Interview

Markta und der Store: Theresa geht offline

Julian Hödlmayr und Theresa Imre von Markta. © Visnjic / Trending Topics
Julian Hödlmayr und Theresa Imre von Markta. © Visnjic / Trending Topics
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Während die Einzelhandelsketten des Landes nach und nach auch das Thema Online-Bestellungen für sich entdecken, geht Markta den umgekehrten Weg: Das Startup von Theresa Imre verkaufte bislang Produkte von Bäuerinnen und Bauern über das Internet, hat nun aber den ersten physischen Store im neunten ­Wiener Gemeindebezirk eröffnet. Mit dem klassischen Einzelhändler
soll der Markta-Shop aber nichts zu tun haben.

Text: Oliver Janko, Interview: Jakob Steinschaden, Fotos: David Visnjic

Ich glaube, zerstören oder brechen können wir den Markt nicht“, meint Markta-Gründerin Theresa Imre, wenn sie nach den langfristigen Plänen mit ihrem Regionalhandel gefragt wird. Man sei immer noch „am Anfang der Reise“ – und der Markt in Österreich ist traditionell schwierig, weiß auch Imre: „In Österreich gibt es eine starke Marktkonzentration mit drei Playern, die fast 90 Prozent vom Lebensmitteleinzelhandel einnehmen.“ Darin sieht sie aber eben eine Chance: „Ich glaube, dass gerade so ein Markt mehr Luft für Innovation und auch Agilität bietet, weil die drei Konzerne sich mit ihren gro­ßen Strukturen immer überbieten oder un­terbieten können, ganz oft auch im Preis. Es ist vor allem der Preiskampf, der den Handel bestimmt.“

Ein anderer Weg

Darauf will sich Markta gar nicht erst einlassen: „Was wir möglich machen, ist es, die Kund:innen auf einem deutlich direkteren Weg anzusprechen und viel mehr auszuprobieren. Der Vorteil von Markta ist ganz klar die Geschwindigkeit und Agilität im Vergleich zu den Konzernen.“ Das zeige sich letztlich auch im neuen POS-Konzept. Imre: „Jetzt wagen wir den Schritt vom Online-Bauernmarkt noch stärker in das Feld des Einzelhändlers rein, nämlich direkt in den stationären Handel. Das wird sicher ein spannender nächster Schritt.“

Startschuss in der Pandemie

Die Entscheidung sei wohl überlegt, versichert Imre, und Markta soll den eigenen Prinzipien auch treu bleiben. „Wir hatten zwei massiv starke Corona-Jahre 2020 und 2021, da waren wir in aller Munde und haben auch wirklich viel Umsatz für die Bäuer:innen erwirken können“, erinnert sich die Gründerin zurück. Letztlich sei das auch die „Grundmission“ des Startups: „Wir wollen, dass die Bäuerinnen und Bauern einen fairen Anteil bekommen, dass sie fair bezahlt werden.“ Online alleine reicht dafür nicht mehr. Imre: „Alles steht und fällt letztendlich auch mit den Kund:innen, die unsere Produkte beziehen und einkaufen.“

Das habe sich gerade mit 2022 in Wien sehr stark verändert: „Da sind auch große Player gekommen wie Flink und Jokr“, erinnert sich Imre zurück. „Gurkerl ist auch sehr präsent geworden. Was man merkt: Die starken Venture-Capital-Strukturen machen sich breiter, da ist oft auch sehr viel Marketingbudget vorhanden.“ Markta sei da „anders aufgestellt“ und habe auch kein Interesse daran, Venture Capital „reinzuholen“. Imre: „Uns geht es um langfristiges Unternehmertum und nicht um einen Exit. Das heißt, die Mission ist eine andere und dementsprechend haben wir auch wirklich ganz bewusst gesagt, das ist ein Wettkampf, in dem wir nicht weiter dermaßen intensiv den einzelnen Fokus und die Energie verbrennen wollen.“

„Totale Verschmelzung von online und offline“

Natürlich bleibt der Onlineshop aber bestehen, das Startup liefert Lebensmittel auch weiterhin umweltfreundlich verpackt vor die Haustür. „Wir sehen online als wichtiges Steckenpferd von Markta und auch als einen ganz wesentlichen Baustein für die Filiale oder die Filialen, die dann kommen. Wir ziehen ja nicht von heute auf morgen einen klassischen Bauernmarkt auf, wir setzen vielmehr auf die totale Verschmelzung von online und offline“, erklärt Imre. „Das heißt, ich kann auf der einen Seite die Filiale als Abholpunkt für Onlinebestellungen verwenden, kann aber auch in der Filiale sein und mir die Produkte, die ich vorher verkostet habe und erleben konnte, dann wiederum nach Hause liefern lassen. Wir sehen die Filiale als entweder Erweiterung zum Onlinehandel oder umgekehrt den Onlinehandel als Erweiterung zur Filiale.“ Es brauche bei den Produkten, die Markta vertreibt, einen „anderen Berührungspunkt“ als im Onlinehandel, „wo einfach Geschwindigkeit und Preis überzeugen.Bei uns ist das eben ganz klar Qualität und Geschmack.“

Markta: Start im Palmenhaus

2022 begann das Team von Markta mit der Konzeption in Richtung hybride Businessmodelle, im Mai 2022 startete dann ein temporärer Pop-up-Bauernmarkt im Palmenhaus im Burggarten. An insgesamt sechs verlängerten Wochenenden von Mai bis Oktober wurden gemeinsam mit den Österreichischen Bundesgärten und der HBLFA für Gartenbau insgesamt 30 regionale Familien- und Kleinproduzent:innen in das Palmenhaus geholt. Der Startschuss für den stationären Handel, bestätigt auch Theresa Imre: „Uns war da eben wichtig, zu verstehen, wie der Handel mit den hochwertigen Produkten in Wien funktioniert – und wie ein physischer Bauernmarkt ankommt. Was wir gemerkt haben: Die Nachfrage ist absolut vorhanden, aber nur ein bis zwei Prozent der Menschen in Österreich bestellt Lebensmittel online. Mit dem stationären Handel schnappen wir uns die restlichen 98 Prozent an Potenzial.“

Fehlende Transparenz

Auf der anderen Seite der Lieferkette sollen auch die Konsument:innen an die Geheimnisse des Lebensmittelhandels herangeführt werden. Das Stichwort der Stunde: Transparenz. „Es ist de facto so, dass viel zu wenigen Leuten bekannt ist, wie viel die Last Mile kostet oder die gesamte Kommissionierung der Produkte. Das wird sehr stark getrieben von Amazon und Konzernen, die möglichst kostenlose Lieferungen anbieten, die aber oftmals auch keine wahren Kostenkalkulationen dahinter haben und letztlich auch nicht profitabel sind oder sein müssen. In unserem Fall als langfristig aufgebautes Unternehmen aber geht es nicht einfach nicht darum, über die nächsten zehn Jahre nur Verluste zu schreiben, wir müssen profitabel wirtschaften und selbstständig werden. Deswegen war es uns auch ganz wichtig, die letzte Meile genau anzuschauen und zu verstehen, wo das Feld unseres Businessmodells ist, in dem wir auch Geld verdienen können. Im Onlinebereich ist das ein knappes Nullsummenspiel. Wir sind profitabel auf der Bestellung, aber trotzdem ist es zu wenig, um eine ganze Firma zu betreiben.“

Die Marke im Vordergrund

Markta beliefert als drittes Standbein auch Unternehmen, aber auch Events und Catering-Firmen. Das zahlt sich aus, für Imre eine „direktere Möglichkeit als klassisches Performance Marketing. Wir können bei diesen Aufträgen oftmals auch ein bisschen mehr mit unseren Inhalten und der Marke überzeugen als mit drei kurzen Werbebotschaften.“

Markta-Markthalle in Wien

Überzeugen soll letztlich auch der Shop auf der Alser Straße. Imres Vision: „Du gehst rein und sollst das Gefühl einer Markthalle erleben. Es ist ja oft Thema in Wien, dass keine vernünftige Markthalle bespielt wird. Wir glauben, dass das Konzept der Markthalle auch in Wien angenommen wird, aber halt in einer anderen Variante. Bei uns ist es so, dass du nicht reingehst, Regal um Regal siehst und von möglichst vielen Produkten erschlagen wirst. Regale wird es nur an der Wand geben. Und, ganz wichtig: Wir haben auch ein kleines Café dabei, wo die Produkte verkostet werden können. Es gibt auch Brot direkt vor Ort zum Kosten, das soll sich ein wenig durch die rund 450 Quadratmeter schlängeln.“

Die Frage, die man sich gestellt habe: Wie kann ein ländlicher Bauernladen oder Kreislauf von damals in der heutigen Zeit ausschauen? Auch hier setzt man auf Transparenz: Die Produzent:innen werden in Form von Porträts vorgestellt, über das Smartphone sollen alle relevanten Infos zu den erzeugenden Betrieben direkt vor Ort präsentiert werden. Das Verweilen stehe im Mittelpunkt: „Rein und gleich wieder raus, einfach nur besorgen, was ich brauche, das soll auch möglich sein – aber wer mehr Zeit hat, soll sich auch beim Verweilen wohlfühlen. Wer Lust hat, Zeit im Shop zu verbringen, Dinge zu verkosten und vielleicht auch mit Freunden einmal hinzugehen, soll das auch machen können. Und wir wollen nicht zuletzt auch die Produzent:innen vor Ort haben und zu uns einladen.“

Ab in die Bundesländer

Und langfristig? Theresa Imre hat einen Plan: „Ich glaube, auch wenn man ein Impact-Unternehmen ist, hat man trotzdem den Wunsch, weiter zu wachsen. Da geht es um sinnvolle Verdrängung. Also ja, wir haben geplant, in den nächsten Jahren bis zu zehn Filialen in Wien zu eröffnen und möchten auch in die Bundesländer gehen.“ Davor müsse aber erst einmal die erste Filiale den Proof of Concept überstehen. Was dann kommt? „Wer weiß, aber ich bin einfach überzeugt, dass wir in Europa wie weltweit einfach kürzere Versorgungsketten und transparentere Produktionen im Lebensmittelbereich brauchen.“

Dieses Interview stammt aus dem neuen Retail Startup Report 2023. Das 60-seitige Magazin erscheint in Kürze online und als gedruckte Variante. 

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