Windenergie

Kann das Windrad im Garten die Photovoltaik-Anlage am Dach ersetzen?

Kleine Windenergie ist für die meisten keine Alternative zu Photovoltaik. © pexels
Kleine Windenergie ist für die meisten keine Alternative zu Photovoltaik. © pexels
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Während der Ansturm auf Photovoltaik-Module in Österreich gerade enorm ist, sind private Windkraft-Anlagen immer noch eine Randerscheinung. Für den Strommix wäre Windenergie die ideale Ergänzung zur Sonnenenergie und ihren Photovoltaik-Anlagen. Wenn die Sonne nicht scheint, etwa wegen Schlechtwetter, könnte der Sturm die Windräder antreiben.

Doch Windenergie ist nicht unbedingt die beliebteste Form der Energieerzeugung in Österreich. Im Stimmungsbarometer Erneuerbare Energien von Deloitte aus dem Jahr 2021 stürzte die Akzeptanz von Windkraft-Anlagen im Vergleich zum Vorjahr um 5 Prozentpunkte auf 62 Prozent ab. Zum Vergleich: Photovoltaik genießt mit 85 Prozent die höchste Akzeptanz. Bei Windkraft zeichnet sich also ein Negativtrend ab, wenn auch auf hohem Niveau.

Windkraft: „Not in my Backyard“, aber gern außerhalb des Ortes

Dem gegenüber steht eine Studie der Alpen-Adria-Universität zur Akzeptanz von Windenergie aus demselben Jahr. Die genaue Frage lautete hier „Ich würde ein Projekt in meiner Wohngemeinde zur Errichtung einer Windturbine etwas außerhalb des Ortes gutheißen.“ 78 Prozent der befragten Österreicher:innen stimmten der Frage zu, bei Personen, die bereits in der Nähe eines Windparks wohnen, lag die Zustimmung sogar bei 88 Prozent.

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Fakt ist: Ende 2021 gab es in Österreich 1.307 Windräder, die insgesamt eine Leistung von 3.300 Megawatt erbringen. Allein am 14. April wurden laut IG Windkraft dadurch über 36 Gigawattstunden Energie erzeugt. Genug, um etwa 9.000 Haushalte ein Jahr lang mit Energie versorgen zu können. Das Potenzial für Windkraft in Österreich ist allerdings noch lange nicht ausgeschöpft: Laut Österreichischer Energieagentur ist allein bei der Windenergie bis 2030 eine zusätzliche Erzeugung von 10 Terawattstunden nötig, um die Klima- und Energieziele Österreichs zu erreichen.

Kleinwindkraft in Österreich kaum existent

Anders sieht die Sache im Kleinwindkraftmarkt in Österreich aus. Die Datenlage ist hier dünn, Ende 2015 gab es in Österreich 327 Kleinwindkraft-Anlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 1.500 Kilowatt. Ende 2018 waren in Österreich laut FH Technikum Wien insgesamt 359 Anlagen mit einer Gesamtleistung von ca. 1.720 kW in Betrieb. „Die Dunkelziffer ist etwas höher, weil noch Mikroanlage mit 100 oder 200 Watt hinzukommen“, weiß Kleinwind-Experte Alexander Hirschl, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erneuerbare Energie. Insgesamt könne man aber von rund 400 Anlagen mit einer Leistung von 2.000 Kilowatt ausgehen. Der Anteil am gesamten Windmarkt ist also überschaubar, die Gesamtleistung entspricht in etwa 0,05 Prozent der „großen“ Windkraft.

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Unter Kleinwindkraft versteht man private Anlagen mit einer Leistung von 5 Kilowatt, die etwa auf einer freien Fläche wie ein Feld oder Garten oder direkt an einer Bausubstanz wie einem Haus angebracht werden. Mikro-Anlagen starten bereits bei wenigen 100 Watt, die typische Leistung liegt bei 1-1,5 Kilowatt. Industrieanlagen können auch größer dimensioniert sein. Die Energieausbeute hängt neben der Anlagengröße vor allem von der Lage ab. An einem guten Standort kann laut IG Windkraft mit 800 – 1.200 h/Jahr Maximallast rechnen, an einem durchschnittlichen Standort sind es rund 500 – 800 h/Jahr. Das reicht bei weitem nicht aus, um einen Haushalt vollständig mit Energie zu versorgen.

Windräder brauchen Wind, und das nicht wenig

Generell sollte die Anlage aber einige Meter über Giebel- und Baumkronenhöhe oder auf einem möglichst freiem Feld montiert werden, um frei von Windverwirbelungen arbeiten zu können. Die Maximalhöhe solcher Anlagen regelt dabei jedes Bundesland selbst: Das Burgenland schreibt eine Maximalhöhe von 20 Metern vor, in Salzburg sind es etwa 30 Meter. Auch die Höhe ist wichtig für die Effizienz, je höher die Anlage, desto stärker bläst der Wind in der Regel. „Man kann sich vorstellen, dass die Windgeschwindigkeit in den ersten 100 Metern vom Boden quasi exponentiell zunimmt“, erklärt Hirschl. „Da machen drei, vier Meter bereits einen ordentlichen Unterschied.“

Laut der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie (AAE) beginnen die allermeisten Kleinwindkraft-Aanlagen bei einer Windgeschwindigkeit von 3-4 Meter pro Sekunde (11-15 km/h) Energie zu produzieren, die Effizienz hält sich dabei aber in Grenzen. Auch Hirschl kann das bestätigen: Erst ab einer mittleren Jahresdurchschnittsgeschwindigkeit von 3,5 bis 4 m/s produziert ein Windrad mehr Strom, als es überhaupt bei seiner Herstellung gekostet hat. Ab einer Windstärke von 10-12 Metern pro Sekunde (36-43 km/h) wird die maximale Leistung aus der Anlage herausgeholt. Zu dem Zeitpunkt ist der Wind bereits deutlich hörbar und bewegt größere Zweige und kleine Äste in den Bäumen. Zu viel Wind ist aber auch nicht ideal: Bei Windgeschwindigkeiten von zwischen 15 und 20 Metern pro Sekunde setzen bei vielen Anlagen die Notbremsen ein, damit das Windrad nicht beschädigt wird.

Rechtliche Hürden erschweren den Weg für privater Windenergie

Hat man einen geeigneten Ort mit genügend Wind gefunden, steht man weiterhin vor bürokratischen und rechtlichen Herausforderungen. In manchen Bundesländern sind Kleinwindkraft-Anlagen baurechtlich immer anzeige- oder bewilligungspflichtig. Meist muss man jedoch das Elektrizitätsrecht, Baurecht und Raumordnungsrecht der jeweiligen Bundesländer beachten, bevor man überhaupt an den Bau einer Kleinwindkraft-Anlage denken kann. Laut Experte Alexander Hirschl ist man manches Mal aber auch vom Wohlwollen der Sachverständigen bzw. Bürgermeister:innen angewiesen.

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Wer diese Hürden überwunden hat, kann zwischen einem klassischen Windrad oder einer vertikalen Windkraft-Anlage wählen, deren Rotoren sich um eine stehende Achse dreht. Letztere sind in der Regel vibrationsärmer und somit auch leiser, erreichen jedoch nicht so hohe Effizienzen wie die klassischen horizontalen Windkraft-Anlagen. Zudem bringen Startups immer wieder innovative Konzepte ins Rennen. Das deutsche Unternehmen Mowea setzt etwa auf kleine, modulare Systeme, die einfach montiert werden können. Die Windbox vom französischem Startup „Wind my Roof“ nutzt Fassadenwinde von Häusern, die am Dach in die Windbox geleitet werden und dort eine Art Windmühle betreiben. Das bayerische Startup KiteKraft entwickelt sogar Windturbinen, die eigenständig als eine Art Drachen in der Luft fliegen können und nur durch eine Stromleitung mit dem Boden verbunden sind.

Private Windkraft: Auf gute Hersteller achten

Was alle Windkraft-Anlagen, ob herkömmlich oder innovativ, gemeinsam haben, sind ihre beweglichen Teile. Die bedeuten zum einen Vibrationen und dadurch Lärm, zum anderen aber auch Verschleiß. Dennoch halten sich die Wartungsinvestitionen bei guten Anlagen in Grenzen, so Hirschl. Er hebt jedoch hervor, dass es auch schwarze Schafe unter den Kleinwindkraftanlagenhersteller:innen gibt: „Die bringen den ganzen Markt mit teilweise gefährlichen Produkten in Verruf.“

Die Anschaffungskosten sind verglichen mit Photovoltaik-Anlagen aber um einiges höher. Das Fachportal klein-windkraftanlagen.com gibt diese bei verlässlichen Kleinwindkraft-Anlagen mit rund 5.000 Euro pro Kilowatt an, Hirschl kann das bestätigen: „Der Durchschnitt für ein Kilowatt liegt bei etwa 4.500 Euro, kann aber je nach Anlage auch bis hin zu 10.000 Euro gehen“. Für Photovoltaik berechnet der österreichische Photovoltaik-Full-Service-Anbieter Dachgold hingegen etwa einen Durchschnittspreis von 1.600 Euro pro Kilowattpeak, die Wohnbau-Finanzexperten der Kreditvermittlung Infina ging 2021 von 1.500 bis 1.800 pro kWp aus. Auf ähnliche Kosten kam 2021 eine Studie (S.3) der FH Technikum in Wien, auf die sich auch Photovoltaik Austria bezieht. 

Photovoltaik ist in den meisten Fällen die bessere Entscheidung

Wie klug ist eine Kleinwindkraft-Anlage nun im Vergleich zu Photovoltaik-Modulen? Klein-Windkraftanlagen.com-Gründer Patrick Jüttemann schreibt dazu: „Mein ehrlicher Ratschlag: zuerst sollte man in Photovoltaik investieren. Wenn eine hohe Selbstversorgung das Ziel ist, dann mit Stromspeicher. Eine Kleinwindanlage kann dann den Batteriespeicher auch nutzen und die Stromlücke im Herbst und Winter decken.“ Auch das Fazit des Kleinwindkraftleitfadens des Klima- und Energiefonds und der AEE fällt nüchtern aus: Eine große Windkraft-Anlage liefere – im Vergleich zur kleinen Windkraft – rund 1.000 Mal mehr Energie, ist kosteneffizienter umzusetzen und kann wegen ihrer Höhe aus einem besseren Windangebot schöpfen. Für das Netzwerk der Verbraucherzentralen in Deutschland sind Mini-Windräder auf Wohngebäuden und im Garten eher ungeeignet.

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Das bedeutet natürlich nicht, dass die kleine Windenergie überhaupt keine Daseinsberechtigung hat. Unter idealen Standortbedingungen, an entlegenen Orten oder auf Booten können sie eine Alternative zu Photovoltaik darstellen. In Österreich werden solche kleinen Windkraft-Anlagen am häufigsten von Landwirten und kleinen Industriebetrieben aufgestellt, wie Hirschl verrät. Für Privathaushalte seien die rechtlichen Hürden und die Kosten einfach noch zu hoch.

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