WAY TO PASSION INTERVIEW

Cornelia Diesenreiter: „Nachhaltigkeit ist mein Herzensanliegen und meine innere Kraft.“

Cornelia Diesenreiter © Harald Eisenberger
Cornelia Diesenreiter © Harald Eisenberger
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Seit ihrer Kindheit hat Cornelia Diesenreiter den innigsten Wunsch, niemandem Leid zuzufügen. Keinen Menschen, keinen Tieren und auch nicht der Umwelt. Erst viel später hat sie gelernt, dass man dies als nachhaltig bezeichnet. Nachhaltigkeit ist ihr Herzensanliegen. Der Nachhaltigkeit möchte sie ihr Leben widmen und auf ihrem Weg viele Menschen dafür begeistern.

In ihrem ersten Buch – Nachhaltig gibt’s nicht! – erzählt sie ihre sehr persönliche Geschichte vom Streben, wirklich nachhaltig zu werden, und wie sie daran immer wieder kläglich scheitere. Niemand von uns kann immer in allem, was er tut, nachhaltig sein. Niemand ist zu 100 Prozent nachhaltig. Dies soll aber nicht frustrieren, sondern befreien. Nachhaltigkeit braucht nicht einige wenige Menschen wie mich, die nach unmöglicher Perfektion streben, sondern Millionen von Menschen, die daran Freude finden und auch Fehler machen dürfen.

Wir von Unverschwendet verarbeiten gerettetes Obst und Gemüse aus der Landwirtschaft zu nachhaltiger Feinkost, um unnötige Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Alles was zu klein, zu groß, zu krumm oder einfach zu viel ist, kommt bei uns ins Glas und wird zu Marmelade, Chutney, Sirup und vielem mehr. Unsere Gläschen sind Botschafter der Bewusstseinsbildung im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung.

Was treibt Dich im Leben an?

Hahaha, siehe Frage oben Nachhaltigkeit ist mein Herzensanliegen und meine innere Kraft. Der Nachhaltigkeit wohnt nämlich die wunderschöne Freude inne, Gutes zu tun. Hat man erst einmal damit begonnen, so kann die Freude daran wachsen und es gibt auch bei Rückschlägen – von denen es in der Selbstständigkeit einige gibt – auch die Kraft, immer weiter zu machen.

Wie war der Weg von „Unverschwendet“ zum Buch?

Ich hatte das große Glück, dass ich bei einer Preisverleihung scheinbar so viel Freude zum Thema ausgestrahlt habe, dass ich vom Styria Verlag angesprochen wurde, ob ich darüber ein Buch schreiben möchte. Ein Geschenk und eine unglaublich schöne Lebenserfahrung, die ich hier machen durfte.

Warum gerade ein Buch?

Ich selbst wäre wohl nie auf die Idee gekommen, ein Buch zu schreiben. Während ich dann daran geschrieben habe und Teile davon mit dem Verlag oder auch Freund:innen reflektiert und besprochen habe, habe ich gemerkt, dass sich doch sehr viele für Nachhaltigkeit interessieren und sich freuen, wenn sie sich auf eine angenehme und interessante Art und Weise und ohne erhobenen moralischen Zeigefinger dem Thema annähern können.

Wer sollte dieses Buch unbedingt lesen?

Der Titel ist bewusst provokant gewählt für die beiden Lager, die sich in der Nachhaltigkeit mittlerweile gebildet haben. Einerseits gibt es jene, die sich schon um ein nachhaltiges Leben bemühen und sich ein wenig auf die Zehen getreten fühlen von meinem Titel. Das andere Lager sind jene, die jetzt schon die Nase voll haben von Nachhaltigkeit und meinen, das sei ja alles eine reine Geldmacherei oder ein Feigenblatt. Geschrieben habe ich das Buch aber für alle Menschen, die sich mit dem Thema ernsthaft auseinandersetzen wollen.

Was war denn das Herausforderndste beim Schreiben?

Tausende Gedanken und Ideen zu einem schlüssigen Konzept auszuarbeiten. Da hatte ich aber wundervolle Unterstützung vom Verlag und meiner guten Freundin Irene. Das Gleichgewicht zu halten, dass die Lage sehr ernst ist, aber dass es trotzdem einen freudvollen Zugang braucht.

Hast Du bei der Schreibarbeit neue Erkenntnisse entdeckt?

Neue vielleicht nicht, aber mir wurde wieder einmal bewusst, wie komplex und doch wunderschön Nachhaltigkeit ist.

Was hat das Schreiben mit Dir persönlich gemacht?

Der Prozess ist unglaublich intensiv und manchmal war es sehr schwierig, die richtigen Worte zu finden, um genau das zu schreiben, was ich tatsächlich dachte und fühlte. Wenn man Gefühle und Gedanken aufschreibt, dann muss man sie erst einmal sortieren und das hat mir dabei geholfen, dass ich nun meine Gedanken besser in Worte fassen kann und so einfach verständlich über etwas so Komplexes sprechen kann. Hoffe ich zumindest

Was sind so deine täglichen Herausforderungen?

Unser Unternehmen wächst und wir sind mittlerweile ein tolles Team von mehr als zehn Menschen. Da ich direkt vom Studium in die Selbstständigkeit gegangen bin und davor nie Abteilungsleiterin oder Ähnliches war, muss ich nun sehr schnell sehr viel lernen. Was unglaublich spannend ist, aber auch eine große Herausforderung.

©unverschwendet

Was hat Corona mit euch, was hat Corona mit unserer Ernährung gemacht?

Corona war auch für uns kurzfristig sehr belastend. Unsere Gläschen sind ein beliebtes Give Away bei Kongressen und Events und das ist alles auf einen Schlag weggefallen. Andererseits hat Corona kurzfristig auch zu noch mehr Überschüssen geführt, weil die Gastro plötzlich zu hatte. Schön war dann zu sehen, dass auch in einer Krise viele Unternehmen zu Weihnachten etwas Nachhaltiges an ihre Mitarbeiter:innen und Kund:innen verschenken wollten. Generell hat Corona den Trend von Regionalität weiter beflügelt und ich hoffe, dass uns das auch über die Krise erhalten bleibt.

Wie kann man als Konsument das Lebensmittelsystem ändern?

Durch bewussten Konsum. Für fast alles gibt es eine nachhaltige Variante. Manchmal bedeutet es auch Verzicht, aber muss man wirklich immer alles essen können? Meist schmecken regionale und saisonale Produkte sowieso am besten und intensivsten.

Du beobachtest die Entwicklungen rund um Nachhaltigkeit ja sehr genau. Wo stehen wir da jetzt?

Ich denke, was die Nachhaltigkeit nun ganz dringend braucht, ist dass wir alle gemeinsam etwas bewegen. Derzeit gibt es eher die von mir schon angesprochene Spaltung in der Gesellschaft. Jene, die Nachhaltigkeit für sich beanspruchen, um sich von anderen abzugrenzen, sich vielleicht sogar moralisch überlegen fühlen. Und die anderen, das sind dann jene, die von der ersten Gruppe schon richtig genervt sind, nicht mehr von oben herab belehrt werden wollen. Diese beiden Gruppen sind in der aktuellen Debatte am allerlautesten, während aber der Großteil der Menschen sich noch irgendwo dazwischen befindet und sich das skeptisch aus der Ferne ansieht. Jetzt ist es wichtig, dass das Moralisieren und Shamen aufhört und wir gemeinsam einen freudvollen Zugang finden, bevor es zu spät ist.

©Christine Nini Tschavoll

Wer ist da eigentlich besonders gefordert. Die Politik, Wissenschaft, Unternehmer, Konsument …?

Wie so oft gibt es auch hier keine einfache Antwort. Es ist ein Wechselspiel. Niemand trägt alleine die Last auf seinen Schultern. Es ist aber auch nicht richtig, dass man die bösen Konzerne beschuldigt, die ja nur das produzieren, was auch gekauft wird. Oder die Regierung, denn wer wählt sie denn? Es ist ein Zusammenspiel an Verantwortung von allen Beteiligten.

Drei Dinge, die im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit sofort passieren müssen.

1. Aufhören, Nachhaltigkeit für sich zu beanspruchen und andere Menschen zu moralisieren und zu shamen.
2. Sich auseinandersetzen damit, was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet. Viel zu viele Menschen nehmen Nachhaltigkeit in den Mund und wissen gar nicht, was sie wirklich bedeutet. Ein gutes Verständnis hilft auch dabei Greenwashing & Co besser zu entdecken
3. Nachhaltigkeit mit Freude vorleben, das inspiriert andere eher zum Mit- und Nachmachen, als sie zu shamen.

Drei positive Beispiele im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit.

• Die Freude, Gutes zu tun. Eine unglaubliche Kraft und Energie, die man daraus ziehen kann.
• Mittlerweile bedeutet Nachhaltigkeit nicht immer Verzicht. Früher waren nachhaltige Produkte geschmacklich oder optisch unterlegen. Heute gibt es nachhaltige Produkte, die besser, moderner und/oder schöner sind, als die konventionelle Konkurrenz
• Sinnstiftende Arbeit. Immer mehr Menschen wollen ihre Arbeitskraft in etwas Sinnvolles stecken. Sei es als Angestellte in einem ökosozialen Unternehmen, oder als Social Entrepreneur

Was sind so die größten Probleme, Herausforderungen bei der Vermittlung von nachhaltigen Themen?

Die enorme Komplexität. Nachhaltigkeit ist ein RIESEN Eisberg und je mehr man sich mit einem einzelnen Thema beschäftigt, um so weiter und tiefer wird er. Sogar etwas so Simples wie Marillenmarmelade kann einen vor unglaubliche Herausforderungen stellen, wenn man sie wirklich nachhaltig machen möchte. Viele Menschen frustriert auch, dass Dinge, die heute als nachhaltig gelten im Laufe der Zeit neue Probleme aufwerfen, wie beispielsweise die Entsorgungsthematik rund um die Akkus von E-Autos. Nachhaltigkeit ist aber ein Prozess, bei dem noch viele Fehler passieren werden und neue Erkenntnisse auf uns zukommen. Doch nur weil man noch nicht weiß, wie die genaue Lösung ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man nicht schon einmal beginnen kann.

Was kann jeder sofort tun?

Alles was wir tun hat nachhaltige Konsequenzen. Was esse ich? Was für Kleidung trage ich? Welche Geräte verwende ich? Wie bewege ich mich fort? Zu wissen, dass alles nachhaltige Konsequenzen hat, gibt einem die Möglichkeit, dass man auch überall ansetzen kann. Egal ob man einmal einen Fleischlostag macht oder ein ökologisch abbaubares Geschirrspülmittel kauft. Millionen von kleinen nachhaltigen Handlungen können einen riesen Impact haben.

@Sebastian Kreuzberger

Könntest Du uns eins deiner Lieblingsrezepte verraten?

Ich bin eine absolute Antipasti-Liebhaberin. Geht einfach schnell und ist unschlagbar köstlich. Von getrockneten Tomaten, über Oliven bis hin zu Dips und frischem Brot.

Was macht Dich persönlich aus?

Ich denke, man spürt meine Leidenschaft und das Feuer das in mir brennt in allem was ich tue und sage, das freut mich auch sehr, dass ich diesen Funken so an viele weitergeben kann.

Was würde der Welt abgehen, wenn es Dich nicht geben würde?

Eine Frau, die unsere Umwelt, Tiere und Menschen achtet, liebt und sich von Herzen gern dafür einsetzt

Wie startest Du in den Tag? Gibt es „Rituale“, die Du umsetzt?

Ich starte meinen Tag in aller Ruhe mit einem Cappuccino und Podcasts aus den unterschiedlichsten Sparten. Ich liebe es, anderen Menschen zuzuhören, wenn sie von ihrer Leidenschaft berichten und es fasziniert mich immer wieder, was für unglaublich spannende und interessante Nischen es noch zu entdecken gibt.

Was braucht ein Tag, um perfekt zu sein?

Es gibt unglaublich viele Dinge, die einen Tag perfekt werden lassen. Manchmal ist es einfach die Sonne, die nach vielen Regentagen scheint, oft sind es wundervolle Freund:innen oder die Familie, an anderen Tagen habe ich im Unternehmen etwas geschafft. Ich kann mich irrsinnig über die kleinen Dinge im Leben freuen und hab deshalb viele, viele perfekte Tage

Hast Du für unsere LeserInnen eine Buchempfehlung?

Ich komme mittlerweile leider nur noch sehr selten dazu ein Buch zu lesen, deshalb bin ich auf Podcasts umgestiegen, die mich beim Kochen, Duschen oder in der U-Bahn begleiten. Besonders gern höre ich derzeit „The guilty feminist“, weil in mir ein starkes feministisches Herz schlägt. Auch hier geht es darum, dass man im Feminismus auch nicht immer perfekt sein kann und wie wir diese Herausforderungen gemeinsam angehen können.

Wen sollten wir noch für „way to passion“ interviewen?

Es gibt mittlerweile so viele tolle und inspirierende Menschen, die sich für mehr Nachhaltigkeit einsetzen. Spontan fallen mir da Öklo, Erbeerwoche, Dachgold, Das Gramm und Too good to go ein.

Zu guter Letzt: Kurze Fragen – kurze Antworten!

Zick-Zack Lebenslauf oder geradlinige Karriere?
Zick-Zack war jedenfalls mein Erfolgsrezept. Ich habe so viele unterschiedliche Dinge gemacht und gelernt und bin heute für die vielen sehr unterschiedlichen Erfahrungen unglaublich dankbar.

Arbeitet bedeutet für mich …
… meine Zeit, Ressourcen und Kapazitäten etwas Sinnvollem zu widmen.

Leidenschaftlich gerne …
… setze ich mich für Nachhaltigkeit ein.

Lieblingsort zum konzentrierten Arbeiten?
Mein mittlerweile durch Corona wundervoll eingerichtetes Home-Office.

Auf meinem Smartphone Home Screen ist zu sehen …?
Ganesha.

Um abends abzuschalten …
… höre ich Podcasts oder Gute Nacht Geschichten auf Calm.

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