Anti-Coercion Instrument (ACI)

Neues EU-Handelsinstrument beschlossen, um vor „wirtschaftlicher Erpressung“ zu schützen

Das EU-Parlament in Straßburg © Pixabay
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Das Europäische Parlament hat am Dienstag mit überwältigender Mehrheit ein neues (und zugegeben kontroverses) Handelsinstrument beschlossen. Es soll der Europäischen Union ermöglichen, sogenannte „wirtschaftliche Zwänge“ von Außen abzuwehren – und das mit harten Maßnahmen. Mit 578 Stimmen bei 24 Gegenstimmen und 19 Enthaltungen wurde das Anti-Coercion Instrument (ACI) offiziell verabschiedet.

Was ist mit „wirtschaftlicher Zwang“ gemeint?

Der Begriff „wirtschaftlicher Zwang“ wird in der Verordnung so definiert: „Wenn ein nicht-EU-Land versucht, die EU oder einen ihrer Mitgliedstaaten durch die Anwendung oder Androhung von Handels- oder Investitionsmaßnahmen zu beeinflussen, um eine bestimmte politische Entscheidung zu erzwingen“.  Die EU kritisiert, dass „obwohl diese Art von Zwang die strategische Autonomie der EU untergraben würde“, diese nicht durch das Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) abgedeckt sei. Zur Info: Der WTO-Streitbeilegungsmechanismus steht speziell für Fälle wirtschaftlicher Nötigung nicht zur Verfügung. Es ist daher wenig überraschend, dass die EU die Zügel selbst in die Hand nehmen wollte.

Schutzschild für die „Souveränität der EU“

Das ACI wurde somit laut Angaben des Parlaments als Reaktion auf den „zunehmenden wirtschaftlichen Druck sowie Erpressung von Seiten nicht-EU-Ländern“ entwickelt. Diese würden der EU nach versuchen „politische Entscheidungen und Haltungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu beeinflussen“. Dieses neue Instrument will die „Souveränität der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu schützen“, insbesondere in einem geopolitischen Kontext, in dem der Handel und Investitionen „als Waffe eingesetzt werde“.

In einer öffentlichen Erklärung dazu sagt Bernd Lange, Berichterstatter und Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel: „Dieses Instrument ermöglicht eine schnelle Reaktion gegen Zwangsmaßnahmen, gegen den Druck anderer Länder. Wir haben klare Zeitpläne und klare Definitionen eingeführt, um zu sagen, was eine Zwangsmaßnahme ist.“ ist und wie man darauf reagiert. Wir verfügen nun über ein breites Spektrum an Gegenmaßnahmen und haben unseren Werkzeugkasten mit Abwehrinstrumenten gefüllt. Dieses Anti-Zwangs-Instrument soll zwar abschreckend wirken, bei Bedarf können wir aber auch eingreifen um die Souveränität der Europäischen Union zu verteidigen.“

Details zum neuen EU-Handelsinstrument

Wichtg: Das „Anti-Erpressungs-Instrument“ soll in erster Linie lediglich als Abschreckung dienen. Handelskonflikte sollen noch immer zuerst mit  Verhandlungen gelöst werden. Das ACI würde nur als „letztes Mittel“ eingesetzt werden, um Gegenmaßnahmen gegen Nicht-EU-Länder zu verhängen, darunter fallen verschiedene Beschränkungen im Handel mit Waren und Dienstleistungen, geistigen Eigentumsrechten und ausländischen Direktinvestitionen. Es wird mit dem neuen Instrument auch möglich sein, den Zugang zum öffentlichen Beschaffungsmarkt und zum Kapitalmarkt der EU sowie die Zulassung von Produkten gemäß den Chemikalien- und Hygienevorschriften einzuschränken.

Vier Monate um „Nötigungsfälle“ zu untersuchen

Dem Abkommen nach hat die Europäische Kommission vier Monate Zeit, um „mögliche Nötigungsfälle“ zu untersuchen. Auf dieser Grundlage hat der Rat dann acht bis zehn Wochen Zeit, um mit einer Mehrheit zu entscheiden, ob ein „wirtschaftlicher Zwang“ vorliegt oder nicht. Der Dialog mit den Behörden des nicht-EU-Landes stehe dabei an erster Stelle. Sollten die Gespräche jedoch scheitern, hat die Kommission sechs Monate Zeit, um eine „angemessene Reaktion“ auszuarbeiten und das Parlament sowie den Rat in allen Phasen zu informieren.

Die neuen Regeln ermöglichen der EU auch, „Wiedergutmachung“ von dem nicht-EU-Land zu verlangen, das Zwangsmaßnahmen ausübt. Die Europäische Kommission kann auch Maßnahmen ergreifen, um diese Wiedergutmachungen durchzusetzen.

Unterstützung durch Beiträge von Behörden, Gewerkschaften und der Wissenschaft

Zum Hintergrund: Bereits im Jahr 2020 kündigte die Kommissionspräsidentin in ihrer Absichtserklärung zur Lage der Union an, dass ein Vorschlag zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen durch Drittländer entwickelt werden müsse. Dieser Plan wurde dann in das Arbeitsprogramm der Kommission für 2021 aufgenommen. Im Jahr 2021 wurde eine gemeinsame Erklärung zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Schaffung eines Instruments zur Abwehr wirtschaftlichen Drucks durch Drittländer verabschiedet.

Bei diesem Prozess hat die Kommission eine Folgenabschätzung durchgeführt und eine öffentliche Konsultation organisiert. Am 7. September 2021 veröffentlichte die Kommission schließlich einen Bericht, der die Ergebnisse zusammengefasst hat. Dieser Bericht soll Beiträge von verschiedenen Interessengruppen enthalten haben, darunter Wirtschaftsverbände, Unternehmen aus verschiedenen Sektoren, Behörden, Gewerkschaften und die Wissenschaft. Die meisten hätten „die Bedeutung des Problems wirtschaftlichen Zwangs anerkannt“ und die Einführung des Instruments unterstützt haben.

USA und China haben wichtige Rolle gespielt 

Der Mechanismus soll insbesondere als Reaktion auf den „wirtschaftlichen Druck der USA während der Trump-Regierung“ sowie zahlreiche Konfrontationen zwischen der EU und China entwickelt worden sein. Bezüglich China nennt das Parlament auf seiner offiziellen Nachrichtenwebseite sogar auch ein konkretes Beispiel – und zwar die Handelsbeschränkungen, die China auf Litauen verhängt hat, nachdem Litauen im Juni 2021 angekündigt hatte, die Handelsbeziehungen zu Taiwan zu verbessern. Diese führten zu Schwierigkeiten für litauische Unternehmen bei der Erneuerung oder dem Abschluss von Verträgen mit chinesischen Unternehmen sowie Problemen mit Sendungen und Zollverfahren.

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