Austrian Social Enterprise Monitor

Social Startups in Österreich: Armutszeugnis für politische Rahmenbedingungen

Startup-Hub (Symbolbild) © S O C I A L . C U T on Unsplash
Startup-Hub (Symbolbild).© S O C I A L . C U T on Unsplash
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markta, tech2people, Vollpension, Hobby Lobby, Doing Circular und viele andere: Das sind nicht nur klingende Namen in der österreichischen Startups-Szene, sondern auch die großen Beispiele für innovative Jungfirmen, die man auch als Sozialunternehmen mit entsprechender Wirkung in der Gesellschaft betrachten kann. So tut es zumindest der brandneue „Austrian Social Enterprise Monitor 2021/2022„, der am Mittwoch vom Social Entrepreneurship Center der Wirtschaftsuniversität Wien veröffentlicht wurde.

Die Ergebnisse der Studie sind auf der einen Seite beeindruckend, auf der anderen auch sehr ernüchternd. Für den Monitor wurden 258 Sozialunternehmen aus Österreich befragt. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Soziale und ökologische Ziele: Gesundheit, die Reduktion gesell- schaftlicher Ungleichheiten, menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum sowie Bildung sind die am häufigsten genannten Sustainable Development Goals. Mehr als die Hälfte (52,3 %) verfolgt aber auch oder ausschließlich ökologische Zielsetzungen, unter anderem im Bereich des Klimaschutzes.
  • 92,0 Prozent der Sozialunternehmen setzen ihre Gewinne überwiegend bis ausschließlich für den gesellschaftlichen Zweck ihrer Organisation ein
  • Kaum Gewinne: Lediglich 24,4 % wiesen im letzten Jahr Gewinne aus, 21,0 % schrieben im zweiten COVID-19-Pandemiejahr Verluste. In frühen Phasen der Organisationsentwicklung sind Verluste noch häufiger.
  • 12,8% der Unternehmen erzielen sämtliche Einnahmen durch Marktaktivitäten und 17,8 % der Unternehmen sind vollständig auf Nicht-Markteinnahmen angewiesen – die meisten (69,4 %) finanzieren sich aus beiden Einkommensquellen.
  • 51,2% der Sozialunternehmen wurden in den letzten 10 Jahren gegründet, 34,9 % befinden sich in den frühen Stadien der Entwicklung und sind damit in der Startup-Phase
  • mehr als 50 Prozent setzen in ihrer Arbeit neue Technologien ein, von Apps und Plattformen bis künstlicher Intelligenz und virtueller Realität
  • Social Enterprises sind sehr weiblich: Mehr als drei Viertel der Gründungsteams sind weiblich oder geschlechtergemischt. 50,8 % der Führungskräfte und 46,0 % der Gründer:innen in Sozialunternehmen sind Frauen
  • Viele Mitarbeiter:innen: Sozialunternehmen beschäftigen im Schnitt 72,4 Personen (Vollzeitäquivalente, Median: 5 Personen). In Summe beschäftigten allein die an der Umfrage teilnehmenden Sozialunternehmen 18.640 Personen
  • Rechtsformen: Die meisten gründen als Verein (46,9 %), GmbH (35,3 %) oder als Einzelunternehmen (12,0 %). Jedes neunte Sozialunternehmen kombiniert unterschiedliche Rechtsformen, um die dualen Ziele der Organisation bestmöglich abzubilden.

Kein gutes Zeugnis für die Politik

„Die Unterstützung durch die Politik wird als mangelhaft wahrgenommen. Lediglich 7,4 Prozent der 258 Befragten sind mit der gegenwärtigen Unterstützung aus der Politik zufrieden. Das ist auch im internationalen Vergleich ein sehr niedriger Wert: Im Vergleich zu 13 weiteren europäischen Ländern, internationale Vergleichsdaten verfügbar sind, rangiert Österreich an elfter und somit vorvorletzter Stelle“, heißt es seitens Peter Vandor, Leiter des Social Entrepreneurship Center der WU.

Deswegen hat das Forscher-Team rund um Vandor auch einen Maßnahmenkatalog erstellt, die zur Verbesserung der Situation für Sozialunternehmer:innen in Österreich wichtig wären. Diese sind etwa:

1. Entwicklung einer nationalen Strategie für Sozialunternehmen

Im Unterschied zu vielen anderen europäischen Ländern gibt es in Osterreich bisher keine umfassende staatliche Strategie, die darauf ausgerichtet ist, Sozialunternehmer:innen gezielt und koordiniert zu unterstützen. Das Social Entrepreneurship Center empfiehlt die partizipative Entwicklung einer nationalen Strategie für Sozialunternehmen. Unter Einbindung der Akteur:innen des Ökosystems sollte eine Strategie entwickelt werden, die ein einheitliches Verständnis zu sozialem Unternehmertum und Ziele für Rahmenbedingungen und Unterstützungsmaßnahmen festlegt. Zentraler Inhalt einer solchen Strategie sollte auch die Koordination von Maßnahmen über Ressort- und Verwaltungsebenen hinweg sein, da Sozialunternehmertum als Querschnittsthema viele Zuständigkeiten berührt.

2. Städte und Gemeinden sollten das Potential von Sozialunternehmen starker nutzen:

Strategien von Städten wie die „Impact City“ Den Haag, Berlin und Barcelona, aber auch einzelne Maßnahmen wie der Climate Hub in Wien zeigen, wie Good Practices aussehen können.

3. Schaffung eines Rechtsstatus „Social Enterprise“:

Sozialunternehmen in Osterreich sind nicht mit einer bestimmten Gesellschaftsrechtsform assoziiert, sondern wählen unterschiedliche Rechtsformen oder kombinieren diese. Das erschwert Außenstehenden, Investor:innen und Kund:innen die Identifikation von Sozialunternehmen. Die Schaffung eines „Rechtsstatus Social Enterprise“ kann hier Sichtbarkeit und Verbindlichkeit schaffen. Durch die Prüfung und Eintragung in ein öffentliches Register wurden Sozialunternehmen, die festgelegte Kriterien erfüllen, als solche erkennbar sein. Beispiele für Länder, die einen ähnlichen Rechtsstatus für Sozialunternehmen eingeführt haben, sind unter anderem Belgien, Slowenien, Serbien und Italien.

4. Reform der Gemeinnützigkeitsbestimmung durch Ausweitung auf Social Entrepreneurs:

Das wurde im Regierungsprogramm bereits angekündigt. Die aktuelle Regelung der Gemeinnützigkeit ist relativ eng und lässt viele Sozialunternehmen außen vor.

5. Mehr Engagement von gemeinnützigen Stiftungen als Risikokapitalgeber:innen und ein dafür förderliches fiskalpolitisches Umfeld:

Das Social Entrepreneurship Center empfiehlt eine Erhöhung der Zuwendungsgrenzen zur ertragsbringenden Vermögensausstattung von Stiftungen und damit das Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung „zur steuerlichen Begünstigung der gemeinnützigen Aktivitäten von Stiftungen“ sowie die damit verbundene Prüfung der „weiteren Forderung sozialer Innovationen“ (auch hier gibt es eine nicht umgesetzte Ankündigung im Regierungsprogramm)

6. Schaffung eines gleichberechtigten Zugangs von Sozialunternehmen bei bestehenden Förderungen

für Start-ups, Innovation und Digitalisierung und Schaffung neuer zielgruppenspezifischer Finanzierungsinstrumente für Sozialunternehmen. Beides wurde im Regierungsprogramm bereits angekündigt.

7. Weiterentwicklung und Entbürokratisierung des öffentlichen Förderwesens:

Der häufigste Kritikpunkt der Befragten. Hier gibt es vielfältige Ansatzpunkte und Wünsche im Sektor, von der Öffnung bestimmter Förderungen für Vereine, über Abrechnungsmodalitäten, mehr soziale und ökologische Expertise bei Förderberater:innen.

8. Öffnung der öffentlichen Beschaffung für Sozialunternehmen:

Im Einklang mit den Zielen der Bundesregierung, die öffentliche Beschaffung in Österreich entlang sozialer und nachhaltiger Kriterien auszurichten und gemeinnützige Organisationen starker einzubinden, empfiehlt das Social Entrepreneurship Center bessere Interfaces für zwischen öffentlicher Beschaffung und Sozialunternehmen zu schaffen, und auf beiden Seiten die Kompetenzen zur Zusammenarbeit zu stärken.

9. Social Entrepreneurship in die Entrepreneurship Education verankern:

Immer mehr Startup-Gründer:innen priorisieren Soziale und ökologische Ziele, laut Austrian Startup Monitor zuletzt über 48%. Zugleich beschäftigen sich lediglich 6 von 110 Entrepreneurship Education-Angeboten in Österreich mit sozialem Unternehmertum. Das Social Entrepreneurship Center fordert, dass soziales Unternehmertum breit in den Entrepreneurship-Bildungskanon für Schüler:innen, Lehrlinge und Studierende aufgenommen wird.

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