Future Food

Österreich will nach französischem Vorbild gegen Lebensmittelverschwendung kämpfen. Es gibt aber ein besseres Vorbild.

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Elektrogeräte reparieren, statt wegwerfen, Einweg-Plastik reduzieren und Mehrwegsysteme für Getränke – die sogenannte „Kreislaufwirtschaft“ ist ein wichtiger Punkt im Regierungsprogramm von Türkis-Grün. Teil dieses Kapitels ist auch die Lebensmittelverschwendung, also genießbares Essen, dass im Müll landet. Das betrifft weltweit betrachtet ein Drittel aller Lebensmittel und es gibt mittlerweile eine Menge Initiativen, die dagegen ankämpfen.

Verbot für Handel im Regierungsprogramm

Bloß wo muss man ansetzen, also wo fallen die meisten Lebensmittelabfälle an? Diese Frage ist offenbar umstritten und wahrscheinlich gerade deshalb wird im Regierungsprogramm sicherheitshalber von einem „Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung über die gesamte Wertschöpfungskette“ (Seite 142) geschrieben. Das betrifft also die Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion, den Handel, Restaurants und Kantinen, sowie Haushalte. Konkretisiert wird dieses Vorhaben allerdings nur für eine Station dieser Wertschöpfungskette, nämlich den Einzelhandel. Dort soll nämlich das „Entsorgen von genusstauglichen Lebensmitteln“ verboten werden.

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Der Anteil des Einzelhandels an nicht verbrauchten Lebensmitteln sei geringer als gemeinhin angenommen, bestätigt die Handelskette Spar auf Nachfrage von Tech & Nature. Das Gros der Lebensmittelabfälle entsteht laut Greenpeace in Privathaushalten (42 Prozent) und in der Landwirtschaft (39 Prozent). Nur 5 Prozent entfallen laut dieser Angaben auf den Handel. Spar gibt sogar an, dass nur 1 Prozent der in den eigenen Märkten angebotenen Lebensmittel nicht verkauft würden.

12.250 Tonnen Lebensmittelspenden pro Jahr

Die Idee der türkis-grünen Regierung hat ein internationales Vorbild und zwar in Frankreich. Dort dürfen Supermärkte Lebensmittel seit bald vier Jahren nicht mehr wegwerfen. Alles, was noch genießbar ist, muss Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellt werden. Das ist in Österreich ebenfalls bereits Usus. 12.250 Tonnen werden vom Handel pro Jahr an Sozialorganisationen gespendet. Die größten Lebensmittelhändler (Rewe, Spar, Hofer, Lidl) sind auch Mitbegründer des Verbands der Österreichischen Tafeln und investieren dort jährlich insgesamt 100.000 Euro. Die Rewe Group habe nahezu flächendeckend Kooperationen mit karitativen Organisationen für die einzelnen Standorte ihrer Handelsfirmen.

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Das Gesetz in Frankreich ist seit Februar 2016 in Kraft – es war das erste Land weltweit, das Lebensmittelverschwendung unter Strafe stellte. Das Gesetz verpflichtet Supermärkte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern unverkaufte Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen zu spenden. Kommt es zu einem Verstoß und einer Klage, werden Strafen in der Höhe von bis zu 3.750 Euro pro Vergehen fällig. Mittlerweile ist etwa Tschechien nachgezogen, mit noch wesentlich höheren Strafen. Im Regierungsprogramm von Türkis-Grün bleibt offen, ob mit dem Verbot auch Strafen einhergehen sollen.

Ein solches Gesetz sieht die Obfrau des Tafel-Verbands, Alexandra Gruber als nicht notwendig an. „Die Weitergabe von Lebensmitteln an Tafeln oder andere soziale Organisationen ist im österreichischen Lebensmittelhandel seit vielen Jahren gelebte Praxis. Unsere enge Vernetzung im europäischen Tafelverbund FEBA (Fédération Européénne des Banques Alimentaires) zeigt darüber hinaus ganz klar, dass gesetzliche Verpflichtungen wie in Frankreich keinen Mehrwert bringen und somit kein Referenzbeispiel für die Tafeln in Europa sind.“

Italien hat Rechtssicherheit für Spenden geschaffen

In Italien gibt es seit 2016 ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung, das allerdings nicht mit Strafen arbeitet, sondern mit einem Anreizsystem, das unter anderem Steuererleichterungen vorsieht. Und Italien hat für Sozialorganisationen Rechtssicherheit geschaffen. Für Organisationen, die Lebensmittelspenden annehmen und weitergeben gelten in Österreich und anderen Ländern alle lebensmittelrechtlichen Pflichten, die für diese Organisationen allerdings eine schwere Hürde darstellen. In Italien können Sozialorganisationen für Mängel an Lebensmitteln, die nach bestem Wissen weitergegeben wurden nicht haftbar gemacht werden.

In Österreich Graubereich

„Die Sozialorganisation haben also mehr Rechtssicherheit und sind vor Haftungsklagen geschützt. Die Händler wiederum müssen weniger Bedenken bei der Weitergabe von Produkten haben“, erklärte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will im Zuge einer Expertenrunde vergangenes Jahr. In Österreich bewegen sich Handel und Organisationen laut Handelsverband allerdings nach wie vor in einem Graubereich.

Von Strafen wie in Frankreich hält auch Will nichts: „Eine neue gesetzliche Regelung analog zu Frankreich würde keinen Mehrwert für Armutsbetroffene oder die Umwelt bringen, sondern eine reine Überbürokratisierung, deren Abbau von der letzten Bundesregierung versprochen wurde. Stattdessen brauchen wir zusätzliche Anreizmodelle, eine Vereinfachung der Lebensmittelweitergabe und Logistik sowie eine Verbesserung des in Österreich bewährten Fünf-Stufen-Prinzips“.

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