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Crowdinvesting in der Krise? „Auch in Österreich gibt es Unternehmen, die in Schieflage geraten sind“

Wem vertraut die Crowd? © Pixabay
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Protonet war ein Muster-Startup, das die Snowden-Enthüllungen perfekt für sich nutzte. Das Produkt: Kleine spionagesichere Server-Boxen für die private Cloud zuhause. 2014 stellte das Unternehmen einen Crowdfunding-Rekord auf. Innerhalb von 90 Minuten stellte Protonet auf der deutschen Crowdfunding-Plattform Seedmatch 750.000 Euro auf. Kurz darauf war das Ziel von 1,5 Millionen Euro erreicht. 1.800 Investoren hatten den Betrag aufgebracht. Zwei Jahre später klopfte das Förderprogramm Y-Combinator an und lud Gründer Ali Jelveh nach Mountain View zum Interview ein. Es begann ein wenig zu rumoren unter den Protonet-Unterstützern.

Denn Jelveh übertrug sieben Prozent der Firma an Y-Combinator für gerade einmal 120.000 Euro – weit unter der Bewertung von acht Millionen Euro. Kurz darauf wurde eine Inc. als Muttergesellschaft in den USA gegründet. Nach Abschluss des dreimonatigen Programms sammelte Protonet weitere 1,3 Millionen Euro von amerikanischen Investoren ein. Das Startup war dauerhaft in den Medien präsent. Auch an dem Tag, als die Bombe platzte: Anfang Februar 2017 ging beim Amtsgericht Hamburg der Insolvenzantrag ein. Trotz der Rekorde und Erfolge schrieb das Unternehmen keine schwarzen Zahlen. Seitdem läuft die Suche nach einer Rettung für Protonet. 2.500 Kunden, 1.800 Crowd-Investoren und einige VCs aus den USA verlieren eine Menge Geld. 18 Mitarbeiter stehen vor einer unsicheren Zukunft.

Crowdfunding-Krise in Deutschland

Protonet teilt dieses Schicksal mit einigen anderen ehemaligen Crowdinvesting-Stars, die in den vergangenen sechs Monaten die Segel streichen mussten: Panono, Triprebel, EN3 und Freygeist sind derzeit ebenfalls hauptberuflich mit dem Insolvenzrecht beschäftigt. Die spektakulären Pleiten hatte Folgen für die Szene: Beim Marktführer Companisto brach der Umsatz im 1. Quartal 2017 um 40 Prozent ein. Von einer halben Million im vorherigen Quartal ging er auf 290.000 Euro zurück. Die Verluste stiegen auf 330.000 Euro an. Grund für die roten Geschäftszahlen soll laut Unternehmen nur „eine zufällig entstandene Bündelung“ von gescheiterten Finanzierungen sein, die die Crowdinvestoren beunruhigen. Crowdfunding lebt wie das Aktiengeschäft von Vertrauen. Nehmen Konsumenten Unsicherheiten wahr, ziehen sie sich zurück.   

Wir haben die Chefs der österreichischen Plattformen Conda, Rendity und Green Rocket um ihre Meinungen gebeten. Sie geben Antwort, ob ähnliche Szenarien in Österreich drohen.

In Deutschland brach vor einiger Zeit eine Crowdinvesting-Krise aus. Droht Österreich Ähnliches? 

Daniel Horak, Conda

„Wenn man sich die Zahlen der Wirtschaftskammer zum Crowdinvesting-Markt ansieht, dann zeigt sich nach wie vor ein stetiges Wachstum. Crowdfunding startete in Österreich spät, deshalb können wir von den Erfahrungen der deutschen Plattformen profitieren. Aber wir müssen immer wieder darauf hinweisen: Investments in Startups sind mit hohem Risiko verbunden. Wir halten unsere Investoren an, nur innerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten anzulegen und das Portfolio breit zu streuen.“  

Wolfgang Deutschmann, Green Rocket

„Das Jahr 2017 verläuft bisher sehr erfolgreich für uns. Im ersten Quartal konnten wir im Vergleich zu 2016 einen starken Zuwachs verzeichnen. Alle drei Plattformen performen durchwegs gewinnbringend. Wir überprüfen die Unternehmen, die bei uns anfragen, im Vorhinein sehr genau und picken für unsere Crowd die Rosinen heraus. Alle Unternehmen, von denen wir nicht überzeugt sind, lehnen wir strikt ab.“

Lukas Müller, Rendity

„Auch in Österreich gibt es durch Crowdinvesting finanzierte Unternehmen, die in Schieflage geraten sind. Daher ist die Aufklärungsarbeit von Seiten der Plattformen unglaublich wichtig: Ja, es können hohe Renditen erzielt werden, und ja, es besteht auch ein Totalausfallrisiko. Es ist ein großes Problem und das sieht man auch sehr deutlich in Deutschland, dass viele Investoren nur bei einer einzigen Crowdinvesting-Kampagne beteiligt sind und dadurch große Klumpenrisiken entstehen. Wie bei jedem Investment sollte man nie alle Eier in einen Korb legen. So arbeiten auch Venture-Capital-Fonds, die Start-Up-Investments im großen Stil betreiben. Die kalkulieren damit, dass nur jedes 10. Startup durch die Decke geht, die anderen neun hingegen den 2. Geburtstag nicht überleben. Umso mehr sollten daher Kleinanleger auf Diversifikation setzen. Von einer Krise würde ich in Österreich aber nicht sprechen.“

Die Insolvenzen betrafen vor allem Hardware-Startups. Ändern Sie jetzt ihre Strategie oder reagieren Sie anders auf die Krise in Deutschland?

Daniel Horak, Conda

„Bei Hardware-Startups kommt aus meiner Sicht erschwerend hinzu, dass die Entwicklung von physischen Produkten mit besonders hohem Kapitaleinsatz verbunden ist – daher sind hier dann auch Folgefinanzierungen sehr wichtig, um in Serienproduktion und Vertrieb zu investieren. Wenn diese nicht stattfinden, kann es dann sehr rasch gehen, dass das Unternehmen scheitert. Wir fokussieren uns stets auf das Gesamtpaket, d.h. wir sehen uns besonders das Team, den Status des Unternehmens und das restliche Setting an – hier achten wir auch darauf, dass die Crowd gemeinsam mit anderen Investoren engagiert ist, um den richtigen Kapital- und Erfahrungsmix im Unternehmen zu haben. Darüber hinaus konzentrieren wir uns schon seit längerer Zeit nicht nur auf Startups, sondern bieten unserer Crowd auch Investments in KMUs und Immobilien an. Rapid hat etwa bereits nach dem ersten Jahr Zinsen an seine Investoren gezahlt und auch andere Projekte konnten hier bereits Rendite erwirtschaften. Das zeigt, dass wir hier am richtigen Weg sind.“

Wolfgang Deutschmann, Green Rocket

„Hardware-Startups haben wir von Beginn weg sehr kritisch durchleuchtet. In den vergangenen Monaten haben wir den Selektionsprozess noch verschärft und prüfen Projekte noch umfassender. Da wir selbst einen technischen Hintergrund haben, wissen wir etwas besser, wie hoch die Anforderungen und Hürden in diesem Bereich sind. Produzierende Unternehmen müssen deshalb nachweisen, dass die Produktion realisierbar ist, und einen zuverlässigen Industriepartner haben. Außerdem muss im Kerngeschäft eine adäquate Umsatz-Größenordnung bereits vorhanden sein. Mindestens 50.000 Euro sollte jedes Startup umsetzen, das sich der Green Rocket-Crowd präsentiert.“

Lars Müller, Rendity

„Auch wenn unsere Investments letztlich in ein sehr analoges Produkt – nämlich Immobilien – münden, finanzieren wir keine Hardware-Unternehmen, da eine seriöse Bewertung und Risikoeinschätzung für uns nahezu unmöglich ist.“

Wie viele Insolvenzen von Projekten, die Kampagnen auf Ihrer Plattform gemacht haben, gab es bis dato?

Daniel Horak, Conda

„Bisher gab es unter 84 erfolgreich finanzierten Projekten in Summe drei Insolvenzen von Projekten mit vergleichsweise eher geringen Finanzierungsvolumen, welche einen Verlust für unsere Investoren mit sich gebracht haben. Natürlich ist dieses Scheitern jedes Mal für das Unternehmen, das Team dahinter, für uns und die Investoren sehr schade und unangenehm, aber wie bereits erwähnt gehört dies leider zum Crowdinvesting dazu.“  

Wolfgang Deutschmann, Green Rocket

„Insgesamt haben wir bisher 53 Firmen und Projekte erfolgreich co-finanziert. Nur eines der Unternehmen, das wir präsentiert haben, musste Insolvenz anmelden. Das ist eine sehr gute Quote, mit der wir am österreichischen Markt im absoluten Spitzenfeld liegen.“

Lars Müller, Rendity

„Bei unseren bisher sieben Projekten gab es keine einzige Insolvenz oder anderweitige Zahlungsverzögerung. Wir haben im Frühjahr das erste Immobilienprojekt im Zinshausbereich in Österreich zurückgezahlt und bereiten gerade unsere nächste Rückzahlung für Juni vor.“

In Österreich passiert alles fünf Jahre später als im Rest der Welt. Fürchten Sie, dass sich die Krise in Deutschland auf Österreich überträgt?

Daniel Horak, Conda

„Ich bin davon überzeugt, dass es ein Finanzierungsinstrument wie Crowdinvesting in Europa braucht. Dass es nach dem Hype um das Thema auch wieder zu einer Abschwächung des Wachstums kommt, ist nicht überraschend. Meiner Einschätzung nach wird sich die Branche professionalisieren. Sowohl Plattformen, kapitalsuchende Unternehmen und Investoren werden dazulernen müssen, auch wenn das manchmal schmerzhaft ist.“ 

Wolfgang Deutschmann, Green Rocket

„Gerade beim Crowdfunding trifft es nicht zu, dass Österreich dem Rest der Welt hinterherhinkt. Mit dem Alternativfinanzierungsgesetz aus dem Jahr 2015 wurden in Österreich schon früh Rahmenbedingungen zur Professionalisierung des Crowdfundings geschaffen. Ich sehe Österreich hier also durchaus auf einer Stufe mit Deutschland. Bisher stellen wir keine negative Entwicklung fest. Diese Krise wird überbewertet. Es ist ein Lernprozess für die Crowd. Wir merken aber durchaus, dass Pleiten auf anderen Crowdfunding-Plattformen insgesamt die Stimmung drücken und die Crowd temporär weniger investitionsfreudig ist. Das ist schade, weil somit einzelne Projekte den Ruf der gesamten Branche beschädigen.“

Lukas Müller, Rendity

„Ich hoffe, dass solche Situationen im Bereich des Crowdinvestings mit noch größerer Verzögerung nach Österreich kommen, da dies dem gesamten Markt, also auch Immobilieninvestment-Plattformen, einen negativen Beigeschmack geben würde. Ich denke, dass Plattformen ihre Prüfprozesse und Auswahlkriterien präzisieren werden, um auf dem Markt zu bestehen, und dass eine Konsolidierung der Anbieter bevorsteht, sodass es keine „schwarzen Schafe“ mehr gibt (kitzVenture u.ä.). Letztendlich wird es darum gehen, wer die qualitativ hochwertigsten Investments anbietet.“

Wie beugt Ihre Plattform etwaigen Insolvenzen, die sich auf die Anleger auswirken, vor? Wie können sich Anleger schützen?

Daniel Horak, Conda

„Natürlich versuchen wir einerseits durch eine gute Selektion, klare Auswahlkriterien unseres Advisory Boards, die Kooperation mit Business Angels, Inkubatoren und andere Maßnahmen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Aber es bleibt darüber hinaus auch unerlässlich, dass sich jeder Investor selbst ein Bild vom Projekt macht, sich die Unterlagen kritisch ansieht, mit dem Unternehmen bei Fragen in Kontakt tritt und eben nicht sein gesamtes Kapital auf eine Karte setzt.“

Wolfgang Deutschmann, Green Rocket

„Wir prüfen die Unternehmen, die wir zulassen, sehr genau. Dazu sehen wir uns Bilanzen und Saldenlisten an, aber auch, welche Personen hinter den Unternehmen stehen und wie viel Erfahrung diese haben. Produzierende Unternehmen müssen zudem einen verlässlichen Industriepartner und ein gewisses Kerngeschäft aus ihren Produkten nachweisen. Selbst bei geringen Zweifeln lehnen wir Unternehmen ab. Lieber haben wir einen Monat lang keine Investmentchance, als etwas zu präsentieren, von dem wir nicht überzeugt sind.“

Lars Müller, Rendity

„Wir setzen auf ein 20-Punkte-Programm, nach dem wir Immobilienprojekte und deren Entwickler überprüfen. Anschließend machen wir ein Risk-Scoring mit unserem Rendity-Rating. Dies hat auch zur Folge, dass wir viele Projekte ablehnen und dann umso verwunderter sind, wenn wir sie auf Plattformen von Wegbegleitern wiederentdecken. Wir raten allen Investoren, sich mit den Unterlagen auseinander zu setzen und im Zweifel zum Hörer oder zur Tastatur zu greifen, sollte etwas nicht klar sein. Als zweiten Tipp raten wir, das Investitionsbudget auf mehrere Projekte aufzuteilen.“

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