Maßnahmenkatalog

Klimafahrplan 2040: Wie Wien die Klimaneutralität schaffen will

Wiens Bürgermeister Ludwig Vize-Bürgermeister Wiederkehr ©C.Jobst/PID

Die Stadt Wien hat ambitionierte Ziele, wenn es um die Klimaneutralität der Stadt geht und greift dafür gewöhnlich auch nach entsprechende Superlativen. Bereits zu Beginn des Jahres 2021 verwendete die Stadtregierung in der Präsentation anlässlich der in der ersten Regierungsklausur beschlossenen ersten Klimaschutz-Schwerpunkte Begriffe wie „Solaroffensive“, „Solarfelder groß wie Fußballfelder“ und „Klimamusterstadt”. 

Nun legt die Stadt Wien aktuell nach. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) präsentierte jüngst gemeinsam mit Vertreter:innen seiner rot-pinken “Fortschrittskoalition” eine Rahmenstrategie zur Smart KLIMA City Wien und den Wiener Klima-Fahrplan bis 2040, welcher aktuell in der Regierungsklausur vereinbart wurde. Der Beschluss im Gemeinderat ist für Ende Februar geplant. 

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Der Klima-Fahrplan 2040 soll laut dem Bürgermeister kein “Ziel-Märchenbuch” sein, sondern die Instrumente enthalten, die es braucht, um an den “großen Schrauben” zu drehen. Diese seien unter anderem die Wärmeversorgung der Stadt und der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. Für das Erreichen der Klimaneutralität bis 2040 sollen die unterschiedlichsten Bereiche, von Bildung bis zur Stadtentwicklung, zusammenarbeiten. Konkret wurden dafür über 100 Maßnahmen in elf Bereichen definiert.

  • Schwerpunkt Energie 

Im Zuge der Photovoltaik-Offensive soll bis 2025 die Photovoltaikleistung in Wien verfünffacht werden. Dazu sollen unter anderem die öffentlichen Gebäude wie die Wiener Bäder und die Dächer von Schulen genutzt werden. Um bis 2040 die Klimaneutralität zu erreichen, muss Wien bis dahin ganz aus der fossilen Wärmeversorgung aussteigen. 2040 sollen rund 60 Prozent des Wärmebedarfs mit Fernwärme abgedeckt werden. Dafür ist auch die Energiegewinnung durch Geothermie fix eingeplant und der Bau einer großen Wärmepumpe wird  demnächst in der Kläranlage Simmering erfolgen.

Neben der Fernwärme soll jedoch auch die Fernkälte ausgebaut werden. Insbesondere dann, wenn man damit rechnen müsse, dass die Sommer immer heißer werden, würde Fernkälte rund 50 Prozent CO2 und 70 Prozent Energie im Vergleich zu einer herkömmlicher Klimatisierung sparen, so der Bürgermeister.  

Die Erneuerbare bzw. dekarbonisierte Energieerzeugung in Wien soll bis 2030 auf das Dreifache und bis 2040 auf das Sechsfache gegenüber 2005 steigen, so die aktuellen Pläne. So soll es auch möglich sein, bis 2040 100 Prozent des Endenergieverbrauchs Wiens klimagerecht zu decken. 

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  • Schwerpunkt Mobilität 

Im Bereich Mobilität & Verkehr sind die Ziele nicht weniger ambitioniert. Dort sollen die CO2-Emissionen des Verkehrssektors pro Kopf bis 2030 um 50 Prozent und dann bis 2040 um 100 Prozent sinken. Dazu meinte Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) in dem Mediengespräch: “Null ist Null!”  Er wisse, dass es gerade im Nutzfahrzeugbereich noch Hürden zu überwinden gäbe, sei aber zuversichtlich, dass durch modernste Techniken das Ziel erreicht werden könne. Dass Bewohner:innen dann auch ohne eigene Autos an ihren Zielort kommen, will die Stadt mit ihrer “Mobilitätsgarantie” versprechen. 

  • Schwerpunkt Gebäudesektor 

Der Endenergieverbrauch für Heizen, Kühlen und Warmwasser in Gebäuden pro Kopf soll bis 2030 um 20 Prozent und bis 2040 um 30 Prozent sinken im Vergleich zu 2019.
Die damit verbundenen CO2-Emissionen sollen so pro Kopf erst bis 2030 um 55 Prozent sinken und bis 2040 auf null liegen. Im Neubaubereich sollen zukünftig nur noch Erneuerbare Energieträger oder Fernwärme verwendet werden

Im Bereich Gebäude soll zudem eine klimaschonende Kühlung durch zusätzliche Begrünung fokussiert werden. Bereits jetzt habe die Stadt einen Grünraumanteil von 50 Prozent, doch der müsse gesichert und ausgebaut werden. Außerdem liegt auch in diesen Sektor wieder ein Schwerpunkt auf der Nutzung von Flächen für solare Energie. Die Genehmigung von Solaranlagen soll für Private künftig unkomplizierter gestaltet werden oder sogar teilweise nicht mehr nötig sein.

  • Schwerpunkt Wirtschaft 

Die Bereiche Wirtschaft & Arbeit sollen künftig ebenfalls nachhaltiger gestaltet werden, plant die Stadt Wien. So sollen unteranderem Maßnahmen gegen die Wegwerf-Mentalität getroffen werden: „Wir wollen versuchen, beim Recycling und beim Verhindern von Müll neue Wege zu gehen“, so Bürgermeister Michael Ludwig. Die Recyclingquote wird sukzessive angehoben. Bis 2050 soll sie 100 Prozent betragen, sodass alle nicht vermeidbaren Abfälle wieder verwertet werden.

Dafür soll auch das im November 2021 beschlossene Doppelbudget 2022/ 2023 über 2,8 Milliarden Euro unteranderem verwendet werden. Ebenso für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Weitere Maßnahmen will die Stadt unteranderem mit dem Ausbau der Forschungs- und Innovationszentren, Planung von innovativen Stadtteilen mit energieautarken Schulen und der Entwicklung eines „Digitalen Zwillings“ als digitales Abbild der Stadt setzen.

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Start von „Wiener Klimateams“ geplant

Um diesen Wandel zukünftig jedoch nicht “mit erhobenem Zeigefinger sondern mit einer ausgestreckten Hand” anzugehen, möchte die Stadt mit dem Projekt “Wiener Klimateam” die Bürger:innen zu mehr Beteiligung motivieren. In den drei Bezirken Margareten, Simmering und Ottakring werden die Bürger:innen bereits ab April 2022 aufgerufen sein, Ideen zu den Bereichen Klimaschutz und Klimaanpassung für ihre Bezirk einzubringen. Für die Teilnahme würde es laut dem Stadtrat keine Begrenzung im Alter geben und ein Zweitwohnsitz im Bezirk würde auch reichen. So sollen laut der Stadt Wien alle Bürger:innen die Chance bekommen,  gemeinsam mit der Stadt und dem Bezirk konkrete Klimaprojekte auszuarbeiten. 

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Lobau bleibt?

Während sich die Beteiligten äußerst Stolz über die aktuell vorgestellte Strategie zeigen, überschatten doch die bereits seit Monaten währenden Unruhen rund um den Bau der Lobau-Autobahn die gute Stimmung. Wie Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) auf Nachfrage noch einmal bestätigt, ist es das Ziel der Stadt, 2040 keine Verkehrs-Emissionen mehr zu verursachen. “Null heißt Null!”, so der Klimastadtrat. So wirkt es doch ein wenig paradox für die Kritiker:innen, dass die Stadtregierung weiterhin auf den Bedarf der Stadtstraße pocht. 

Während des aktuellen Mediengespräches auf das Straßenbau-Projekt angesprochen, bleibt die Stadtregierung bei ihrem Vorhaben und rechtfertigt sie mit der Notwendigkeit von “leistbarem und ökologischem” Wohnen. 

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Reaktionen

Die strikte Haltung der Stadtregierung gegenüber dem Lobau-Bauvorhaben stößt auch den Umweltschutzorganisationen und Teilen der Opposition auf. So kritisieren die Parteivorsitzenden der Grünen Wien, Peter Kraus und Judith Pühringer, dass das Setzen von Klimazielen und die gleichzeitige Planung von “milliardenschweren Autobahnprojekten” nicht zusammen passen würden. Laut der Oppositionspartei sei die aktuell vorgestellte Klimastrategie “ein weiterer Papiertiger.”

Naturgemäß regnet es auch Kritik von der ebenfalls in der Opposition befindlichen FPÖ. So bezeichnen der Wiener FPÖ-Chef, Stadtrat Dominik Nepp sowie Umweltsprecher Udo Guggenbichler die präsentierten Wiener Klimaziele “als in manchen Teilen unrealistisch”. So kündigen sie an, insbesondere die “soziale Ausgewogenheit der Maßnahmen” im Blick zu behalten, auch wenn man prinzipiell der Umsetzung eines “vernünftigen” Konzeptes positiv gegenüber stehe. 

Die ÖVP zeigt sich ebenfalls zumindest Stück weit zufrieden: „Die heute präsentierten Pläne zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 sind ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt müssen diesen Worten aber auch Taten folgen“, so Umweltsprecher Gemeinderat Josef Mantl. 

Abseits der politischen Organisationen meldete sich auch bereits die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 mit einer Einschätzung. So sehen diese in der präsentierten Strategie „große Chancen“, pochen aber auf eine entsprechend rasche Umsetzung: „Damit der Klimafahrplan erfolgreich sein kann, braucht es eine rasche rechtliche Umsetzung des Öl- und Gas-Ausstiegs in der Wärmeversorgung und den Ausbau alternativer Energie bei der Fernwärme. Geothermie, Wärmepumpen und Solarenergie sind klimafreundliche Alternativen, die es jetzt zu nützen gilt, damit Wien bis 2040 klimaneutral werden kann. Dafür braucht es einen gesetzlich verbindlichen Ausstieg aus der fossilen Wärmeversorgung. Gleichzeitig sollte die Stadt Wien endlich die widersprüchliche Unterstützung von Autobahnprojekten zu beenden“, so Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000.  

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