsrunde verlegte Bankman-Fried den Hauptsitz seiner Firma auf die Bahamas, weil die Corona-Politik in China im Jahr 2021 sehr streng wurde und die Regulierungen auf dem Inselstaat in der Karibik viel laxer waren. Zu diesem Zeitpunkt war FTX längst zum größten Herausforderer der Platzhirsche Binance und Coinbase herangewachsen.

Und: SBF hat es über Zeit geschafft, so viele namhafte Investor:innen wie kaum ein anderer Gründer zu überzeugen, bei ihm zu investieren. Da sind unter anderem Temasek, Paradigm, der kanadische Pensionsfonds Ontario Teachers‘ Pension Plan Board, NEA, IVP, SoftBank Vision Fund 2, Lightspeed Venture Partners, Steadview Capital, Tiger Global, Insight Partners oder Coinbase Ventures eingestiegen.

In den wenigen Jahren hat SBF dann auch noch (sicher mit Hilfe anderer, aber dennoch) folgendes Firmengeflecht aufgebaut, dass die Financial Times recherchiert hat:

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Sam Bankman-Fried war Anfang 2022 Milliardär

Im Frühjahr 2022 wurde Bankman-Fried 30 Jahre alt, und trotz vieler turbulenter Entwicklungen auf dem Krypto-Markt im Jahr 2021 schien es kaum besser laufen zu können. Anfang des Jahres hatte FTX frische 400 Millionen Dollar eingesammelt und so die Bewertung auf stolze 32 Milliarden Dollar erhöht. Sam Bankman-Fried war mit seiner Exchange zum Milliardär geworden. Selbst am Anfang des Krypto-Winters stand FTX noch gut da. So kaufte das Unternehmen noch im September den insolventen Krypto-Lender Voyager Digital.

Doch heute, im November 2022, scheint alles, was sich Bankman-Fried in den letzten Jahren erarbeitet hat, auf der Kippe zu stehen. Anfang des Monats lieferte sich der FTX-Chef via Twitter ein Wortgefecht mit Changpeng „CZ“ Zhao, dem CEO von Binance. Denn Zhao drohte damit, den hauseigenen FTX-Token (FTT) abstürzen zu lassen. Es wurde zuvor berichtet, dass Alameda Research Assets im Gegenwert von 14,6 Milliarden Dollar „under Management“ hatte – und davon 2,16 Milliarden in Form von FTT. Weitere Assets von Alameda Research waren vor allem Token von Projekten, zu denen Bankman-Fried große Nähe hat, darunter Solana. Hier stellte sich die Frage, ob die FTX-Token überhaupt einen Wert haben.

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Der Vorwurf gegenüber Bankman-Fried lautet, dass er ein Schneeballsystem aufgebaut habe – die US-Behörden ermitteln dazu bereits. Deswegen reagierte Zhao, eigentlich ein ganz früher Investor von FTX, mit der Drohung, alle noch in den Binance-Büchern befindlichen FTT zu liquidieren. Seitdem ist FTX in eine nicht enden wollende Abwärtsspirale geschlittert. Es kam in den vergangenen Wochen zu einem Absturz der Token, die mit Bankman-Fried in Verbindung stehen, und auch zum Auszahlungsstopp der Exchange. Zwischenzeitlich stand sogar die Übernahme durch Binance zur Debatte. Doch nun hat Zhao auch hier einen Rückzieher gemacht. Nun braucht FTX eine Finanzspritze in Milliardenhöhe, ansonsten droht die Insolvenz.

Sam Bankman-Fried hat in kürzester Zeit einen kometenhaften Aufstieg erlebt. Durch ein gutes Verständnis für den Kryptohandel, clevere Transaktionen, große Visionen und eine gehörige Portion Selbstvertrauen hat sich der Entrepeneur in nur wenigen Jahren vom MIT-Studenten zum Star der Krypto-Szene und zum Milliardär gewandelt. Doch so schnell der Steigflug in der volatilen Kryptowelt passieren kann, ist es auch möglich, dass ebenso schnell alles wieder zusammenbricht. Auch wenn Bankman-Fried immer sichere Sachen und riskante Aktionen ausgewogen angegangen ist, scheint er mit FTX dennoch zu hoch gepokert zu haben. Die Börse – und auch Bankman-Fried selbst – stehen nun vor einer mehr als ungewissen Zukunft. Eines ist gewiss: SBFs Geschichte ist jedenfalls filmreif.

Was hinter den Kulissen von FTX möglicherweise abgegangen ist, dass hat Bankman-Freid möglicherweise zwischen den Zeilen im mittlerweile legendären Odd Lots-Podcast verraten. Denn da beschrieb er doch tatsächlich on record, wie ein DeFi-Ponzi-Scheme funktioniert – inklusive der Schaffung eines eigenen Tokens, den er X-Token nennt (ca. ab Minute 25). Vielleicht hat er da ja bereits den FTX-Token (FTT) gemeint.

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