Recycling

Reclay: Einsamer Kämpfer für Plastikpfand in Österreich

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© Robert Ziffer-Teschenbruck

Das Klimaschutzministerium (BMK) pocht auf die baldige Umsetzung eines Pfandystems für Einweg-Plastik und rennt damit nicht gerade offene Türen ein: Die Wirtschaftskammer, der Handel, die Altstoff Recycling Austria (ARA) und der Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB) zählen zu den prominentesten Gegnern des Systems. Da fragt man sich: Gibt es denn Fürsprecher? Dass die Umweltschutzorganisation Global2000 für das Pfandsystem ist, mag kaum überraschen. Wer sich noch ganz offen dafür ausspricht, ist die „Österreichische Pfandsystem Gesellschaft“ (ÖPG) – und hinter der steht das Unternehmen Reclay.

Nach einer ersten Präsentation der Einwegpfand-Idee durch das BMK Anfang September war der Gegenwind so groß, dass die zuständige Ministerin, Leonore Gewessler (Die Grünen) wenige Tage später kurzfristig zu einem weiteren Pressegespräch bat. Anwesend war dort neben Gewessler selbst lediglich die ÖPG, die von einer neuen Studie untermauert erklären durfte, warum ein Pfandsystem der einzige Weg sei, die Recycling-Quote der EU zu erfüllen.

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Quoten für Plastikmüll und Plastikflaschen

Hintergrund der Debatte sind gleich zwei EU-Richtlinien. Bis 2025 müssen EU-Länder 50 Prozent der Kunststoffverpackungen recyceln, bis 2030 55 Prozent. Österreich liegt hier derzeit bei etwa 25 Prozent – um das Ziel zu erreichen müsste das Recycling von Plastik in den nächsten fünf Jahren auf rund 150.000 Tonnen verdoppelt werden. Für PET-Getränkeflaschen gelten weitere Sammelziele und zwar aus der „Single Use Plastics“-Richtlinie. Demnach müssen bis 2025 77 Prozent der Plastikflaschen getrennt gesammelt werden und bis 2029 eben die diskutierten 90 Prozent. Hier liegt Österreich etwa bei rund 70 Prozent.

Deutschland als Plastikflaschen-Vorbild

In Österreich wird Plastikmüll bisher in den meisten Bundesländern mit einem „Holsystem“ gesammelt – der gelbe Sack wird von Entsorgungsbetrieben bei den Haushalten abgeholt. In Ballungszentren wie Wien gibt es ein „Bringsystem“ – der Müll wird in öffentlich aufgestellten gelben Tonnen gesammelt. Laut ARA funktioniert das Holsystem so gut, dass in einigen Bundesländern die Sammelquote bereits bei 80 bis 90 Prozent liege. Nur in Wien sei die Quote mit etwas über 30 Prozent viel zu niedrig. Dass ein Pfandsystem das ändern kann, zeigen internationale Beispiele wie Deutschland – dort liegt die Quote bei PET-Flaschen bei 98 Prozent.

ÖPG will Pfandsystem in Österreich umsetzen

Das BMK will also trotz des heftigen Gegenwindes auch in Österreich ein Pfandsystem für Plastikflaschen. Und die ÖPG würde das gerne umsetzen. „Die ÖPG könnte Administrator eines solchen Systems werden“, sagt ÖPG-Chef Christian Abl im Gespräch mit Tech & Nature. Dazu könne die Gesellschaft beispielsweise in einen Verein umgewandelt werden, dessen Mitglieder die Abfüller von PET-Flaschen wären. Abl ist auch Geschäftsführer der Reclay Group in Österreich und der Sprecher der ÖPG, Michael Ableidinger, ist ebenfalls dort angestellt. Reclay ist ein Unternehmen, das international Entsorgungs- und Verwertungssysteme aufbaut und unter anderem auch in der Slowakei und in Singapur in den Aufbau eines Plastik-Pfandsystems involviert ist.

„Pfand-Schlupf“ bringt Millioneneinnahmen

Abl und Ableidinger wünschen sich in Österreich ein System nach skandinavischem Vorbild, das sich von dem in Deutschland unterscheidet. Der Knackpunkt dabei ist der sogenannte „Pfand-Schlupf“. Dabei handelt es sich um jenen Pfand, der nicht eingelöst wird. Wenn in Österreich nur 10 Prozent der Plastikflaschen nicht zurückgebracht würden, würde eine Summe von ungefähr 50 Millionen Euro „im Topf“ bleiben, schätzt Abl.

In Deutschland bleibt dieser „Pfand-Schlupf“ im Handel. Die ÖPG würde diesen nicht eingelösten Pfand gerne zentral verwalten und teilweise wieder an die Abfüller zurückbezahlen. Die zentrale Gesellschaft würde außerdem die Abwickler des Pfandsystems beauftragen – von Logistik bis Recycling. „Dadurch könne man verhindern, dass ein zweites ARA-Monopol entsteht“, sagt Abl. Diesem Monopol sei es zu verdanken, dass sich so eine breite Front gegen die Einführung des Pfandsystems gebildet hat.

ÖPG will „ARA-Monopol“ aufbrechen

Die ARA beherrscht derzeit laut Global2000-Studie mit mehr als 70 Prozent den Markt der Kunststoffmüll-Sammlung und -Verwertung. Mit großem Abstand folgen Interseroh mit 11,8 Prozent und Reclay mit 8,6 Prozent. „Das ist ein monopolistischer Markt“, sagt Abl. „Ein Pfandsystem würde das aufbrechen, mehr Wettbewerb bringen und andere Systeme als das der ARA ermöglichen“.

Ein Pfandsystem würde laut Abl noch ein weiteres Problem lösen – derzeit werden in Österreich vor allem PET-Flaschen getrennt gesammelt und recycelt. Großen Nachholbedarf gibt es laut Global2000 bei anderen „Hohlkörpern“. Gemeint sind damit etwa Shampoo-Flaschen oder Creme-Döschen. Die müssen getrennt recycelt werden, damit aus dem „Recyclat“ wieder PET-Flaschen oder eben Shampoo-Flaschen werden können.

„Ein Pfand würde eine sortenreine Rücknahme ermöglichen, ein Nachsortieren wäre nicht notwendig“, so Abl. Er plädiert dafür, sowohl das etablierte System aus gelbem Sack und Tonne, als auch ein Pfandsystem einzusetzen, um die EU-Quoten zu erfüllen. Dass das für Kunden zu kompliziert sei, will er nicht gelten lassen. „Bei der Glassammlung versteht auch jeder, dass Bierflaschen zurückgebracht werden und andere Flaschen in den Glasmüll kommen“.

EU-Rechnungshof empfiehlt Einweg-Pfand

Rückenwind hat die ÖPG nicht nur vom Klimaschutzministerium. Am Dienstag hatte sich auch der Europäische Rechnungshof für ein Pfandsystem ausgesprochen. Ein Rechnungshofbericht attestiert der bisherigen Berechnungsmethode der Recyclingquoten in den EU-Ländern Fehlerhaftigkeit. Bei der Meldung der Daten durch die Mitgliedsstaaten gebe es „große Diskrepanzen und Fehlermargen“. Die Berechnungsmethode sei mit Anfang des Jahres repariert worden. Die neue Messweise könne zu einem Sinken des Recyclinganteils in der EU auf 29 Prozent führen. In nur fünf Jahren soll diese Quote bei 50 Prozent liegen.

Kommendes Jahr rechnet der Rechnungshof aber wieder mit einer Vergrößerung der „Lücke zwischen den derzeitigen Recyclingquoten für Kunststoffverpackungen und den Zielvorgaben für 2025 beziehungsweise 2030“. Schuld daran ist ein EU-Verbot, Plastikmüll für Recycling zu exportieren, das Anfang 2021 in Kraft treten soll. Der Rechnungshof äußerte sich auch zur Effizienz eines Pfandes auf Plastikflaschen: Diese würden in einigen Ländern nachweislich helfen, die Recyclingziele zu erreichen. Zudem könne ein Pfand zu „profitabler recycelten Kunststoffen“ führen.

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