Klimakrise

„Es ist ein Trugschluss, dass Wälder bis zum „St-Nimmerleinstag“ CO2 speichern“

Wald, Bäume, Natur, Wälder
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Die Fichte ist aus Österreichs Wäldern kaum wegzudenken. Für die Holzindustrie ist sie ideal. Durch die Klimakrise ändern sich die Bedingungen aber und heimische Forstbetriebe geraten zunehmend unter Druck. Für einen Umbau der Wälder braucht es aber einen langen Atem – die Regierung hat dafür kürzlich ein „Rettungspaket“ im Umfang von 350 Millionen Euro geschnürt. Im Interview mit Tech & Nature spricht Christian Metschina von der Landwirtschaftskammer Steiermark darüber, wie das gelingen kann und welche Rolle Biomasse beim Umstieg auf erneuerbare Energie spielt.

Tech & Nature: In Österreich sollen die Wälder „klimafit“ umgebaut werden. Was bedeutet das genau?

Christian Metschina: In jenen Gebieten in denen die Durchschnittstemperatur ansteigt und die Niederschläge abnehmen wird der Fokus auf Klimafitt-Baumarten gelegt. Das sind etwa verschiedene Eichenarten, oder auch die Douglasie. Betroffen davon sind besonders Gebiete im Norden Niederösterreichs, Oberösterreichs und die Süd-Ost Steiermark. Für die Fichte die in Österreich ein großes natürliches Verbreitungsgebiet hat, wird es in einigen Gebieten zu warm und zu trocken.

Welche Probleme bringt die Fichte denn in Hinblick auf das Klima mit sich?

Die Fichte ist ein Flachwurzler und erschließt obere Bodenhorizonte die relativ schnell austrocknen können. Wenn die Wassersäule im Baum abbricht stirbt der Baum ab. Geschwächte Bäume fallen dann den Borkenkäfern zum Opfer, die sich massenhaft im Stamm und in der Folge im Waldbestand ausbreiten. Die Fichte gilt bei uns quasi als der Brotbaum. Sie hat hervorragende Eigenschaften vor allem für den Holzbaubereich. Wir haben eine sehr starke Sägeindustrie in Österreich. Der gesamte Forstwirtschaftsbereich sichert Einkommen für 300.000 Menschen.

In Österreich werden pro Jahr rund 20 Millionen Festmeter Holz geerntet. In einem „normalen Jahr“ fallen davon ca. 5 bis 7 Prozent Schadholz an – also Bäume, die durch Käfer, Windwurf oder Schneebruch beschädigt worden sind. Letztes Jahr hatten wir über 60 Prozent Schadholz. Das ist ökonomisch eine Katastrophe, aber natürlich auch für die Wälder. Ich kenne Waldbesitzer, die haben 40 Hektar Wald verloren. Da steht nichts mehr. Wir als Landwirtschaftskammer wollen dafür natürlich Lösungen anbieten. Unsere Mitglieder fragen uns, welche Baumarten sie setzen sollen, die in einer Zeitspanne von 60 bis 100 Jahren mit einer 3 bis 4 Grad höherer Durchschnittstemperatur zurechtkommen. 

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Welche Baumarten sind das?

Wenn ich das im Detail wüsste, würde ich viel verdienen (lacht). Die Idee ist ein Baumarten-Mix aus Tanne, Eiche, Buchen, Ahorn – angepasst an die jeweiligen Bedingungen am Standort. Es ist wichtig, eine Streuung aus fünf bis sieben Baumarten zu haben. Wenn wir in 70 Jahren erkennen, dass es für zwei Baumarten nicht gepasst hat, haben wir noch immer fünf, die eine gute Chance haben, weiterzukommen. Die Umtriebszeit der Fichte mit 80 bis 100 Jahren ist kürzer als etwa die der Eiche die nach 120 Jahren geerntet wird. Forstwirte denken also immer in extrem langen Zyklen. Das Ziel sind jetzt stabile Waldbestände, die durchmischt sind und den Klimaveränderungen besser Stand halten können.

Österreichs Wälder werden an die Klimakrise angepasst

Wälder gelten ja als einer der Schlüssel zur Eindämmung der Erderhitzung. Wachsen die Wälder in Österreich?

In Österreich kommen pro Jahr etwa 4.000 Hektar Wald dazu, obwohl wir eine gute Nutzung haben. Manche sind der Ansicht, dass wir die Wälder nicht mehr nutzen sollten, weil sie dann noch mehr CO2 binden könnten. Wenn ich Holz entnehme ist aber natürlich die Idee, daraus Produkte zu machen. Das CO2, das im Holz ist, ist dann eben im Holzhaus für weitere 70 bis 80 Jahre gespeichert. Neben dem Wald bauen wir also einen weiteren CO2-Speicher aus Holzhäusern auf. Und die Nebenprodukte gehen in die Papierproduktion oder die Energiegewinnung. Pellets helfen uns auch dabei, von Öl, Gas und Kohle wegzukommen. Im Holzbau substituieren wir außerdem Beton und Ziegel, die ja einen großen CO2-Abdruck haben. Diese intelligente Nutzung von Holz wollen wir forcieren. Es ist ein Trugschluss, dass Wälder bis zum „St-Nimmerleinstag“ CO2 speichern. Wenn Bäume an ihr Limit kommen, geben sie das CO2 wieder ab.

Welche Rolle spielt Biomasse bei der Erreichung der Energiewende?

Mit der Biomasse haben wir einen extrem intelligenten Energieträger, den man in allen Sektoren einsetzen kann – im Verkehr, Strom, Wärme. Die große Stärke der Biomasse ist sicher die gespeicherte Energie. Das Produkt ist gleichzeitig auch Speicher. In Österreich haben wir bei der Wärme wirklich einen großen Hebel und mit Scheitholz und Pellets sehr bequeme Alternativen zu Öl und Kohle. Der typische „Öl-Heizer“ hat in der Regel kein Problem, auf Pellets umzusteigen.

Biomasse scheint im Vergleich zu Photovoltaik, Wasser- oder Windkraft in der Debatte rund um erneuerbare Energie etwas unterzugehen.

Die Biomasse stellt 58 Prozent und die Wasserkraft 25 Prozent der erneuerbaren Energie in Österreich. Biomasse ist also der Grund, warum Österreich derzeit auf 30 Prozent erneuerbare Energie kommt. Ohne Biomasse würde der Anteil nur bei 14 Prozent liegen. Die traditionellen Märkte sind vor allem Wärme und Strom.

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Welches Holz wird für Biomasse genau verwendet?

Bildlich gesprochen: Wenn ein Baum geerntet wird, werden im Prozess der Weiterverarbeitung aus den ersten starken Stammbereichen, wo der Stamm am dicksten ist, Bretter erzeugt. Die nächsten dünneren Stammbereiche werden in der Papierindustrie zu Zellstoff und Papier verarbeitet, ein weiterer Teil wird für die energetische Nutzung bereitgestellt. Die Faustformel lautet etwa 60 % Rundholz, 20% Industrieholz und 20 % Energieholz. Äste und Wipfel bleiben im Wald.

Die Ausbeute in der Sägeindustrie beträgt rund 64 Prozent für die stoffliche Weiterverarbeitung. Die Sägenebenprodukte werden dann ebenfalls für die Papier- und Plattenindustrie bzw. für die energetische Nutzung bereitgestellt.

Wieviel bisher ungehobenes Potenzial steckt denn noch in der Biomasse in Österreich in Hinblick auf die Energiewende?

Biomasse ist bereits auf einem extrem hohen Niveau. Österreich ist neben Deutschland das Land mit dem höchsten Anteil an Biomasse. Das Thema ist sehr kompliziert. Die Heiztage nehmen ja ab, weil es wärmer wird. Wir haben mit der TU Wien eine Studie gemacht, dass wir 2050 mit der Biomasse, die wir derzeit einsetzen, viel mehr Quadratmeter heizen können als jetzt, weil der Energiebedarf der Häuser sinkt. Zudem müssen wir beim Ausbau der Biomasse nachhaltig bleiben. In Österreich wächst mehr Wald zu, als geerntet wird. Dem sehen wir uns auch absolut verpflichtet. Es gibt ein gewisses Potenzial, das ist aber nicht unendlich. Aktuell hat Biomasse mit 232 Petajoule unter den Erneuerbaren einen Anteil von 56%. Sie ist damit, weit vor der Wasserkraft, der mit Abstand wichtigste Erneuerbare Energieträger in Österreich. Wir sehen bei der Biomasse ein Potential von 450 Petajoule, ohne dabei an die Nachhaltigkeitsgrenze zu gehen.

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