Interview

Tursky & KI: „4-Tage-Woche würde nur Arbeitskräftemangel verstärken“

Finanzminister Magnus Brunner und Staatssekretär Florian Tursky (beide ÖVP). © BKA/Florian Schrötter
Finanzminister Magnus Brunner und Staatssekretär Florian Tursky (beide ÖVP). © BKA/Florian Schrötter
Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

Er hat schon mal eine seiner Reden von ChatGPT schreiben lassen und ist auch sonst omnipräsent, wenn es um das Thema Künstliche Intelligenz geht: Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP), im Finanzministerium für Digitalagenden zuständig, fordert vehement eine eigene KI-Behörde in Österreich. Im Interview spricht Tursky nun über eine neue KI-Strategie für Österreich, mehr Mittel für die Grundlagenforschung und über die 4-Tage-Woche.

Fast alle Aussendungen von Ihnen sind mittlerweile zum Thema AI. Was war der Knackpunkt, sich das Thema auf die Fahnen zu schreiben?

Florian Tursky: Künstliche Intelligenzen wie die generative KI von OpenAI gibt es schon länger, durch ChatGPT haben die Menschen jedoch erstmalig gesehen, was mit der Technologie alles möglich ist. Künstliche Intelligenzen können eine Vielzahl von positiven Effekten mit sich bringen, wie zum Beispiel Effizienzsteigerungen, verbesserte Arbeitsabläufe oder tiefgreifende Datenanalysen.

Ich bin überzeugt davon, dass künstliche Intelligenzen die größte technologische Revolution seit dem Internet sind. Daraus werden sich neue Chancen ergeben und innovative Lösungen entstehen – Chancen und Innovationen, auf die Österreich nicht verzichten darf.

Haben Sie ChatGPT auch schon im Einsatz? Ihr Eindruck? Was kann es, was kann es nicht?

Ich habe ChatGPT bereits einmal für eine Rede genutzt, als Tech Envoy Amandeep Gill in Österreich zu Besuch war. Am Ende meiner Rede habe ich bekannt gegeben, dass die Rede von ChatGPT geschrieben wurde, was für Staunen im Saal gesorgt hat. Beispiele wie diese zeigen, wie rasant die Technologie voranschreitet. Allerdings ist die Technologie noch nicht ausgereift, oft werden auch fehlerhafte Informationen wiedergegeben. Daher ist es umso wichtiger, die Antworten von ChatGPT zu hinterfragen und den richtigen Umgang mit solchen Tools zu erlernen. Wir haben in der digitalen Kompetenzoffensive, die wir in der Bundesregierung Anfang des Jahres für die Bevölkerung gestartet haben, daher auch einen Schwerpunkt auf KI-Systeme gelegt.

Sie fordern regelmäßig eine eigene KI-Behörde in Österreich, noch bevor der AI Act in Kraft tritt. Warum?

Klar ist, dass sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen Rechtssicherheit brauchen. Daher freue ich mich, dass noch im Juni die Einigung für den europäischen AI Act erzielt werden konnte. Somit kommen wir rasch zu einer sinnvollen Regulierung, die Innovation ermöglicht aber gleichzeitig Massenüberwachung oder Social Scoring mittels KI-Anwendungen untersagt. Wichtig ist, dass die Konsumentinnen und Konsumenten zu jeder Zeit wissen, wenn sie mit einer Künstlichen Intelligenz konfrontiert sind.

In der Zwischenzeit arbeiten wir an der Umsetzung einer nationalen KI-Behörde. Sie wird einen Wettbewerbsvorteil für österreichische Unternehmen schaffen, denn auch viele kleine und mittlere Unternehmen verwenden schon jetzt KI-Lösungen und wir müssen ihn schnell sagen können, ob sie bei der Umsetzung des AI Acts auf Probleme treffen. Die KI-Behörde wird daher als eine Behörde mit Servicecharakter etabliert, an welche sich Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen wenden können, um Unterstützung zu erhalten.

Parlament: Fraktionen sehen Chancen und Regelungsbedarf für KI

Ist ein Voranpreschen vor EU-Verordnungen smart? Der AI Act will das ohnehin regeln. Österreich hat ein eigenes Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPl-G) aka Gesetz gegen Hass im Netz erlassen, dann kam der Digital Services Act der EU. Nun sagt die EU, dass das selbst gestrickte Gesetz Österreichs EU-widrig ist. Besteht da nicht die Gefahr, dass sich das beim AI Act wiederholt?

Mit der KI-Behörde wollen wir die Vorgaben des AI Act auf nationaler Ebene umsetzen. Wir beginnen daher bereits jetzt mit dem Aufbau einer solchen Behörde, damit wir, sobald der AI Act auf europäischer Ebene verabschiedet ist, sofort in die Umsetzung gehen können.

Sie haben angekündigt, dass es mehr Finanzierung für AI-Grundlagenforschung in Österreich geben soll. Nimmt man das Verhältnis 1:10 zu Deutschland, dann müsste Österreich eine halbe Milliarde Euro für KI zur Verfügung stellen. Geht das?

Wo wir bereits sehr viel machen ist die KI-Anwendungsforschung. Beispielsweise hat die FFG KI in den letzten beiden Jahren mit 500 Mio. Euro gefördert. Zwischen 2012 und 2022 wurden KIs in den verschiedensten Programmen mit 1,3 Milliarden Euro durch die FFG gefördert. Mit Artificial Intelligence Mission Austria 2030 investiert das BMK über 60 Mio. Euro im Jahr in die Forschung und Innovation von KI-Lösungen. Wo wir Aufholbedarf haben, ist in der KI-Grundlagenforschung.

„Situation für KI ist katastrophal“: Österreich bei AI-Strategie auf Entwicklungsland-Level

Sepp Hochreiter, ein wichtiger AI-Forscher an der JKU in Linz, beklagt sich seit Jahren über die miserablen Zustände für AI-Forschung im Land. Warum wurde die Situation in den letzten Jahren nie verbessert? Es ist ja kein Geheimnis und keine Überraschung, dass AI eine der wichtigsten Technologien überhaupt ist.

Klar ist, in Österreich machen wir viel, wenn es um die KI-Anwendungsforschung geht, wo wir definitiv noch Aufholbedarf haben, das ist in der KI-Grundlagenforschung. Im erst kürzlich vorgestellten Digital Austria Act, haben wir als Bundesregierung uns dazu bekannt, die KI-Grundlagenforschung auszuweiten. Darüber hinaus wird neben der Fortführung der Förderungen von KI-Technologien im Rahmen der angewandten Forschungsförderung, auch die Datenverfügbarkeit und Datennutzung erhöht und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür geschaffen.

Digital Austria Act: Abschaffung der Stempelmarke, neue KI-Strategie

In den USA gibt es bereits erste konkrete Zahlen, wie viel Jobs ChatGPT kosten – bereits nach wenigen Monaten am Markt. Kommt da nicht der nächste digitale Tsunami auf uns zu?

Natürlich ist es so, dass sich auch die Arbeitswelt verändert. Jedoch wissen wir auch, dass bisher jede technologische Revolution dazu geführt hat, dass mehr Jobs entstanden sind, als weggefallen sind. Die Technologie soll den Menschen unterstützen, nicht ersetzen. Natürlich werden sich die Berufsbilder verändern, dies war noch bei jeder technologischen Revolution so.

Wer hätte beispielsweise vor 20 Jahren gedacht, dass es Berufe wie die der Social-Media-Managerin geben wird? Wichtig ist jedoch, dass wir auf unserer Reise in die digitale Zukunft niemanden zurücklassen, sondern alle mitnehmen. Um die digitalen Kompetenzen zu stärken, haben wir als Bundesregierung beispielsweise auch die digitale Kompetenzoffensive gestartet und in dieser der KI einen besonderen Schwerpunkt gewidmet.

AI kostete im Mai bereits 3.900 Amerikaner:innen den Job

AI ist gut, um effizienter zu werden. Sollte man nicht dafür sorgen, damit Arbeit zu entlasten und so die 4-Tage-Woche, die sich viele so sehr wünschen, zu ermöglichen?

Künstliche Intelligenzen schaffen neue Chancen für die Arbeitswelt. Beispielsweise können KI-Systeme in der Produktion eingesetzt werden und die Effizienz und Qualität steigern, oder in der Wartung um Probleme vorherzusagen und dadurch Ausfallzeiten und Reparaturkosten reduzieren. Klar ist jedoch auch, dass sich die Berufsbilder verändern. Hier ist es wichtig, alle Menschen mitzunehmen und niemanden zurück zu lassen. Daher haben wir in unserer Strategie für mehr digitale Kompetenzen in Österreich auch gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft einen Schwerpunkt auf künstliche Intelligenzen in der Arbeitswelt gelegt.

Ich gehe davon aus, dass durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz die Arbeitsmöglichkeiten nicht geringer werden. Eine 4-Tage-Woche ist nicht unser Zugang und wäre auch nicht in allen Branchen umsetzbar. Damit würden wir nur den Arbeitskräftemangel verstärken und langfristig unseren Wohlstand gefährden.

Warum denken Sie, dass die 4-Tage-Woche den Fachkräftemangel verstärkt?

Eine Reduktion der gesetzlichen Wochenarbeitszeit von 40 auf 32 Stunden würde mit einer deutlichen Abschwächung der Wirtschaftsleistung einhergehen und es würden über 200.000 Vollzeitarbeitskräfte zusätzlich gebraucht werden. Dies würde natürlich auch den IT-Fachkräftemangel weiter anheizen.

Wie sollte Österreichs Regierung KI einsetzen dürfen, und wie nicht? Was sind die roten Linien für KI in Gesetzgebung, Verwaltung und Co.?

Wir verfolgen den humanistisch geprägten Ansatz, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und von der Technologie unterstützt wird. Wir wollen KI-Systeme gemäß unserer freien und demokratischen Werte nutzen und lehnen jegliche ideologische Prägung deutlich ab. Beispielsweise ist die im April erfolgte Ankündigung Chinas, KI auf Basis ideologischer Maßstäbe zu regulieren, demokratiepolitisch gefährlich. KI darf keiner staatlich vorgegebenen Ideologie folgen.

Daher bin ich sehr froh darüber, dass das Europäische Parlament nun eine Einigung zum AI Act erzielt hat. Somit kommen wir rasch zu einer klugen Regulierung, die Innovation ermöglicht aber gleichzeitig Massenüberwachung oder Social Scoring mittels KI-Anwendungen untersagt. KI-Anwendungen müssen auch Transparenzverpflichtungen wahrnehmen, damit für die Konsumentinnen und Konsumenten zu jeder Zeit klar ersichtlich ist, wenn sie mit einer Künstlichen Intelligenz konfrontiert sind.

Aktuelle AI-Tools sind stark an die Clouds von Microsoft, Google und Amazon gebunden. Gibt es überhaupt eine Chance auf europäische AI? Hier fehlt eine eigene Infrastruktur ja komplett.

In Österreich gehen wir beim Datenschutz keine Kompromisse ein. Fest steht jedoch auch, dass Daten das Öl der Zukunft sind. Im behördlichen Umfeld arbeiten wir derzeit daran, die verschiedenen Datensilos der einzelnen Ministerien – die sich über die Jahre hinweg aufgebaut haben – so miteinander zu verknüpfen, sodass man beispielsweise seine Geburtsurkunde nicht von einem Amt aufs nächste tragen muss. Für die Bürgerin und den Bürger wird somit das Once-Only-Prinzip umgesetzt.

Das stimmt, die meisten Rechenzentren befinden sich in Asien oder den Vereinigten Staaten. Große Cloud-Anbieter sehen mittlerweile aber auch Österreich als attraktiven Standort an – wir sind ein sicheres und schönes Land im Herzen Europas – so investiert beispielsweise Microsoft in ein Rechenzentrum in der Nähe von Wien. Aber auch Firmen wie KapschBusinessCom besitzen mit dem earthDATAsafe ein Rechenzentrum in Österreich.

AI-Startups sind den Cloud-Mächten ziemlich ausgeliefert

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