Crispr-Genschere

Neue Gentechnik: NGOs fürchten Freifahrtsschein für genveränderte Lebensmittel in EU

©heder neves/ Unsplash
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Die Folgen des Klimawandels sind bereits jetzt zu spüren. Häufigere extreme Wettererscheinungungen, wie Dürren oder Starkregen, machen insbesondere der heimischen Landwirtschaft zu schaffen. Einige Befürworter sehen daher in der sogenannten Neuen Gentechnik die Lösung auf diese Herausforderungen. Doch bei genveränderteren Lebensmitteln spalten sich nach wie vor die Gemüter. Das wird insbesondere aktuell wieder deutlich.

Der Anlass: Am 30. April wird die Veröffentlichung einer neuen Studie der Europäischen Kommission zu der Regulation von Neuer Gentechnik erwartet. Je nachdem wie diese ausfällt, befürchten Umweltorganisationen eine Deregulation der Verfahrenstechniken. Wie die dpa berichtet, veröffentlichte die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) daher nun bereits im Voraus ein Positionspapier gegen eine Lockerung der Regularien. Auch in Österreich regt sich der Widerstand bei Global 2000, IG Saatgut und Greenpeace. In einer gemeinsamen Studie von Global 2000 und IG Saatgut zeigen diese auf, dass genveränderte, klimaresistente Lebensmittel bisher eher Zukunftsmusik sind.

Gene ausschalten, entfernen oder hinzufügen

Diese Diskussionen werden nicht zum ersten Mal geführt und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal. Im Mittelpunkt der Debatte stehen neue Verfahrenstechniken, wie die sogenannte Crispr-Genschere. Crispr steht für „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“. Bei dieser Methode können Gene eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden. Dieses Verfahren ist damit nicht nur für die Lebensmittelindustrie interessant. Auch in der Medizin, bei der Erforschung von Erbkrankheiten beispielsweise, könnten so Möglichkeiten zur Heilung gefunden werden. Bei der letzten Nobelpreisverleihung 2020 wurden daher die Entdeckerinnen der Crispr-Genschere, die französische Biologin Emmanuelle Charpentier und die amerikanische Biochemikerin Jennifer Doudna, mit dem Nobelpreis in Chemie ausgezeichnet.

Die Anwendung der Methode in der Lebensmittelindustrie ist aber umstritten. Im Juli 2018 entschied der Europäische Gerichtshof, dass die Crispr-Genschere als Gentechnik einzustufen ist. Damit fällt die Anwendung unter die strenge Regulation für genveränderte Lebensmittel, welche auf ihr Risiko bewertet werden müssen, rückverfolgbar sein müssen und im Verkauf entsprechend gekennzeichnet werden.

Gentechnik ist schlecht. Sagt eigentlich wer?

Vorwurf: „Lifestyle-Produkte“ im Fokus von Forschung

Umweltschutzorganisation fürchten nun, dass Entscheidung durch die kommende Studie der EU-Kommission neu überdacht werden könnte. In einer gemeinsamen Studie haben Global 2000 und die Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutgemeinschaft (IG Saatgut) den aktuellen internationalen Stand der Anwendung der Crispr-Genschere im Lebensmittelsektor untersucht. Ihren Ausführungen nach, werden bisher global zwei Pflanzen kommerziell angebaut, welche mittels Neuer Gentechnik entwickelt wurden. So wird ein herbizidresistenter Raps des US-amerikanische Unternehmen Cibus angebaut und eine Sojasorte des US-amerikanischen Unternehmen Calyxt, deren Öl weniger Trans- fettsäuren enthalten soll. Der Studie zufolge, wurde Anfang 2021 in Japan eine Tomate zugelassen, welche mittels Crispr-Genschere entstanden ist. Diese soll  blutdrucksenkende und entspannungsfördernde Eigenschaften haben. In den USA wurden wiederum unter anderem Kartoffeln, welche resistenter gegen Lagerungsflecken sein sollen, im Juni 2020 von dem amerikanischen Landwirtschaftminesterium gestattet, so Global 2000.

Fehlende Forschung zu klimaresistenten Eigenschaften

Tatsächlich klimaresistentere Lebensmittel seien laut Global 2000 hingegen bisher nicht am Markt oder in Planung. Dafür würden bisher teilweise auch die nötigen wissenschaftlichen Grundlagen zu den dafür nötigen Eigenschaften, wie beispielsweise die Trockenheitstoleranz, fehlen. Für Global 2000 und die IG Saatgut wird dadurch deutlich, dass bisher der Fokus auf „Lifestyle-Produkten“ und herbizidsresistenten Lebensmitteln läge, statt auf Lösungen für die Landwirtschaft im Klimawandel. Die Vorsitzende der Österreichischen Bergbauernvereinigung Maria Vogt teilt die Einschätzung: „Die Neue Gentechnik ist weder für das Klima, noch für uns Bäuerinnen und Bauern eine Option. Eine Deregulierung würde der wachsenden gentechnikfreien konventionellen und biologischen Produktion und dem Lebensmittelhandwerk einen schweren Schaden zufügen, Kosten würden steigen und die Wahlfreiheit ginge verloren.“

Basenbox: „Zukunft der Lebensmittelindustrie wird hoffentlich von einem regionaleren Angebot bestimmt“

Laut Global 2000 hätten sich in Österreich bereits das Gesundheitsministerium und das Umweltministerium gegen eine Deregulierung ausgesprochen. Auch von der österreichischen Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) erwarten sie sich eine ähnliche Haltung. In Deutschland hat sich hingegen die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner gegen eine absolute Ablehnungshaltung gegenüber der Neuen Gentechnik ausgesprochen. Somit werden die Diskussionen zu der Thematik spätestens nach der Veröffentlichung der EU-Studie in eine neue Runde gehen. Ein erster Zulassungsantrag in der EU ist währenddessen schon gestellt. Das US-amerikanische Unternemen DowDupont will den Mais DP915635, welcher resistent gegen das Herbizid Glufosinat sei soll und ein Insektengift produziert, nach Europa bringen.

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