Nestlé stoppt CO2-Kompensationen nach Greenwashing-Vorwürfen
Er steht hinter Weltmarken wie KitKat, Nespresso, Maggi oder San Pellegrino und gehört zu den 30 wertvollsten Unternehmen der Welt: Der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé ist eines der wichtigsten und gleichzeitig kontroversesten Unternehmen der Welt. Wie viele andere auch haben sich die Schweizer Klimaneutralität bis 2050 verschrieben, um einen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel zu leisten und dem Druck vom Markt gerecht zu werden.
Die CO2-Maßnahmen inkludierte bisher auch so genanntes Carbon Offsetting – also den Zukauf von CO2-Zertifikaten, um mit ihrer Hilfe den eigenen CO2-Ausstoß teilweise zu kompensieren. Meist werden CO2-Zertifikate für Wiederaufforstungsprogramme u.ä. auf anderen Kontinenten erstellt und dann von Großunternehmen, aber auch Privatpersonen in westlichen Ländern gekauft, um dadurch ihre CO2-Bilanz aufzubessern. Allerdings ist diese Praxis in der jüngeren Vergangenheit ordentlich in die Kritik geraten, weil oft nicht transparent ist, für was und warum da Zertifikate vergeben werden.
Nun hat Nestlé angekündigt, künftig kein Carbon Offsetting mehr zu machen. „Wir investieren nicht mehr in Emissionsausgleiche für unsere Marken, sondern in Programme und Praktiken, die dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen in unserer eigenen Versorgungskette und in unseren Betrieben zu reduzieren, wo es den größten Unterschied macht, unser Netto-Null-Ziel zu erreichen“, heißt es aus dem Konzern. „Unser Netto-Null-Fahrplan stützt sich nicht auf Kompensationen. Wir konzentrieren uns auf die Verringerung und den Abbau von Treibhausgas-Emissionen (THG) innerhalb unserer Wertschöpfungskette, um unser Netto-Null-Ziel zu erreichen.“
Future Economy: Wie wir Greenwashing bei CO2-Zertifikaten stoppen
Neue Greenwashing-Regeln der EU
Mit der Entscheidung einher geht auch das Versprechen, bestimmte Marken des Konzern bis zu einem bestimmten Datum CO2-neutral zu machen. 2021 etwa kündigten die Schweizer an, die Schokoladenmarke KitKat bis 2025 klimaneutral machen zu wollen. Weil sich das aber wohl auch auf CO2-Zertifikate stützte, gilt dieses Ziel nun nicht mehr. Statt in CO2-Zertifikate will Nestlé künftig auf die Reduzierung von Emissionen, so genanntes Carbon Removal sowie hauseigene Wiederaufforstungsprojekte setzen.
Die Entscheidung, CO2-Zertifikate sein zu lassen, kommt nicht von ungefähr. Die EU hat im März 2023 die so genannte „Green Claims“-Verordnung vorgestellt, die Greenwashing von Unternehmen unter Strafe stellen soll. Dort soll auch geregelt werden, wie mit CO2-Kompensation, das von Umweltschützer:innen als Ablasshandel kritisiert wird, umgegangen wird. Greenpace und Co. haben immer wieder kritisiert, dass CO2-Zertifikate nicht dazu taugen, die CO2-Emissionen von Firmen zu senken – diese sollten lieber selbst aktiv werden, anstatt Zertifikate zu kaufen.
Zudem gerieten Nestlé und viele andere Lebensmittelhersteller und -Verkäufer wie Aldi, Lidl, Arla, Cargill, Danish Crown, Danone, Fonterra, JBS, Tyson Foods und Unilever in die Kritik. Die niederländische Stiftung Changing Markets untersuchte die Werbeaussagen zum Klimaschutz der Unternehmen und warf ihnen in 50 Fällen „massives Greenwashing“ vor. Vor einem Monat nahm auch die Deutsche Umwelthilfe die vier Unternehmen Danone, Eurowings, Netto und HelloFresh wegen „hochgradig irreführenden“ Werbeversprechen ins Visier. Als besonders dreist wurde bewertet, dass der französische Konzern Danone sein Mineralwasser Evian, gerne abgefüllt in Plastikflaschen, als klimaneutral bezeichnete.
Selbst Verra, die führende weltweite Organisation im Handel mit CO2-Zertifikaten, ist in die Kritik gekommen. Verra soll wertlose Zertifikate verkauft haben – und kündigte später an, die Methodologie zur Messung der so genannten REDD+-Projekte zu überarbeiten.
Verra: Führender Anbieter soll „wertlose“ CO2-Zertifikate verkaufen