Carbon Dioxide Removal

Kann man das Klima retten, indem man CO2 aus der Luft zieht?

Carbon Capture and Storage-Anlage. © Climeworks
Orca ist die momentan größte "Direct Air Capture"-Anlage der Welt. © Climeworks

Noch nie wurde so viel Kohlendioxid produziert wie 2021. 36,6 Gigatonnen (eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen) CO2 wurden im letzten Jahr ausgestoßen (wir berichteten). Doch selbst wenn wir von heute auf morgen aufhören würden, fossile Brennstoffe zu verbrauchen, würde die Klimakrise weiter fortschreiten. Denn es braucht mehrere Jahrzehnte, bis CO2 aus der Luft abgebaut wird, selbst nach 1.000 Jahren sind immer noch 15-40 Prozent des heute ausgestoßenen Kohlendioxids in der Atmosphäre. Eine Lösung wäre, das CO2 wieder aus der Luft abzuscheiden. Das geht mittels Direct Air Capture-Technologie (DAC).

Auch der am 4. April präsentierte Bericht des Weltklimarates (IPCC) beinhaltet Maßnahmen zur Abscheidung von CO2 aus der Atmosphäre. Die von den Forschenden in dem Report bewerteten Szenarien zeigen, dass für das Erreichen des 1,5 Grad-Ziels die globalen Treibhausgasemissionen spätestens 2025 ihren Höhepunkt erreichen müssen. Bis 2030 müssen die Emissionen um 43 Prozent gesenkt werden, während der Methanausstoß um etwa ein Drittel reduziert werden muss.

Trotzdem sei es aktuell „fast unvermeidlich“, diese Temperaturschwelle zu überschreiten. Ein Überschreiten dieser Schwelle, selbst temporär, wird schwerwiegende, teils unumkehrbare Folgen haben. Aber zumindest könnte die Temperaturschwelle bis zum Ende des Jahrhunderts wieder unterschritten werden, durch entsprechende Negativemissionen. „CO2-Abscheidung ist essenziell, um bis 2100 CO2-neutral zu werden“, gab Diana Ürge-Vorsatz, Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe III, in der Pressekonferenz dazu bekannt. Dafür braucht es die natürliche CO2-Abscheidung durch Bäume beispielsweise, aber auch entsprechende Technologien.

Obwohl der momentane Einsatz dieser Technologien noch sehr beschränkt ist, schätzt der Weltklimarat das Potential von CO2-Abscheidung durchschnittlich bis hoch ein.

IEA: Carbon Capture and Storage wird nötig sein

Laut der Internationalen Energiebehörde (IEA) werden Carbon-Capture-Technologien nötig sein, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkoommens zu erreichen. Doch momentan sind diese Technologien vorwiegend in der Demophase und dementsprechend teuer, noch. Inzwischen investieren einige Marktteilnehmende in diese Technologien, darunter auch fossile Energiekonzerne. So kündigte etwa die OMV Mitte März an, 5 Milliarden Euro in Geothermie und CCS investieren zu wollen.

 

Climeworks: Schweizer Firma holt mit Direct-Air-Capture CO2 aus der Luft

Mittels zwei Technologien kann CO2 abgeschieden werden, entweder durch Filtersysteme direkt in CO2-emittierenden Anlagen oder aber einfach aus der Umgebungsluft. Besonders letzteres, das Direct Air Capture (DAC), ist unter Expert:innen umstritten (wir berichteten). Je höher der Anteil von CO2 in der Luft, desto einfacher ist es nämlich, es herauszufiltern. Die Konzentration in der Umgebungsluft ist jedoch so gering, dass die Kosten für die Filterung in die Höhe schießen. Kostenschätzungen reichen daher aktuell von 100 Dollar bis 2.000 Dollar pro Tonne gefiltertem Kohlendioxid. Zudem gibt es die Möglichkeit der Bioenergienutzung  mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS). Dabei wird pflanzliches Material zunächst verbrannt, dadurch Bioenergie erzeugt und das durch den Verbrennungsprozess entwichene CO2 anschließend abgeschieden und gespeichert.

Das Potenzial des Einsatzes von Carbon Dioxide Removal-Technologien (CDR) um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten oder wieder zu erreichen, schätzt der IPCC bis 2100 durch BECCS und DAC mit anschließender Speicherung (DACCS) auf 30 bis 780 bzw. 0 bis 310 Milliarden Tonnen ein.

DAC-Werke noch teuer und ineffizient

Im letzten Jahr haben die beiden Startups Carbfix und Climeworks in Island das bisher größte Projekt dieser Art gestartet. Die Anlage „Orca“ soll jedes Jahr 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft saugen, welches anschließend tief in den Boden injiziert wird, um dort zu mineralisieren. Laut Carbfix ist das ein Rekord bei einer „Direct Air Capture“-Anlage. Der Bau kostete einem Bericht von Bloomberg zufolge zwischen zehn und 15 Millionen Dollar.


Einen ähnlichen Plan verfolgen die britische Firma Storegga und die kanadische Firma Carbon Engineering im Nordosten Schottlands. Ihre „Direct Air Capture“-Anlange soll jedes Jahr bis zu einer Million Tonnen CO2 aus der Atmosphäre abscheiden. Bisher blieb es jedoch bei der Ankündigung. Der genaue Standort der Anlage soll dieses Jahr angekündigt werden, fertiggestellt werden soll diese bis 2026.

Climeworks: Wie das Schweizer Startup CO2 aus der Luft saugt

Kohlendioxid als Wertstoff

Doch was macht man mit dem CO2, das man so aus der Luft abgeschieden hat? Auch hier gibt es wieder zwei Möglichkeiten: speichern oder weiterverwerten. Reines CO2 ist ein Wertstoff, der in der Industrie vielfach eingesetzt wird. So wird CO2 als Kohlensäure in Getränken gebraucht, aber auch in der Fleischindustrie wird CO2 als Konservierungsmittel verwendet. Daneben gibt es mehrere Startups, die CO2 anderweitig nutzen. Das österreichische Startup Arkeon Technologies verfüttert beispielsweise CO2 an Bakterien, die dann Proteine ausscheiden. Diese Proteine sollen dann zukünftig in verschiedenen Lebensmittel-Produkten weiterverarbeitet werden.

Auch die Luftfahrt hat ein Auge auf CCS-Praktiken geworfen. Momentan wird etwa an CO2 als Ausgangsstoff für Öko- und synthetischen Treibstoff geforscht, die Ausbeute hält sich aber weiterhin in Grenzen. Der Traum des „grünen Fliegens“ ist zwar theoretisch möglich, praktisch ist man jedenfalls noch nicht so weit, Treibstoff aus Kohlendioxid in ausreichend relevanten industriellen Mengen herzustellen.

Wohin mit dem CO2?

Zur Lagerung von CO2 gibt es ebenso einige Startups. Am vielversprechendsten scheint dabei die Speicherung in Gestein zu sein. Das CO2 reagiert nämlich mit verschiedenen Gesteinsarten – wie etwa Basalt oder Kalkstein – und wird dadurch dauerhaft gebunden. Das isländische Startup Carbfix konnte so den eigenen Angaben nach etwa bereits tonnenweise CO2 in Stein verwandeln. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Startup Heirloom Carbon. Ziel des Startups ist es, bis zum Jahr 2035 eine Milliarde Tonnen CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen.

Stein, Tierfutter oder Parfum: Startups und das große Geschäft des CO2-Recyclings

Die dänische Regierung fördert außerdem das CCS-Projekt „Greensand“, mit dem CO2 in der dänischen Nordsee gespeichert werden soll. Umgerechnet 26 Millionen Euro ist es den Dän:innen wert, in einem Ölfeld in rund zwei Kilometern Tiefe CO2 zu lagern. Eine Million Tonnen CO2 könnten so ab 2025 pro Jahr gespeichert werden, bis 2030 soll das Speicherpotenzial auf vier bis acht Millionen Tonnen CO2 steigen. Forscher:innen warnen in diesem Fall jedoch vor starken Risiken für maritime Lebewesen, falls das Kohlendioxid austreten sollte.

Auch Deutschland ist in Sorge, dass CO2-Lecks in unterirdischen Endspeichern Risiken für Boden und Grundwasser darstellen. Die notwendigen oberirdischen Anlagen für den Transport und die Speicherung können sich negativ auf ⁠Flora⁠, ⁠Fauna⁠, Landschaft und die ⁠Biodiversität⁠ auswirken, gibt das Umweltbundesamt zu bedenken. Die Regierung erließ 2012 daher ein „Opt-out“-Gesetz, mit dem die Länder selbst die Wahl haben, CO2-Speicher zu erlauben oder zu verbieten. Bisher ist CO2-Speicherung in allen Bundesländern Deutschlands de facto verboten.

CCS-Projekte brauchen grünen Strom

Was alle CCS-oder DAC-Projekte gemeinsam haben: Sie befinden sich erst in der Startup- oder Scale-Up-Phase. Zudem sind bei den Projekten bisher nur Zielsetzungen über die Abscheidung von einigen Millionen Tonnen CO2 in den nächsten Jahren bekannt gegeben worden. Allein im Jahr 2021 wurden jedoch mehr als 36 Milliarden Tonnen CO2 emittiert. Die Projekte sind daher (bisher) nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und ersetzen keine Reduktion der emittieren Treibhausgase.

Ebenso problematisch ist die Effizienz der Anlagen, die noch sehr energiehungrig sind. Wenn der dafür benötigte Strom nicht ebenso aus grünen Energiequellen kommt, sind die Carbon Capture & Storage- oder Direct Air Capture-Anlagen quasi sinnlos.

Grün schimmernde Strände sollen CO2 aus der Luft fangen

Doch Moment: Gibt es nicht bereits eine günstige, natürliche DAC-Technologie, die vollkommen ohne Strom funktionieren kann und mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte CO2 direkt aus der Luft aufnimmt und speichert? Die Rede ist natürlich von Bäumen. Viele Wiederaufforstungsprojekte schwören auf den Baum als CO2-Speicher. Im Schnitt kann ein Baum in rund 10 Kilo CO2 pro Jahr aufnehmen, im Alter mehr. Es nützt also nichts, alte Bäume umzuschneiden und stattdessen neue zu pflanzen, um klimaneutral zu bleiben. Zudem muss ein Baum für lange Zeit stehen bleiben, um wirklich als CO2-Speicher genutzt zu werden. Eine Buche braucht so etwa 80 Jahre, um eine Tonne CO2 zu binden. Wird sie dann gefällt, stirbt er ab oder fällt einem Waldbrand zum Opfer, tritt auch das CO2 wieder aus.

Moore und Wälder: Die natürlichen CO2-Senken

Trotzdem wird natürlich auch in „natürlichen Klimaschutz“ investiert. Auen, Moore, Meere und Wälder sind natürliche CO2-Senken, die Tonnen von Kohlenstoff speichern können, wenn das Ökosystem entsprechend gesund ist. Laut einer Veröffentlichung des Umweltbundesamtes binden die Moorböden über 500 Tonnen Kohlenstoff je Hektar in Deutschland. Eine Wiederbenässung würde helfen, noch mehr CO2 zu speichern.

Das beste CO2 ist jedoch jenes, was gar nicht erst ausgestoßen wird und somit auch nicht abgeschieden werden muss. „Carbon Capture und Storage“-Technologie als Rettung für das Klima zu bezeichnen, wäre falsch. Zunächst muss die Menschheit anfangen, ihren CO2-Fußabdruck deutlich zu reduzieren. Die Technologie birgt falsche Hoffnung, dass fossile Brennstoffe weiterhin verbrannt werden können und man das CO2 später einfach aus der Luft gefiltert wird. Dennoch ist es wohl wichtig, weiterhin daran zu forschen. In einigen Jahrzehnten könnten sich CCS und DAC als ein Werkzeug von vielen herausstellen, mit dem die Klimakrise kontrolliert werden kann.

Anmerkung Redaktion: Die Angaben zum IPCC und  CDR-Technologien wurden ergänzt.

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